Schülerschreibtische im Test: Knapp die Hälfte fällt durch

ÖKO-TEST Jahrbuch Kleinkinder für 2013 | | Kategorie: Kinder und Familie | 11.01.2013

Im Test: Wir haben neun Schülerschreibtische auf ihre Sicherheit getestet.
Foto: PeopleImages.com - Yuri A/Shutterstock

Hausaufgabenmachen ist schon schlimm genug. Da sollte wenigstens der Schreibtisch in Ordnung sein. Doch einige Schülerschreibtische weisen Schadstoffe, unpassende Maße und gefährliche Quetschstellen auf. Zum Glück gibt es auch gute robuste Alternativen.

Nach dem langen Schultag geht es ab ins Homeoffice zum Hausaufgabenmachen. Der erste eigene Schreibtisch erfüllt Kinder im Einschulungsalter meistens mit großem Stolz. Und wenigstens zu Hause gibt es die Möglichkeit, die Lernumgebung individuell auf das Kind abzustimmen: Dazu müssen Stuhl und Tisch noch einiges mehr leisten als nur größenanpassbar zu sein. Schülerschreibtische sollten nach Expertenmeinung auch eine neigbare Platte haben.

Der Grund: Beim Lesen und Schreiben an einer schräg gestellten Tischplatte können Kinder den Rumpf und Kopf aufrechter halten. Das schützt unter anderem vorm sogenannten Schulkopfschmerz. Der kann nämlich durch die typische Nickhaltung entstehen, die Grundschüler beim Lesen und Schreiben über einer rechtwinkligen Tischplatte einnehmen.

Wir wollten wissen, an welchen Schreibtischen kleine und große Schüler wirklich gut sitzen können und dabei von Schadstoffen verschont bleiben. Dazu haben wir neun höhen- und neigungsverstellbare Modelle in eine umfangreiche Praxisprüfung sowie zahlreiche chemische Untersuchungen geschickt.

Das Testergebnis: Schreibtische im Test

  • Vier von neun Schreibtischen verfehlen das Klassenziel um Längen. Aber wenn es in diesem Test auch keine absoluten Musterschüler gibt, dann doch ein paar solide Leistungen. Eltern und Schüler haben die Wahl zwischen zwei "guten" und drei "befriedigenden" Schreibtischen.
  • Bei den getesteten "mitwachsenden" Tischen der Marken Moll, Orgoo, Kettler, Moizi und Paidi lassen sich die Platten schon für kleine fünfjährige Abc-Schützen niedrig genug einstellen. Und wenn die Zwerge von heute wollen, finden sie an diesen Tischen auch nach dem Abitur noch ausreichend Beinfreiheit.
  • Ergonomisch ein echter Reinfall sind dagegen der Idimex Schülerschreibtisch Carina und der Dolphin Kinderschreibtisch: Sie eignen sich weder für kleine noch für große Kinder. Bei dem einen reicht die scharfkantige Ablage unter dem Tisch so weit in den Beinraum hinein, dass noch nicht einmal die Kleinsten ergonomisch richtig daran sitzen können. Der andere ist für kleine Kinder nicht niedrig genug einstellbar und bietet für größere ebenfalls zu wenig Beinfreiheit. Allenfalls in einem kurzen Wachstumszeitfenster um die 1,33 bis 1,40 Meter würden die Abmessungen passen.
  • Am leichtesten verstellen lässt sich die Höhe beim Paidi Falko, nämlich per Kurbel. Bei der Mehrheit der Tische muss man dagegen mit einem Innensechskantschlüssel zu Werke gehen. Beim Dolphin Kinderschreibtisch muss erst einmal die komplette Schubladenkonstruktion abgebaut werden.
  • Den besten Verstellmechanismus zum Neigen der Tischplatte hat der Moll Schreibtisch Runner Classic. Er ermöglicht als einziger ein stufenloses Verstellen per Hebel. Alle anderen funktionieren über sogenannte Rastaufsteller. Dabei müssen die Nutzer die schräg gekippte Tischplatte hinten erst einmal bis zum Anschlag hochheben, bevor sie sie wieder in die Ebene bringen können. Im Stehen mit Griff an der Hinterkante dürfte das nach Einschätzung des Prüfinstituts auch für kleinere Kinder machbar sein.
  • Leider ist die Technik auch in Bezug auf die Vermeidung von Verletzungsrisiken nicht gut durchdacht. Die Schüler können sich an Rastaufstellern oder zwischen Tischplatte und Unterbau die Finger quetschen. Beim Kent Schreibtisch blieb die Platte im Probandentest mit Kindern in höchstmöglicher Position stehen, ohne einzurasten, und krachte dann, als der Junge Druck ausübte, ungebremst runter. Absolute Sicherheit, sich nicht zu klemmen oder zu stoßen, kann es bei Tischen mit Verstellmechanismen kaum geben.
  • Dass aber durch Sorgfalt viel zu erreichen ist, zeigen die Marken Orgoo und Paidi, bei denen den Experten weder sogenannte Quetsch- und Scherstellen negativ auffielen, noch ungünstig in der Mitte unter dem Tisch platzierte Rastaufsteller, an denen Schüler sich die Knie verletzen können.
  • Der schon von der Anmutung her reichlich wackelige Dolphin-Tisch fiel als einziger in der Standsicherheitsprüfung nach Schulmöbelnorm durch. Bei einer Krafteinwirkung von 600 Newton, die vielleicht einem auf der Tischkante Platz nehmenden Elternteil vergleichbar ist, kippte er nach hinten um.
  • Alle Tische im Test, sind nur eingeschränkt als Bildschirmarbeitsplatz geeignet: Da die komplette Platte schräg gestellt wird, müsste man auf die Schrägstellungsfunktion verzichten. Viele Hersteller haben spezielle Module für die Computernutzung im Angebot. Wer zur Einschulung erst einmal ein Basismodell kauft, erkundigt sich am besten gleich schon mal nach späteren Erweiterungsmöglichkeiten.
  • Bei den meisten Tischen ist die Formaldehydabgabe erhöht oder sogar stark erhöht. Formaldehyd, das über die Atemluft aufgenommen wird, gilt als krebserregend. Einige Verstellteile oder Rollen enthalten umweltschädliche Schwermetalle wie Cadmium, Blei und Arsen.

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Testverfahren

Der Einkauf: Spätestens, wenn Kinder alleine Hausaufgaben machen sollen, muss ein eigener Schreibtisch her. Er sollte möglichst lange halten und "mitwachsen". Neben einer großen Spanne an einstellbaren Tischhöhen sollte sich die Tischplatte für Grundschüler um mindestens 16 Grad schräg stellen lassen. Wir haben neun höhenverstellbare Modelle mit neigbarer Tischplatte eingekauft und dabei eine Preisspanne von 80 bis knapp unter 600 Euro ausgewählt. Uns interessierte, ob der Preis bei dieser Produktgruppe etwas über die Qualität aussagt. Anbieter, die keine Schülerschreibtische mit höhen- und neigungsverstellbaren Platten im Programm haben, kamen nicht mit in den Test, etwa Ikea. Manche Marke fehlt, weil die Lieferzeit zu lang war, zum Beispiel Hülsta.

Die Praxisprüfung: Verstellmechanismen an Schreibtischen sind eine gute Sache. Nur: Wenn die Bedienung nervig und langwierig ist, führt das ganz schnell dazu, dass man sie nicht mehr anfasst und die Kinder sich eben an eine krumme Sitzhaltung gewöhnen. Bei der Höhenverstellung genügt es, wenn sie für Erwachsene halbwegs einfach zu bedienen ist. Hier stehen ja nur ein, zweimal im Jahr Veränderungen an. Die Neigung der Platte aber sollten Kinder selbstständig verstellen können. Die Experten des beauftragten Prüflabors ließen vier Kinder im Alter von fünf, acht, zehn und 13 Jahren sowie zwei Elternteile an den Schreibtischen schalten und walten, schreiben und malen, und beobachteten, wo es hakte. Ob die Verstellbereiche der Schreibtische den verschiedenen Längen und Proportionen von Schülern gerecht werden, wurde anhand der Empfehlungen der Norm für Schulmöbel DIN EN 1729 überprüft. Weil auch bei Kindern identischer Körperlänge Arme, Beine und Oberkörper recht unterschiedlich ausfallen können, hat man für die Norm Gruppen gebildet. So lässt sich sagen, für Kinder welcher Körpergrößen die Tische ergonomisch ungefähr passen.

Die Inhaltsstoffe: Sowohl Massivholzmöbel als auch Spanplatten können die Raumluft mit Formaldehyd belasten. Das krebserregende Gas kann aus dem Holz selbst ausdünsten, aus Lacken und vor allem aus Klebstoffen, die in Spanplatten in rauen Mengen eingesetzt werden. Neben der Untersuchung auf Formaldehyd haben wir die Schreibtische auf Lösungsmittelausdünstungen und eine Vielzahl anderer kritischer Inhaltsstoffe testen lassen, die etwa im Lack als Weichmacher eingesetzt werden. Wenig hochwertige Tischplatten können zudem mit PVC beschichtet, farbige Teile mit Schwermetallen belastet sein.

Die Bewertung: In puncto Sicherheit haben wir streng bewertet: Es mag zwar schwierig sein, einen Tisch mit verstellbarer Platte so zu bauen, dass man sich auf gar keinen Fall die Finger klemmen kann. Aber es gibt viele offensichtliche Risiken, die die Hersteller mit etwas mehr Sorgfalt vermeiden könnten. Und auch wenn uns keine gesetzlichen Bestimmungen bekannt sind, gegen die einer der Schülerschreibtische verstoßen würde: Wenn sich mehrere relevante Sicherheitsmängel summieren, fällt das Produkt im ÖKO-TEST durch. Das gilt auch im Prüfpunkt Ergonomie, wenn ein Schreibtisch Kinder übermäßig einengt, und natürlich bei den Inhaltsstoffen, wenn Schadstoffe die Luftqualität im Kinderzimmer mindern.

Bevor die Kinder sich klemmen konnten, griffen die Prüfer natürlich ein. Um mögliche Verletzungsgefahren aufzudecken, spielten sie alle Einstellungen durch. Wenn Finger beim Absenken der Tischplatte zwischen Rastaufsteller und Unterbau geraten, ist das kein Spaß. So nah am Rand wie das Verstellteil beim "Frizzy" Funktions-Schreibtisch platziert ist, leider kein unwahrscheinliches Szenario.

Beengte Verhältnisse: Die tiefe, scharfkantige Ablagefläche beim Idimex Schülerschreibtisch Carina ist schon für Grundschüler sehr störend. Die 13-jährige Probandin konnte an diesem Tisch noch nicht einmal mit dem Bauch bis zur Tischkante vorrücken.

Bewertungslegende

Testergebnis Praxisprüfung: Das Testergebnis Praxisprüfung setzt sich zusammen aus dem Teilergebnis Information und Aufbau (20 %), dem Teilergebnis Sicherheit (40 %) und dem Teilergebnis Ergonomie (40 %). Die Beurteilungen des Testinstituts erfolgten auf einer Punkteskala von 1 bis 5, wobei 5 der besten Bewertung entspricht. Die Punktzahl wird wie folgt in volle Noten umgesetzt: 4,5 Punkte und mehr = sehr gut; 3,50 bis 4,49 Punkte = gut; 2,50 bis 3,49 Punkte = befriedigend; 1,50 bis 2,49 Punkte = ausreichend; weniger als 1,5 Punkte = mangelhaft. Die Teilergebnisse sowie das Testergebnis Praxisprüfung werden auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Teilergebnis Information und Aufbau: Das Teilergebnis Information und Aufbau setzt sich zu gleichen Teilen aus den Ergebnissen Aufbauanleitung (logischer Aufbau und Korrektheit) und Erstmontage (Einfachheit der Montage) zusammen. Bei der Erstmontage bedeutet: besonders einfach = sehr gut, einfach = gut, durchschnittlich = befriedigend, schwierig = mangelhaft.

Teilergebnis Sicherheit: Unter dem Teilergebnis Sicherheit führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) ungebremst herunterfallende Platte, das heißt, die geneigte Tischplatte kann in der höchstmöglichen Position stehen bleiben, ohne einzurasten, und durch leichten Druck ungebremst in Neutralposition zurückfallen; b) Tisch kippt in Standsicherheitsprüfung nach hinten um. Zur Abwertung um drei Noten führt: gefährliche Quetsch- und/oder Scherstellen. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) vergleichsweise ungefährliche Quetsch- und/oder Scherstellen; b) kniegefährliche Teile (Rastaufsteller) mittig unter dem Tisch. Zur Abwertung um eine Note führen: vergleichsweise ungefährliche Scherstellen, die durch das Vorhandensein eines Hebels für die Neigungsverstellung der Tischplatte entschärft werden.

Teilergebnis Ergonomie: 1. Wie leicht ist die Höhe verstellbar? = Beurteilung der Handhabung der Höhenverstellung. 2. Wie leicht ist die Tischplattenneigung verstellbar? = Mittelwert aus der Beurteilung des Kraftaufwandes (inklusive Griffweite, Position von Scharnieren und Rastaufstellern) sowie der Funktion der Neigungswinkelverstellung (Präzision des Einrastens, Rastabstand, Stabilität der geneigten Tischplatte). Das Teilergebnis Ergonomie setzt sich zu gleichen Teilen aus den beiden oben genannten Ergebnissen zusammen. Darüber hinaus führt zu einer Abwertung des Teilergebnisses Ergonomie um vier Noten: Tisch ist in Bezug auf Beinfreiheit und einstellbare Tischplattenhöhen nach DIN EN 1729 für keine oder nahezu keine Körpergröße geeignet (nur etwa von 133 bis 142 cm ohne Schuhe). Zur Abwertung um eine Note führt: eine abnehmbare Auffangleiste, die beim Schreiben in den Unterarm drückt.

Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: eine stark erhöhte Formaldehydabgabe von mehr als 110 mg/kg. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) eine erhöhte Formaldehydabgabe von mehr als 55 bis 110 mg/kg; b) mehr als 100 bis 1.000 mg/kg Phthalate (Diisobutylphthalat); c) zwei bedenkliche Schwermetalle, darunter ein stark erhöhter Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg Blei. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein erhöhter Gehalt von mehr als 100 bis 1.000 mg/kg Blei; b) PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe; c) mehr als 50 bis 100 mg/kg Cadmium. In das Gesamturteil gehen das Testergebnis Praxisprüfung und das Testergebnis Inhaltsstoffe zu jeweils 50 Prozent ein. Ein Produkt mit einem "ungenügenden" Teilergebnis Sicherheit kann im Testergebnis Praxisprüfung und im Gesamturteil nicht besser sein als "ungenügend".

Testmethoden

Praxisprüfung: Gebrauchsanleitung: Beurteilung durch Experten in Anlehnung an die DIN EN 62079 sowie hinsichtlich des logischen Aufbaus und der Korrektheit bezüglich der Montage. Erstmontage: Beurteilung durch Experten. Ergonomie/Eignung und Handhabung fürs Kind: Beurteilung durch Experten mit begleitender Beobachtung von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen und Überprüfungen nach DIN EN 1729-1/2. Handhabung/Sicherheit: Beurteilung durch Experten mit begleitender Beobachtung von Kindern und Erwachsenen beim Umgang mit den Produkten. Standsicherheit: in Anlehnung an DIN EN 1729-2; eine vertikal nach unten gerichtete Kraft von 600 Newton wurde 5 cm von der Kante entfernt auf die Tischplatte aufgebracht. Die gemessene Breite, Tiefe und Höhe sind auf volle Zahlen gerundet und beziehen sich auf die Tischplatte.
Inhaltsstoffe: PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe/Schwermetalle: Röntgenfluoreszenzanalyse. Formaldehyd: in Anlehnung an DIN EN 717-3 (Flaschenmethode), Temperierzeit 24 h, Bezug der Formaldehydabgabe auf die ungetrocknete Probe, ggf. getrennte Untersuchung von Tischplatte und Schubladenboden. Phthalate/sonstige Weichmacher: GC/MA nach Extraktion und Derivatisierung, Probe aus Oberfläche der Tischplatte.

Einkauf der Testprodukte: September bis Oktober 2010.

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