Stilleinlagen im Test: Nur ein Produkt erhält Bestnote

Jahrbuch Kleinkinder 2017 | Autor: Marieke Jörg | Kategorie: Kinder und Familie | 19.01.2017

Wir haben die Inhaltsstoffe von 19 Stilleinlagen unter die Lupe genommen.
Foto: Evgeniia Primavera/Shutterstock

Junge Mütter benötigen oft Stilleinlagen. Doch sollte man Einweg oder Mehrweg wählen? Wir haben 19 verschiedene Stilleinlagen auf Inhaltsstoffe und Funktionalität untersucht. Nur ein Produkt schafft die Bestnote. Im Praxistest patzten vor allem die ökologisch sinnvollen Mehrwegmodelle.

Stilleinlagen schützen vor dem leidigen Durchfeuchten der Kleidung, sorgen zugleich für Hygiene auf der Brust und schonen die Brustwarzen. Doch sollen es Einwegprodukte aus Zellstoff sein, die nach dem Benutzen einfach entsorgt werden? Oder greift frau lieber zur wiederverwendbaren Variante, die zwar weniger Müll verursacht, aber auch mehr Arbeit macht, weil sie ständig gewaschen werden muss?

Egal, welches Modell - jede Stilleinlage kommt an einer sensiblen Körperregion zum Einsatz, die ständig mit dem Mund des Babys in Kontakt ist. Deshalb erwarten Mütter besonders schadstofffreie Produkte. Wir haben die Materialien von 14 Einweg- und 5 Mehrwegeinlagen in den Laboren überprüfen lassen. Weil bei Stilleinlagen ebenso wichtig ist, ob sie ihren Zweck erfüllen, wurden sie außerdem einer kritischen Praxisprüfung unterzogen.

Das Testergebnis: Diese Problemstoffe sind enthalten

Wir haben problematische Stoffe gefunden. Nur knapp die Hälfte schafft im Testergebnis Inhaltsstoffe ein "sehr gut". In der Praxisprüfung überzeugten nur sieben Produkte vollends. Im Gesamturteil schafft es einzig ein Produkt zur Bestnote, zwölf weitere schneiden "gut" ab.

In sieben Einlagen wiesen die Labore halogenorganische Verbindungen nach. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von mehreren Tausend Stoffen, die Brom, Jod oder (meistens) Chlor enthalten. Viele können Allergien auslösen, manche sind krebserregend und fast alle ein Problem für die Umwelt.

Ein Hygieneprodukt soll sauber sein und auch so aussehen. Dafür greifen manche Hersteller zu optischen Aufhellern - wir haben sie in Teilen von drei waschbaren Einlagen nachgewiesen. Sie sind jedoch nicht in der Faser gebunden. Lösen sie sich, können sie unter Sonnenlicht Allergien auslösen; zudem sind sie in der Umwelt schwer abbaubar.

In einem Teil der Einlage, der Hautkontakt hat, führten sie zu Punktabzug im Testergebnis Inhaltsstoffe; steckten sie nur im Klebestreifen, werteten wir sie als Weiteren Mangel ab. Noch ein Grund, in Stilleinlagen auf optische Aufheller zu verzichten: Lösen sie sich an der Brust, können sie in Babys Mund gelangen. In Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten, das "erfahrungsgemäß oder vorhersehbar in den Mund genommen wird", empfahl das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits 2003, dass "keine optischen Aufheller auf die Schleimhäute oder die Haut übergehen" können sollten.

Antibakterielle Stilleinlagen nicht nötig

Ein Anbieter wirbt mit der antibakteriellen Ausrüstung seiner Einlagen. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass dafür eine quartäre Ammoniumverbindung verwendet wird. Wir halten das für überflüssig: Um übermäßiger Keimbildung vorzubeugen, reicht es, die Pads regelmäßig zu wechseln und die Brust gut zu reinigen.

Mehr noch: Werden antimikrobiell wirksame Substanzen ständig eingesetzt, können Bakterien Resistenzen entwickeln. Das kann dazu führen, dass die Stoffe nicht mehr wirken, wenn sie im Medizinbereich benötigt werden.

So gut sind die Stilleinlagen im Praxistest

Bis auf ein Produkt erreichen nur Einwegeinlagen Bestwerte im Praxistest mit den Testkriterien Aufsaugegeschwindigkeit, -kapazität und Rückfeuchtung.

Sieben Stilleinlagen überzeugten in allen Bereichen: Sie saugten viel Testmilch sofort auf und gaben kaum etwas wieder ab. Vier Stilleinlagen erzielten im Vergleich zu den übrigen Einwegeinlagen eher schlechte Werte - allerdings sind sie mit einem "befriedigenden" Ergebnis noch immer um Längen besser als die zwei Mehrwegprodukte, die nicht über ein "ungenügend" hinauskommen.

Diese zwei Mehrwegmodelle brauchten mehrere Minuten, um die Milch aufzusaugen, können nur wenig aufnehmen und halten sie schlecht fest. Da sie aber in puncto Inhaltsstoffe nicht zu beanstanden sind, können Frauen, denen eine geringere Saugleistung reicht, sie trotzdem benutzen.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Oktober 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Im Babyfachhandel, in Drogerien, im Internet und sogar in einem Möbelhaus fanden wir insgesamt vierzehn Einwegstilleinlagen und fünf waschbare Exemplare für unseren Test. Die Einwegprodukte kosten zwischen 95 Cent bis 9,99 Euro pro Packung; ein Paar wiederverwendbare Einlagen zwischen einem und 8,32 Euro. Während die Schachteln mit Wegwerfeinlagen bis zu 74 Exemplare enthalten, war es bei manch einer waschbaren Variante, die häufig nur als Paar verkauft werden, gar nicht so leicht, genug gleiche Einlagen für alle Prüfungen zu bekommen.

Die Inhaltsstoffe: Stilleinlagen werden direkt auf einer sensiblen Körperregion angewendet, die noch dazu mit dem Mund des Babys in Kontakt ist. Grund genug, genau hinzuschauen: In strahlend weißen Teilen können optische Aufheller stecken. Auch mit der Analyse auf Formaldehyd, giftige Farbstoffe, halogenorganische Verbindungen und Schwermetalle haben wir die Labore beauftragt.

Die Praxisprüfung: Ähnlich wichtig wie saubere Materialien sind bei Stilleinlagen Aufsaugegeschwindigkeit, -kapazität und Rückfeuchtung. Um das zu testen, hat das Labor Muttermilchersatznahrung angerührt und auf die Einlage aufgetragen. Die Experten brauchten dafür ein gutes Auge und feine Messinstrumente: Wie schnell verschwindet die Milch in der Einlage? Wie viel davon kann sie aufsaugen und wie viel gibt sie wieder ab, wenn die Tester sie danach auf ein gefaltetes Stück Küchenpapier drücken? Außerdem haben zwei Laborexpertinnen Handhabung und Beschaffenheit der Einlagen geprüft.

Die Bewertung: Haben wir im Material der Stilleinlage bedenkliche Stoffe in kritischer Konzentration entdeckt, wurde abgewertet - in manchen Fällen war es nur eine Substanz, in anderen summierten sich die Problemstoffe. Das Resultat floss zu 50 Prozent in das Gesamturteil ein. Die andere Hälfte lieferte die Praxisprüfung, in der wir die Aufnahmegeschwindigkeit, die Aufnahmekapazität und die Rückfeuchtung jeweils in drei Abstufungen bewertet haben.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: mehr als 16 mg/kg Formaldehyd. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) optische Aufheller mit Hautkontakt; b) halogenorganische Verbindungen; c) mehr als 1 mg/kg Antimon; d) eine quartäre Ammoniumverbindung (hier: Dimethyloctadecyl (3-[trimethoxysilyl]propyl)ammoniumchlorid).

Bewertung Testergebnis Praxisprüfung: Unter dem Testergebnis Praxisprüfung führen zur Abwertung um
jeweils zwei Noten: a) eine Aufsauggeschwindigkeit von mehr als einer Minute; b) eine geringe Aufsaugekapazität von weniger als 6 ml; c) eine starke Rückfeuchtung von mehr als 1 g. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) eine Aufsauggeschwindigkeit von 1 bis 2 Sekunden; b) eine mäßige Aufsaugekapazität von 6 bis weniger als 10 ml; c) eine mäßige Rückfeuchtung von mehr als 0,5 bis 1 g.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackungen; b) optische Aufheller ohne Hautkontakt.

Das Gesamturteil beruht zu 50 Prozent auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe und zu 50 Prozent auf dem Testergebnis Praxisprüfung. Es kann aber nicht besser sein als das Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note.

Testmethoden

Inhaltsstoffe: Formaldehyd/-abspalter: qualitativer Nachweis mit Carbazol/Schwefelsäure. Quantitativer Nachweis nach DIN EN ISO 14184-1: 2011-12, § 64 LFGB B 82.02-1: 1985-06.

Optische Aufheller: qualitativer Nachweis (UV-Licht).

Aromatische Amine: repräsentative Mischproben der Hauptstoffe aller Farben, maximal vier Materialien in einer Mischprobe; Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung; Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2, Prüfung mit und ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (Januar 2013); Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-3, Prüfung nach DIN ISO/TS 17234 für Leder; bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-15 DIN EN 14362-3 (September 2012), Bestimmungsgrenze 5 mg/kg; GC/MS, TLC; zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine.

Allergisierende Dispersionsfarbstoffe: repräsentative Mischproben der Hauptstoffe aller Farben, maximal vier Materialien in einer Mischprobe; Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10, Norm DIN 54231 (November 2005); Dünnschichtchromatografie; TLC, HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor).

Elemente: Elution von Schwermetallen mittels saurer Schweißlösung; Elementbestimmung mittels ICP-MS.

Halogenorganische Verbindungen: Probe wird mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur eluiert; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle; Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom; microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts.

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Praxisprüfung: Saugeigenschaften: Prüfflüssigkeit (Muttermilchersatznahrung) wurde nach Herstellerangaben zubereitet und zur Visualisierung mit rotem Farbstoff eingefärbt. Für alle Labortests wurden die waschbaren Stilleinlagen vorab einem Waschgang "Wolle/Handwäsche" bei 30 °C mit einem Woll-/Feinwaschmittel unterzogen.

Aufsauggeschwindigkeit: Einige Tropfen der Prüfflüssigkeit wurden auf die saugende Oberfläche der Einlagen mithilfe einer Pipette aufgetragen. Die Zeit bis zum vollständigen Einsaugen der Milch wurde gemessen und danach beurteilt.

Aufsaugekapazität (maximales Saugvermögen bis zum Durchnässen): Eine in Vorversuchen ermittelte Startmenge (6 ml) Milch wurde mittig auf die Stilleinlagen aufgetragen und nach Einsaugen fünf Minuten mit 2 kg beschwert. Danach wurde der vorab unter die Einlage gelegte, vierlagig gefaltete Küchenpapierabschnitt auf Feuchtigkeitsspuren untersucht. Bei Durchlaufen der Flüssigkeit wurde diese Menge gleich ermittelt, ansonsten weitere 2 bzw. 4 ml Milch (bis zu max.10 ml) zugegeben und wie oben verfahren.

Rückfeuchtung: 5 ml Milch wurden mittig auf die Stilleinlagen gegeben. Nach Einsaugen und fünf Minuten Wartezeit wurde ein vierlagig gefalteter, vorab gewogener Küchenpapierabriss auf die saugende Innenfläche der Einlage aufgelegt und mit einem 1-kg-Gewicht beschwert. Nach 30 Sekunden wurde das Küchenpapier rückgewogen, damit die abgegebene Flüssigkeitsmenge ermittelt und beurteilt.

Waschbeständigkeit: Die waschbaren Stilleinlagen, bei denen Handwäsche empfohlen war, wurden zehnmal in der Waschmaschine im Wolle-/Handwäscheprogramm bei 30 °C und die restlichen bei 40 °C im Schonwaschprogramm gewaschen (beide Reihen mit Woll-/Feinwaschmittel) und danach luftgetrocknet. Die jeweiligen Veränderungen nach dem Waschen wurden vergleichend zum Original festgehalten, beurteilt und fotografiert.

Bemerkungen: Die subjektive Beurteilung zur Handhabung wurde von zwei Laborexpertinnen vorgenommen.

Einkauf der Testprodukte: Juni 2015.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Oktober 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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