Testverfahren
Der Einkauf: So schön Naturfaserteppiche sind: Sie machen nur einen Bruchteil der Millionen Quadratmeter Teppichböden, die in Deutschland jährlich verlegt werden, aus. Meist entscheiden sich die Kunden für die Synthetikvariante. Derzeit sind helle Naturtöne besonders gefragt, weshalb wir Veloursböden in Beige- bis Brauntönen eingekauft haben. Die Böden sollten strapazierfähig sein und mindestens die Beanspruchungsklasse 22 tragen, bei der Komfortklasse waren wir flexibler. Die ÖKO-TEST-Einkäufer waren im Fachhandel und in verschiedenen Baumärkten unterwegs. Echte Eigenmarken sucht man bei den Baumärkten vergebens - in der Regel findet man dort günstige Anbieter wie Billermann oder Inver. Oder man vertreibt günstige Produkte großer Hersteller, allerdings unter eigenem Namen. So kommt es, dass wir drei Modelle des Herstellers ITC im Test haben: Eines bestellten wir im Fachhandel, zwei kauften wir bei Baumärkten ein.
Die Materialprüfung: Veloursteppichböden werden im Tuftingverfahren hergestellt. Dabei wird das Garn in das vorgefertigte Trägermaterial eingestickt, in der Regel ein Gewebe oder Vlies aus Polyester oder Polypropylen. Von unten werden die Fäden mit einem Klebstoff fixiert. Da kann einiges an problematischen Stoffen zusammenkommen, weshalb wir die Böden ein straffes Programm haben durchlaufen lassen, etwa auf Weichmacherphthalate und Flammschutzmittel. Über die Oberflächenbehandlung oder den Färbeprozess können umstrittene halogenorganische Verbindungen in die Teppiche gelangen, über die Farben allergisierende Dispersionsfarbstoffe oder krebserregende Azofarbstoffe, aber auch Schwermetalle.
Zum Teil können die verarbeiteten Stoffe natürlich auch ausgasen, weshalb wir eine Messung von flüchtigen organischen Verbindungen beauftragt haben. Darüber hinaus wollen wir wissen, wie stark sich der Boden bei üblicher Reibung mit Socken, nackten Füßen oder Schuhsohlen elektrostatisch auflädt - eine Standardprüfung bei ÖKO-TESTs von Bodenbelägen.
Der Praxistest: Wie sieht der neue Teppichboden in ein paar Jahren aus? Die DIN-Norm EN 1307 sieht zwei Prüfungen vor, die die zu erwartende Abnutzung simulieren. Die Ergebnisse dienen dazu, die Teppiche einer Beanspruchungsklasse zuzuordnen - oder auch nicht. Bei der Tretradprüfung wird der Boden auf Verschleißerscheinungen getestet. Die vier besohlten "Füße" des Tretrads laufen auf einer Teppichbahn vor und zurück, 2.000 Mal. Dann wird gemessen, wie viel Material der Teppich verloren hat. Bei der Aussehensveränderung wird geprüft, ob die Oberfläche des Velours noch lange samtig aussieht und ihre Farbe behält. Dafür wird das Innere der Vetterman-Trommel, die man sich wie ein Hamsterrad vorstellen muss, mit dem jeweiligen Teppichboden ausgekleidet. Das Rad dreht sich, unten rollt eine Stahlkugel mit Kunststoffnoppen hin und her. Nach 5.000 Umdrehungen begutachten fünf Sachverständige, wie sich Oberseitenstruktur und Farbe verändert haben - nach 22.000 Umdrehungen noch einmal. Für die Bestimmung der Komfortklasse wird der Produktaufbau geprüft. Je mehr "Luxus-Krönchen" ein Produkt trägt, desto mehr Material muss zum Einsatz gekommen sein, was sich natürlich auch am Preis bemerkbar macht. Die Prüfer kontrollierten deshalb Gewicht und Höhe der Nutzschicht, sowie die Anzahl der Noppen pro Quadratdezimeter. Dann wurde verglichen: Hält der Boden, was uns beim Einkauf versprochen wurde?
Die Bewertung: Bodenbeläge nehmen viel Raum in einer Wohnung ein. Bestenfalls tun sie das schadstofffrei. Nicht weniger wichtig ist, dass ein Teppichboden die sieben bis zehn Jahre, die er seinen Besitzern im Schnitt zu Füßen liegt, ohne größere Blessuren übersteht. Die Kunden müssen sich hierbei auf die Infos verlassen können, die sie beim Kauf des Bodens erhalten. Halten die Böden nicht der Beanspruchung stand, die versprochen wird oder wird bei der Komfortklasse zu hoch gestapelt, so gibt das Punktabzug. Alles in allem kann ein Boden nicht besser sein als sein schlechtestes Einzelergebnis.
Bewertungslegende
Unter dem Testergebnis Material führt zur Abwertung um zwei Noten: eine mögliche erhöhte elektrostatische Oberflächenspannung von mehr als 2.000 bis 5.000 Volt. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) mehr als 5 mg/kg Blei; c) eine mögliche leicht erhöhte elektrostatische Oberflächenspannung von mehr als 500 bis 2.000 Volt.
Unter dem Testergebnis Praxisprüfung führen zur Abwertung um jeweils drei Noten: a) keine Einstufung in Beanspruchungsklasse möglich wegen zu hohem relativen Massenverlust (mehr als 25%) bei der Tretradprüfung; b) widersprüchliche Angaben zur Komfortklasse, Abgleich mit tatsächlich erreichter Einstufung nicht möglich. Zur Abwertung um zwei Noten führt: angegebene Beanspruchungsklasse unterschritten. Zur Abwertung um eine Note führt: angegebene Komfortklasse um eine Stufe unterschritten.
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Material und dem Testergebnis Praxisprüfung. Es kann nicht besser sein als das schlechteste Einzelergebnis.
Testmethoden
Analysiert wurde jeweils eine repräsentative Mischprobe. PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe: Röntgenfluoreszenzanalyse. Schwermetalle: Totalaufschluss in der Mikrowelle; Elementbestimmung mittels ICP-MS. Halogenorganische Verbindungen: Probe wird mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur eluiert; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle; Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom; microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Weichmacher/Flammschutzmittel/antimikrobiell wirksame Substanzen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Aromatische Amine: Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung; Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2 Prüfung ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (Juni 2004); Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-4 Prüfung nach vorhergehender Extraktion DIN EN 14362-2 (Juni 2004); bei
Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-9 (September 2006); GC/MS, TLC, Bestimmungsgrenze: 5 mg/kg; zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine. Allergisierende Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10 Norm DIN 54231 (November 2005). Dünnschichtchromatografie, TLC, HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor). Flüchtige organische Verbindungen (VOCs): EPZ-Probenahme mit Thermodesorption-GC/MS nach 24 h. Alle nicht näher identifizierbaren Verbindungen wurden als Toluol-Äquivalent berechnet. Die Angaben beziehen sich auf einen Raum von 4 m x 3 m x 2,5 m, Luftwechselzahl 0,5/h, Produktoberfläche: 12 m². Mögliche elektrostatische Oberflächenspannung: Messung mit Elektrofeldmeter EFM 022/110/251 sowie mit Tera-Ohm-Meter TOM 374 nach alltagstypischer Reibung bei 22 °C und 45 % relativer Luftfeuchte ohne leitenden Unterboden; bis zu 200 V = sehr niedrig, mehr als 200 V bis 500 V = niedrig, mehr als 500 V bis 2.000 V = leicht erhöht, mehr als 2.000 V bis 5.000 V = erhöht, mehr als 5.000 V = stark erhöht. Praxisprüfungen: Bestimmung der Beanspruchungsund Komfortklasse gemäß EN 1307:2008. Kennzeichnende Merkmale: Direktive 96/73 & 96/74; ISO 1765:1986; ISO 1766:1999; ISO 8543:1998; EN 1307:2008; ISO 1763:1986. Aussehensveränderung: in Anlehnung an ISO 10361:2000. Beurteilung nach EN 1471, Verwendung eines Bodenstaubsaugers mit rotierender Bürste. Verschleißverhalten: Prüfung mit Tretradgerät System Lisson gemäß EN 1963:2007, Prüfung A. Reibechtheit (trocken/nass): DIN EN 105-X 12. Wasserechtheit: DIN EN ISO 105-E01. Steht bei Analyseergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Nachweisgrenze der jeweiligen Testmethode.
Einkauf der Testprodukte: Juli – August 2010
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Diesen Test haben wir erstmals im ÖKO-TEST Magazin November 2010 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Handbuch Bauen für 2013 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.