Blutfettsenker im Test: Nur wenige sind empfehlenswert

Handbuch Gesundheit | | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 15.06.2012

Omega-3-Fettsäuren gelten als Wunderwaffen im Kampf gegen erhöhte Blutfettwerte.
Foto: Mihail Guta/Shutterstock

Omega-3-Fettsäuren gelten als Wunderwaffen im Kampf gegen erhöhte Blutfettwerte und zur Vorbeugung von Gefäß- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie stecken nicht nur in Arzneimitteln, sondern auch in vielen Nahrungsergänzungsmitteln. Für gesunde Menschen haben die Kapseln mit Fisch- und Leinöl keinen Nutzen.

Schuld an der Beliebheit von Omega-3-Fettsäuren sind die arktischen Völker. Bereits in den frühen 70er-Jahren hatten dänische Forscher festgestellt, dass in Grönland lebende Inuit seltener an Herzinfarkt als eine vergleichbare Gruppe Dänen erkrankten. Verantwortlich für die vorbeugende Wirkung machten sie den reichlichen Verzehr von fettreichen Meeresfischen und deren hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren- Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von DHA und EPA und einer vorbeugenden Wirkung vor Herz- und Gefäßerkrankungen für bewiesen. Wirksam ist demnach die Aufnahme von 250 Milligramm DHA und EPA pro Tag.

Keine offizielle Empfehlung für Omega-3-Fettsäuren

Doch so eindeutig ist die Sache nicht: Eine Auswertung von knapp 90 Studien hat ergeben, dass es keinen klaren wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass Omega-3-Fettsäuren aus Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln die Zahl der Erkrankungen von Herz und Gefäßen senken. Und Forscher aus Südkorea vermochten, nachdem sie Daten von 20.000 Studienteilnehmern mit Herzproblemen ausgewertet hatten, Fischölkapseln keine Schutzwirkung zusprechen.

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt es in Deutschland keine offizielle Empfehlung für eine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren. Gesunde Menschen brauchen also nicht zusätzlich Fischölkonzentrate einzunehmen.

Ein Mangel an Omega-3-Fettsäuren ist sehr selten, da das Fettgewebe des gesunden Erwachsenen diese speichern kann. Allenfalls bei chronischen Fettverdauungsstörungen oder bei fettfreier künstlicher Ernährung ist ein Mangel möglich. Für Patienten, die bereits an Herzerkrankungen leiden oder bei denen bestimmte Blutfette - die Triglyceride - erhöht sind, kann eine Behandlung mit Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimitteln unter ärztlicher Kontrolle angebracht sein.

Gesunden Menschen rät das BfR sogar davon ab, Omega-3-Fettsäuren in hohen Dosen zu konsumieren, denn ab einer Aufnahme von 700 Milligramm EPA und DHA pro Tag steige der Cholesterinspiegel. Außerdem schädigen die Stoffe bei älteren Menschen die Immunabwehr. Und schließlich gibt es Hinweise auf eine erhöhte Blutungsneigung durch hohe Dosen EPA und DHA.

Im ÖKO-TEST: 25 Blutfettsenker (Triglyceridsenker), davon drei Medikamente mit Fischöl. Ein weiteres Arzneimittel mit Phospholipiden aus Sojabohnen soll gegen einen leicht erhöhten Cholesterinspiegel im Blut wirken. Die Mehrzahl der 21 Nahrungsergänzungsmittel enthält Fischöle mit den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. In den pflanzlichen Präparaten steckt Alpha-Linolensäure aus Leinöl- oder Perillaöl.

Das Testergebnis: So schneiden die Blutfettsenker ab

  • Nahrungsergänzungsmittel fallen durch: Keines kommt über ein "Befriedigend" hinaus. Deutlich besser schneiden die Arzneimittel ab.
  • Dem Gesunden nützen die Omega-3-Kapseln nichts. Ob Fisch-, Lein- oder Perillaöl: Eine zusätzliche Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren DHA, EPA und Alpha-Linolensäure mit Nahrungsergänzungsmitteln ist für gesunde Menschen unnötig. Und auch Schwangere und Stillende, denen die DGE zu einer Zufuhr von mindestens 200 Milligramm DHA pro Tag rät, sind nicht auf die Kapseln angewiesen. Ein bis zwei Seefischmahlzeiten pro Woche liefern genug DHA.
  • Keine ökologische Alternative zur Fischmahlzeit: Die Überfischung der Weltmeere nimmt nicht ab. Im Gegenteil: Auch das Futter der Zuchtlachse in den Aquakulturen der norwegischen Fjorde oder in den Netzkäfigen vor der Küste Chiles besteht zum großen Teil aus Fischmehl und -öl. Da das keine ökologische Alternative zu den wünschenswerten ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche ist, werten wir Nahrungsergänzungsmittel ab, die Fischöl enthalten. In den wirksamen Arzneimitteln mit ihrem klar umrissenen Anwendungsgebiet kritisieren wir den Einsatz von Fischöl nicht.
  • Ohne Vitamin E wird's ranzig: Öl mit einem sehr hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist besonders oxidationsanfällig. Vitamin E schützt vor dem schädlichen Einfluss des Sauerstoffs. Im Körper werden die mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Zellmembranen eingebaut und auch hier bedürfen sie eines Schutzes vor Oxidation. Ein Mehr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Nahrung sollte daher mit einem Mehr an Antioxidantien wie Vitamin E einhergehen. Deshalb sollten Omega-3-Präparate Vitamin E enthalten. Zwei Produkten fehlt dieser Oxidationsschutz.
  • "Frei" formuliert oder schlicht falsch: Etliche Narungsergänzungsmittel fallen mit fragwürdigen Auslobungen auf ihren Verpackungen negativ auf. Formulierungen wie "herzgesunde Ernährung", "gesundes Herzkreislaufsystem" oder in Bezug auf DHA/EPA "Regulierung des Cholesterinspiegels" zielen auf die Gesundheit oder die Gesund­erhaltung von Organen oder -funktionen. Viele gesundheitsbezogene Angaben sind nicht durch wissenschaftliche Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gedeckt.
  • Wirksamkeit nicht belegt: Das pflanzliche Arzneimittel Lipopharm enthält Phospholipide aus Sojabohnen und soll gegen leicht erhöhte Cholesterinwerte wirken. Allerdings fehlen belastbare, klinische Daten für das Produkt. Außerdem liegt keine Empfehlung einer medizinisch-internistischen Fachgesellschaft vor, die den Einsatz von Sojabohnenphospholipiden zur Therapie von Fettstoffwechselstörungen rechtfertigen würde. Die drei Arzneimittel mit Fischöl hingegen eignen sich zur Senkung stark erhöhter Triglyceridspiegel. Eingenommen werden sollten sie zusätzlich nur, wenn Diät allein den Blutfettspiegel nicht ausreichend senkt.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: "Erhöhte Blutfettwerte" ist eine häufig gestellte Diagnose in deutschen Arztpraxen. Und weil sich zu hohe Cholesterin- und Triglyceridwerte negativ auf das Herz-Kreislauf-System auswirken können, sind auch viele Bürger, die normale Werte haben, in Sorge und versuchen, durch Nahrungsergänzungsmittel ihre Blutfettwerte positiv zu beeinflussen. Deshalb landeten Nahrungsergänzungsmittel mit den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA und mit Alpha-Linolensäure in unserem Einkaufskorb. Neben den Nahrungsergänzungsmitteln haben wir auch Arzneimittel eingekauft, die laut Beipackzettel Blutfette (Triglyceride) senken sollen. Auch im Test: ein pflanzliches Arzneimittel, dessen Hersteller die Senkung eines leicht erhöhten Cholesterinspiegels verspricht.

Die Begutachtung der Arzneimittel: Die Arzneimittel im Test haben wir von unserem wissenschaftlichen Berater, Professor Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie an der Frankfurter Goethe-Universität, begutachten lassen. Er ist vor allem der Frage nachgegangen, ob es belastbare klinische Daten für die deklarierten Anwendungsgebiete - Senkung von stark erhöhten Triglyceridspiegeln beziehungsweise leicht erhöhten Cholesterinspiegeln - gibt.

Die Auslobungen der Nahrungsergänzungsmittel: Ist es für gesunde Menschen überhaupt notwendig, ihren Speiseplan mit Omega-3-Fettsäuren aus der Kapsel zu ergänzen? Versprochen wird viel, wenn man sich die Auslobungen auf den Verpackungen der Nahrungsergänzungsmittel ansieht. Und wenn starke Begriffe wie "Herzgesundheit" verwendet werden, öffnet sich das Portemonnaie von uns Verbrauchern vielleicht umso schneller. Deshalb haben wir überprüft, welche der gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) belegt sind. Dabei orientieren wir uns an den wissenschaftlichen Bewertungen der Health Claims durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit.

Die Inhaltsstoffe: Uns hat interessiert, was außer Fisch-, Lein- oder Perillaöl noch in den Kapseln steckt. Deswegen haben wir uns die zugesetzten Vitaminmengen angeschaut und verglichen, ob sie die Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für Nahrungsergänzungsmittel einhalten. Damit Omega-3-Fettsäuren nicht ranzig werden, sollten die Produkte Vitamin E als Oxidationsschutz enthalten. Da Meeresfische Schwermetalle in ihrem Körper anreichern und einige dieser Stoffe auch von Pflanzen aufgenommen werden, haben wir das Öl der Kapseln auf solche Verunreinigungen untersuchen lassen. PAK entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material wie Kohle, Heizöl, Kraftstoff und Holz und sind deswegen weltweit nachweisbar. Auch nach dieser Stoffgruppe, von der einige Substanzen krebserregend sind, ließen wir ein Labor suchen.

Die Bewertung: Da der gesunde Anwender keinen Nutzen von der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Omega-3-Fettsäuren hat, gibt es für diese Produkte generell Punktabzug. Fragwürdige Auslobungen, Schadstoffe im Produkt, zu hoch dosierte Vitamingaben sowie das Fehlen von Vitamin E verschlechtern das Ergebnis zusätzlich. Weil Fischölprodukte zur Überfischung der Meere beitragen, gibt es für Nahrungsergänzungsmittel mit Fischöl Notenabzug. In Arzneimitteln werten wir Fischöl nicht ab, da es hier wirklich nützlich sein kann. Entscheidend für die Bewertung der Arzneimittel ist der Beleg für ihre Wirksamkeit.

Bewertungslegende

Testergebnis Pharmakologische Begutachtung: Arzneimittel: Testergebnis Pharmakologische Begutachtung: Zur Abwertung um vier Noten führt: Wirksamkeit nicht belegt. Zur Abwertung um eine Note führt: kein Vitamin E enthalten. Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe in der Verpackung. Nahrungsergänzungsmittel: Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe: Zur Abwertung um vier Noten führt: ein Gehalt von mehr als 200 µg/kg einer Einzelverbindung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) Nutzen für den gesunden Anwender nicht belegt; b) Fragwürdige Auslobungen wie: für eine herzgesunde Ernährung; Herzgesundheit; für ein gesundes Herzkreislaufsystem; zur Regulierung des Cholesterinspiegels (in Bezug auf DHA und EPA); für eine cholesterinbewusste Ernährung; Carotinoide (hier: Betacarotin) schützen vor oxidativen Schäden. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Fischöl im Produkt; b) kein Vitamin E enthalten; c) Dosierung weiterer Vitamine erhöht.

Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe in der Verpackung. Das Gesamturteil Arzneimittel beruht auf dem Testergebnis Pharmakologische Begutachtung und dem Testergebnis Hilfsstoffe. Es kann nicht besser sein als das schlechteste Einzelergebnis. Das Gesamturteil Nahrungsergänzungsmittel beruht auf dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Pharmakologische Begutachtung (nur Arzneimittel). Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe: GC-MSD, getestet auf 25 PAK EU/EPA/JECFA. Schwermetalle: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Elementbestimmung mittels ICP-MS. Arsen (Gesamtgehalt): mikrowellenunterstützter Druckaufschluss mit Salpetersäure, Elementbestimmung mittels ICP-MS. PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: März 2012.

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Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Juli 2012 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Handbuch Gesundheit 2012 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.