Zahnspangenmaterialien im Test: Viele überzeugen

Jahrbuch Kleinkinder 2017 | | Kategorie: Kinder und Familie | 19.01.2017

Im Mund vieler Zahnspangenträger stecken Stoffe wie Nickel oder Latex, die Allergiker vermeiden sollten.
Foto: Vlad Antonov/Shutterstock

Im Mund vieler Zahnspangenträger stecken Stoffe wie Nickel oder Latex, die Allergiker vermeiden sollten. Drei untersuchte Materialien enthalten krebserregende Nitrosamine - das geht gar nicht. Zum Glück bekommen die meisten Testprodukte aber ein "sehr gut".

Die Metalle im Mund führen bei manchen Patienten mit fest sitzenden Zahnspangen zu unerwünschten Nebenwirkungen. Allen voran verdient hier Nickel Beachtung – das häufigste Kontaktallergen in Europa. Auch wenn viele kieferorthopädische Patienten keine Symptome zeigen, können bei Allergikern schon geringe Mengen eines Stoffes die Immunreaktion auslösen; sie sollten deshalb auf nickelfreie Legierungen bestehen. An alternativen Materialien mangelt es nicht. Die Ärzte sind für dieses Thema sensibilisiert, nickel- oder latexfreie Materialien werden im Bedarfsfall eingesetzt.

Kieferorthopädie kaum wissenschaftlich erforscht

Die Kieferorthopädie hat zweifelsohne Erfolge vorzuweisen - welcher Erwachsene, der seine schnurgerade Zahnreihe der Spange aus der Kindheit verdankt, wollte das bestreiten? Und doch ist es bemerkenswert, wie schwach die tatsächlichen medizinischen Wirkungen kieferorthopädischer Eingriffe wissenschaftlich belastbar begründet sind.

"Es verstärkt sich der Eindruck, dass eine große Kluft zwischen der praktischen Anwendung kieferorthopädischer Maßnahmen und der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Wirksamkeit existiert", ist in einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 zu lesen, entstanden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.


Test: Was steckt in den Zahnspangenmaterialien?

Sicher, es gibt gravierende Kieferanomalien oder problematische Zahnstellungen, bei denen ein medizinischer Eingriff absolut geboten ist. Und mit einem schiefen Gebiss ist gute Mundhygiene eine kompliziertere Angelegenheit als mit einem geraden. Aber machbar ist sie dennoch. "Der Hauptnutzen der meisten Behandlungen", resümiert Dr. Henning Madsen, niedergelassener Kieferorthopäde, "ist ästhetischer Art."

Wenn aber der medizinische Nutzen häufig zweifelhaft ist, private Zuzahlungen dafür aber teils immens, dann sollten Patienten umso kritischer abwägen: Braucht es ihn wirklich - den Fremdkörper im Mund? ÖKO-TEST wollte wissen, was in den Bestandteilen fester Zahnspangen steckt. Mehrere Brackets, Bänder, Bögen und Kunststoffteile haben wir dafür in verschiedenen Laboren untersuchen lassen.

Nitrosamine in Zahnspangenmaterialien im Test

In allen drei getesteten Gummiringen fand das Labor auffällige Werte an Nitrosaminen - eine krebserregende Gruppe von Stoffen. Wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erklärt, können Metaboliten von Nitrosaminen mit der Erbsubstanz DNA reagieren, sie dadurch schädigen und Tumore auslösen. Das von uns beauftragte Labor maß sechs- bis zehnmal so hohe Werte wie der deutsche Grenzwert für Babyspielzeug, das in den Mund genommen wird, vorgibt.

"Die Höhe dieser Befunde ist außerordentlich", sagt dazu Dr. Gabriele Steiner vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart. Die untersuchten Gummiringe, auch Elastics genannt, werden zwischen Ober- und Unterkiefer gespannt, sie befinden sich also in direktem Kontakt mit der Mundschleimhaut. ÖKO-TEST ist der Meinung, dass solche Produkte überhaupt keine Nitrosamine enthalten sollten.

Zahnspangen: Aus manchen Metalllegierungen löst sich Nickel

Die Metalllegierungen sind in puncto giftiger Elemente unauffällig, und in den Kunststoffen wiesen die Labore keine aromatischen Amine nach. Auch die gefärbten Ligaturenringe zeigten keine Auffälligkeiten im Test auf bedenkliche Farbstoffe. Die drei latexhaltigen Produkte enthielten Latexproteine, die Allergien auslösen können, nur in Spuren. 

Im Labortest mit künstlichem Speichel löste sich bereits in zwei Stunden Prüfzeit aus manchen Metalllegierungen mehr Nickel als aus anderen. Gleichwohl betragen die gemessenen Werte hochgerechnet nur einen Bruchteil des Richtlinienwerts der Weltgesundheitsorganisation für Trinkwasser. Wir werten diese Spuren nicht ab, raten aber jedem Nickelallergiker, auf nickelfreie Alternativen zu bestehen – zumal laut Expertenurteil nach einigen Monaten mehr und mehr Metallionen freigesetzt werden.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin 6/2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Von den unterschiedlichen Bestandteilen einer festen Zahnspange haben wir je mehrere Produkte eingekauft: neun Brackets, die direkt an den Zähnen angebracht werden, fünf Bögen, die die Brackets miteinander verbinden sowie drei Bänder, die an Backenzähnen befestigt werden und der Stabilisierung dienen. Daneben zwei Sorten Ligaturen, mit denen die Brackets am Bogen befestigt werden und drei Sorten Gummiringe, die zwischen Ober- und Unterkiefer gespannt werden. Dabei haben wir insbesondere bedeutende Hersteller wie Dentaurum, Forestadent oder Ormco berücksichtigt. Der Einkauf war nicht ganz einfach, da der Dentalfachhandel eigentlich ausschließlich Fachkreise bedient, also vor allem Zahnärzte, Kieferchirurgen, Zahntechniker und Dentallabore.

Die Inhaltsstoffe: Je nach Beschaffenheit der Zahnspangenmaterialien waren uns unterschiedliche Parameter wichtig: Die Metallteile ließen wir mit einem künstlich erzeugten Speichel darauf prüfen, wie viel Nickel sich aus ihnen löst. Außerdem wurden sie auf Blei, Cadmium und andere giftige Schwermetalle untersucht. Die Kunststoffteile unterzogen wir einem umfassenden Materialscreening, unter anderem ließen wir nach Weichmachern fahnden. Gummiringe aus Latex wurden darüber hinaus auf allergene Latexproteine und krebserregende Nitrosamine untersucht, bunte Ligaturenringe ließen wir auf krebserregende aromatische Amine prüfen.

Die Bewertung: Erfreulich für Patienten: In vielen Analysen waren die untersuchten Produkte unauffällig. Manche Materialien aus Metall gaben zwar etwas mehr Nickel ab als andere, doch nicht in auffälliger Menge. Krebserregende Nitrosamine allerdings haben in Zahnspangengummis rein gar nichts verloren, hier werten wir streng auf "mangelhaft" ab.

Bewertungslegende

Zur Abwertung um vier Noten führt: mehr als 0,02 mg/kg Nitrosamine, hier: N-Nitrosodibutylamin (NDBA).

Testmethoden

Materialscreening (Phthalate, Ersatzweichmacher, phosphororganische Verbindungen, sonstige Verbindungen): GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Aromatische Amine: Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2, Prüfung mit und ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (Januar 2013). Bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-15 DIN EN 14362-3 (September 2012). 1. Methode GC/MS, 2. Methode Dünnschichtchromatografie. Bestimmungsgrenze 5 mg/kg. Zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine. Allergisierende Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10, Norm DIN 54231 (November 2005). 1. Methode Dünnschichtchromatografie. 2. Methode HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor). Latexproteine: Lowry modifiziert (nach EN 455-3): Farbentwicklung: Bio-Rad DC Protein Assay. Elemente: Röntgenfluoreszenzanalyse. Nickel im Speicheleluat: Die Metalle werden mit Speicheleluat 2 Stunden bei 37 Grad extrahiert. Einwaagen: 2 Bögen auf 50 ml, 1 Band auf 10 ml und 5 Brackets auf 10 ml. Nitrosamine und nitrosierbare Vorstufen: DIN EN 12868.

Einkauf der Testprodukte: März 2015.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin 6/2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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