Gerade nach ausschweifendem Essen treten Magenbeschwerden auf. "Betroffene empfinden Schmerzen, Druck, Blähungen und Krämpfe im oberen Bauchbereich bis zum Nabel", erläutert Professor Peter Layer von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Rebellieren Magen oder Darm, spielt offenbar das "Bauchhirn" verrückt. "Es reicht vom Schlund, über den Magen und Darm bis zum After", erklärt Layer. Dieses Nervengeflecht steuere die Verdauung weitgehend eigenständig. Der Bauch melde dem Gehirn ständig, wie es ihm ergeht. Wer unter funktionellen Magenproblemen oder Reizdarm leidet, fühle "dieses Signaldauerfeuer" dann plötzlich teilweise bewusst.
Das sensiblere Empfinden beruht Layer zufolge meist auf einer Schwächung der Darmschleimhaut-Barriere. So könnten auch Stoffe durch die Darmwand dringen, die die Nerven im Bauch nachweislich irritieren. Nicht nur die Wahrnehmung von kleineren Krämpfen, Druckschmerzen und Blähungen sei so erhöht. Ein so irritiertes Bauchhirn bremse die Verdauung auch physisch. Völlegefühl sei die Folge. Damit es wieder flutscht, empfiehlt der Volksmund seit Jahrzehnten Artischocke. Stoffe in der Pflanze wie Cynarin sollen die Verdauung anregen, den Fettstoffwechsel sowie Leber und Galle unterstützen. Auch das frühere Bundesgesundheitsamt bewertete in den 1990er-Jahren Rezepturen aus den Blättern als wirksam, um Oberbauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen zu lindern.
Auch wir empfahlen Artischockenmittel zuletzt gegen Unterleibsbeschwerden - ein Drittel der Produkte sogar mit "sehr gut". Eine Handvoll Studien gab 2005 Hinweise darauf, dass Artischocke bei Verdauungsproblemen helfen kann. Ein Jahrzehnt später fordert die Wissenschaft allerdings stärkere Beweise, um zu einer Heilpflanze therapeutisch zu raten. Das hat auch die oberste europäische Behörde für Arzneimittelsicherheit erkannt und sich die Artischocke noch einmal genau angeschaut. Grund genug für ein ÖKO-TEST-Update: Bringen Artischockenmittel etwas? Wir haben 30 überprüft.
Das Testergebnis
Für 22 Arzneimittel gibt's "mangelhaft", für eins "ungenügend". Auch die sieben Nahrungsergänzungsmittel fallen komplett durch.
Wer unter Verdauungsbeschwerden leidet, dem werden Extrakte aus Artischockenblättern nach neustem Kenntnisstand nicht helfen. Die Europäische Arzneimittel Behörde EMA sichtete im Jahr 2011 systematisch mehr als hundert Quellen. Ihr Fazit: Es mangelt an belastbaren, hochwertigen Studien, die jegliche Wirkung von Artischockenblättern überzeugend beweisen. Auf einen praktischen Nutzen bei funktionellen Verdauungsbeschwerden deuteten nur einige wenige, mehr als ein Jahrzehnt alte Arbeiten hin. Nicht mal eine praktische Bewährung der Extrakte in der modernen Medizin sei dokumentiert. Ihre Zulassung sei nur zu rechtfertigen, weil sie mehr als 30 Jahre traditionell verwendet werden. Die unverändert dürftige Beweislage zwingt unserem Gutachter zu...