Wasserbasierte Lackfarben im Test: Nur zwei sind "gut"

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2024 | Autor: Philip Schulze/Heike Baier/Lena Wenzel | Kategorie: Bauen und Wohnen | 12.10.2023

Weiße Lackfarben im Test: Welche Produkte sind empfehlenswert?
Foto: badnews86dups/Shutterstock

Neuer Anstrich fürs alte Möbelstück gefällig? Dafür eigenen sich wasserbasierte Lackfarben. Wir haben 17 Lacke in der Farbe Weiß getestet. Zu viele von ihnen enthalten aus unserer Sicht umstrittene Konservierungsstoffe. Nur zwei Lackfarben können wir mit der Note "gut" empfehlen.

  • Wir haben 17 wasserbasierte Lackfarben in der Farbe Weiß geprüft, wobei wir bevorzugt "seidenmatte" Lacke auswählten. Alle Produkte sind sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich geeignet, die meisten für den Anstrich von Holz, verschiedenen Metallen und bestimmten Kunststoffen ausgelobt.
  • Lediglich zwei weiße Lackfarben im Test sind "gut".  
  • Wasserbasierte Lacke gelten als gut verträglich für Mensch und Umwelt. Doch ihre Konservierung ist in unseren Augen verbesserungswürdig. Wir beanstanden viele Produkte im Test aufgrund problematischer Konservierungsstoffe. 
  • Auffällig: Das staatliche Umweltzeichen Blauer Engel ist kein Garant für gute Gesamturteile. 

Aktualisiert am 12.10.2023 | Eigentlich finden wir den Blauen Engel gut. Eine verlässliche Orientierung beim Einkauf schadstoffarmer Lacke und Farben ist in den unübersichtlichen Sortimenten der Baumärkte dringend notwendig, und hier leistet das staatliche Umweltzeichen in unseren Augen einen wichtigen Beitrag.

Wenn wir Heimwerkerprodukte testen, schneiden diejenigen mit dem Blauen Engel in aller Regel "sehr gut" ab. In diesem Test ist es anders: Das Siegel ist kein Garant für gute Gesamturteile.

Im Test: Weiße Lackfarben für drinnen und draußen 

Getestet haben wir wasserbasierte Weißlacke für den Anstrich drinnen und draußen: Farbpigmente, Hilfs- und Füllstoffe sind bei ihnen in einer Basis aus Acrylharzen und Wasser eingebunden und ergeben eine deckende Lackschicht.

Wasser – das klingt erstmal harmlos. Das ist es auch. Allerdings führt es schneller zum Verderb als eine Lösemittelbasis, deshalb brauchen solche Rezepturen eine effektive Konservierung.

Alle Lackfarben im Test setzen dafür Isothiazolinone ein. Die beiden Isothiazolinone MIT und BIT bleiben dabei unter den Höchstmengen. Andere kritisieren wir aber.

Tragen Sie besser Schutzhandschuhe beim Verstreichen von Lackfarben. Denn: In vielen Produkten stecken allergisierende oder hautreizende Inhaltsstoffe.
Tragen Sie besser Schutzhandschuhe beim Verstreichen von Lackfarben. Denn: In vielen Produkten stecken allergisierende oder hautreizende Inhaltsstoffe. (Foto: New Africa/Shutterstock)

Allergenes Konservierungsmittel in Lackfarben

  • Chlormethylisothiazolinon (CIT)

In acht Lackfarben hat das beauftragte Labor Chlormethylisothiazolinon (CIT) nachgewiesen. Weil CIT unter den Isothiazolinonen ein besonders hohes allergenes Potenzial hat und in die Raumluft übergeht, finden wir: Heimwerkerprodukte sollten komplett frei von diesem Mittel sein.

Hier sind wir strenger als der Blaue Engel, der für CIT einen Maximalrückstand von 15 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) erlaubt. Noch strenger sind wir, wenn ein Hersteller das allergene Konservierungsmittel entgegen den Vorschriften nicht auf der Verpackung angibt, das beauftragte Labor es jedoch eindeutig nachweisen konnte.

ÖKO-TEST ist strenger als der Blauer Engel 

  • Zinkpyrithion

Ziemlich kritisch sehen wir auch den Konservierer Zinkpyrithion. Der biozide Wirkstoff ist seit 2020 in der EU als "reproduktionstoxisch beim Menschen" eingestuft. Das bedeutet, dass er die Fruchtbarkeit bei Mann und Frau und die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigt.

Dennoch machen einige Hersteller ihre Lackfarben mit Zinkpyrithion haltbar. Der Blaue Engel lässt in seiner jüngsten Fassung des Standards von 2019 Zinkpyrithion in einem Gehalt bis 200 mg durchgehen. Das empfinden wir angesichts der jüngsten Risikoeinstufung jedoch nicht mehr als zeitgemäß und verlangen, dass die Hersteller ihre Lacke auf andere Weise gegen Verderb schützen.

  • Iodpropinylbutylcarbamat (IPBC)

Und damit nicht genug der bedenklichen Konservierungsmittel: Vier Lackfarben im Test enthalten laut Laborbericht Iodpropinylbutylcarbamat (IPBC). In einer Höhe, die der Blaue Engel noch toleriert, wir allerdings schon nicht mehr.

Denn die biozide Verbindung wirkt nicht nur gegen Keime in der Lackdose, sie bringt laut CLP-Verordnung auch mehrere Risiken mit sich: Unter anderem ist sie giftig beim Einatmen, kann zu allergischen Hautreaktionen führen und wirkt sich toxisch auf Wasserorganismen aus.

Deshalb finden wir auch, Verbraucherinnen und Verbraucher sollten Bescheid wissen, wenn ein Produkt IPBC enthält: Ein Hersteller versäumt es jedoch, das Mittel zu deklarieren.

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Wenig Lösemittel in wasserbasierten Lackfarben 

Einen großen Vorteil haben die wasserbasierten Lacke allerdings auch: Sie gasen weniger flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus als ihre lösemittelbasierten Pendants. Das liegt daran, dass sie insgesamt viel weniger dieser Lösemittel enthalten dürfen – nämlich etwa zehn Prozent.

Unsere Laborberichte bestätigen, dass sie das einhalten: Rund zwei Drittel der Produkte haben einen aus unserer Sicht "geringen" oder sogar "sehr geringen" Gesamtgehalt an VOC, beim Rest ist er immerhin noch "akzeptabel".

In einer Lackfarbe im Test ist zwar der gemessene VOC-Gehalt "akzeptabel", jedoch fällt eine Verbindung aus dem Rahmen, wurden in der Lackfarbe doch mehr als 1.000 mg/kg Butoxyethanol gemessen. Die Verbindung gilt als schädlich beim Einatmen sowie als augen- und hautreizend.

Kritik an Werbung auf zwei Lackfarben

Viele Produkte werben mit dem Pluspunkt, dass sie "frei von Lösemitteln" sind oder die Lösemittel sich unterhalb einer bestimmten Schwelle bewegen, zum Beispiel "max. 130 g/l". Das interessiert Verbraucherinnen und Verbraucher, denn die flüchtigen Verbindungen darin gehen sehr schnell in die Raumluft über und können auch in kleineren Mengen Kopfschmerzen oder Müdigkeit auslösen.

Gar nicht okay finden wir es allerdings, wenn sich Produkte mit etwas brüsten, das sie gar nicht einhalten. Wir haben nachmessen lassen und festgestellt: Zweimal werden die selbstgesetzten Gehalte (< 1 g/l VOC) nicht eingehalten.  

Inhaltsstoffe nicht immer angegeben

Überhaupt haben wir einiges auszusetzen an dem, was die Hersteller auf ihre Dosen schreiben. Oder vielmehr: nicht schreiben. Ein Muss sollte beispielsweise die Deklaration der Inhaltsstoffe auf der Verpackung sein, auch wenn sie leider noch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bei drei weißen Lackfarben im Test suchten wir vergeblich danach – das ist wenig verbraucherfreundlich. Dabei wäre auf den Dosen noch genug Platz für ein paar Worte mehr gewesen.  

Was passiert mit Titandioxid in Lackfarben?

Alle Lacke in unserem Test sind Weiß, und ein Großteil von ihnen erreicht diese weiße Farbe mit dem umstrittenen Farbpigment Titandioxid. Das ist nicht weiter schlimm, solange der Stoff im Lack gebunden bleibt. Deshalb haben wir in diesem Test keine Noten für den Inhaltsstoff abgezogen.

Anders liegt der Fall, wenn die Lackfarbe versprüht wird oder für einen Neuanstrich abgeschliffen. Denn 2020 hat die EU-Kommission Titandioxid offiziell als "karzinogen" eingestuft, wenn das mineralische Pigment in sehr kleinen, lungengängigen Partikeln eingeatmet wird.

Seither gilt auch für Lacke: Enthalten die Produkte mehr als ein Prozent Titandioxid, müssen sie einen Warnhinweis tragen, dass das Einatmen der Sprühnebel vermieden werden soll. Mehr nicht.

Beim Abschleifen und Sprühen Schutzbrille und Maske tragen

Doch damit kam der Fall Titandioxid noch lange nicht zur Ruhe: Der Europäische Gerichtshof erklärte diese Einstufung Ende 2022 für nichtig, nachdem ein Hersteller dagegen geklagt hatte. Das Gericht sah Fehler bei der Interpretation der zugrunde liegenden Studie.

Daraufhin haben sowohl das EU-Mitglied Frankreich als auch die EU-Kommission gegen das EuGH-Urteil Rechtsmittel eingelegt. Die Entscheidung darüber steht noch aus – dürfte aber vor dem Sommer 2024 nicht fallen. Wir raten weiterhin: Fürs Abschleifen und Versprühen der Lacke auf jeden Fall Schutzbrille und eine Maske mit Kombifilter A2/P2 tragen.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 8/2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für diesen Test haben wir 17 wasserbasierte Lackfarben in der Farbe Weiß eingekauft, wobei wir bevorzugt "seidenmatte" Lacke auswählten. Alle Produkte sind sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich geeignet, die meisten für den Anstrich von Holz, verschiedenen Metallen und bestimmten Kunststoffen ausgelobt. Für das günstigste Produkt bezahlten wir 3,88 Euro pro 375 Milliliter, das teuerste kostete für die gleiche Menge stolze 23,00 Euro.

Weil auch wasserbasierte Lacke Lösemittel enthalten dürfen, ließen wir in einem spezialisierten Labor zunächst ein umfassendes Screening auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) durchführen. Neben den Gesamtgehalten an VOCs wurden die Produkte dabei auch auf besonders bedenkliche Einzelverbindungen wie gesundheitsschädliche Ethylenglykole untersucht. Als Nächstes ließen wir die Gehalte an bedenklichen Konservierungsmitteln bestimmen, darunter allergieauslösende Isothiazolinone, IPBC, Zinkpyrithion und Formaldehyd/-abspalter. Ein Labor analysierte die Lackfarben außerdem auf Schwermetalle und halogenorganische Verbindungen.

Schließlich überprüften wir die Deklaration der Lackfarben auf dem Gebinde und die Angaben auf dem Technischen Merkblatt. Sind alle Hinweise auf Sicherheits- und Schutzmaßnahmen vorhanden? Geben die Anbieter die Inhaltsstoffe und alle Konservierungsmittel auf der Verpackung an? Verweist das Etikett auf das Technische Merkblatt für weitergehende Informationen und auf eine Allergikerhotline, sofern allergisierende Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen? Und werden Verbraucherinnen und Verbraucher über die richtige Entsorgung der Lackreste oder leeren Gebinde aufgeklärt? Waren die Angaben unvollständig, schlug sich das im Testergebnis Weitere Mängel nieder.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) der Nachweis oder die bestätigte Deklaration von Zinkpyrithion; b) der Nachweis oder die bestätigte Deklaration von CIT. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein gemessener Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg Butoxyethanol; b) der Nachweis von IPBC. VOC-Gehalte von unter 1.000 mg/kg werden als sehr gering, von 1.000 bis kleiner 10.000 mg/kg als gering und von 10.000 bis 50.000 mg/kg als akzeptabel bezeichnet. Als Spuren werden bei BIT Gehalte unter 200 mg/kg und bei MIT unter 50 mg/kg bezeichnet. Diese Informationen in der Tabelle führen nicht zur Abwertung.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) keine oder unzureichende Anwendungs- und Sicherheitshinweise auf dem Gebinde und dem Technischen Merkblatt ("Für Kinder unzugänglich aufbewahren", "Bei Spritzarbeiten Schutzbrille und Kombifilter A2/P2 verwenden", "Bei Schleifarbeiten Staubfilter P2 verwenden", "Während der Verarbeitung und Trocknung für gründliche Belüftung sorgen", "Essen, Trinken und Rauchen während des Gebrauchs der Farbe ist zu vermeiden", "Bei Berührung mit den Augen oder der Haut sofort gründlich mit Wasser abspülen", "Nicht in die Kanalisation, Gewässer oder Erdreich gelangen lassen", "Nur restentleerte Gebinde zum Recycling geben", "Flüssige Materialreste bei der Sammelstelle für Altlacke abgeben", "Achtung! Beim Sprühen können gefährliche lungengängige Tröpfchen entstehen. Aerosol oder Nebel nicht einatmen" [bei Auslobung von Titandioxid] oder ähnliche Formulierungen); b) fehlende Deklaration eines im Labor nachgewiesenen Konservierungsmittels (hier: IPBC, CIT). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) keine oder unzureichende Anwendungs- und Sicherheitshinweise auf dem Gebinde, sondern nur im Technischen Merkblatt (wie oben); b) keine Angabe der Inhaltsstoffe nach VdL-Richtlinie auf dem Gebinde, sondern nur im Technischen Merkblatt; c) keine Angabe der Allergikerhotline auf dem Gebinde trotz allergieauslösender Inhaltsstoffe; d) kein Technisches Merkblatt im Internet und unter der angegebenen Telefonnummer erhalten; e) der gemessene VOC-Gehalt überschreitet nach Abzug einer Messunsicherheit von 50 Prozent den deklarierten Gehalt um mehr als 20 Prozent. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Bestimmung mittels ICP-MS. Halogenorganische Verbindungen: Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration, Festphasenextraktion (SPE), Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Isothiazolinone, IPBC: LC-MS/MS nach Extraktion. Formaldehyd/-abspalter: Bestimmung mittels Fotometrie nach saurer Wasserdampfdestillation und Derivatisierung. Zinkpyrithion: HPLC-DAD nach Extraktion. Flüchtige organische Verbindungen (VOC): GC-MS nach Extraktion.

Einkauf der Testprodukte: April 2023 

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