Stilltee im Test: Die Hälfte ist "sehr gut"

Jahrbuch Kleinkinder 2018 | Autor: Sarah Jehle | Kategorie: Kinder und Familie | 18.01.2018

Stilltee im Test: Wir haben 14 Produkte getestet.
Foto: Oksana Shufrych/Shutterstock

Damit es mit dem Stillen klappt, greifen viele Mütter auf Stilltees zurück. Aber sind diese Kräutertees wirklich zu empfehlen? Unser Test von 14 Stilltees zeigt: In vielen Produkten stecken bedenkliche Stoffe. Auf der anderen Seite schneiden immerhin sieben Tees mit Bestnote ab.

Aktualisiert am 18.01.2018 | Stilltees kennzeichnet eine bestimmte Zusammensetzung verschiedener Kräuter und Samen: alle Mischungen im Test enthalten Fenchel und Kümmel, Anis und Melisse die meisten. Auf vielen Verpackungen werben die Anbieter mit der Aussage "unterstützt die Milchbildung". Dass Fenchel, Anis und Kümmel dazu beitragen, den Milchbildungsprozess anzuregen, wird seit vielen Jahren überliefert – wissenschaftlich belegt ist dies allerdings nicht.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verweist darauf, dass diese Tees möglicherweise einen Placeboeffekt haben und lediglich die Flüssigkeitszufuhr der Stillenden erhöhen. Denn ausreichend Flüssigkeit ist wichtig in der Stillzeit.

Weleda, dm & Co.: Stilltee im Test

Wir wollten wissen, wie die Qualität von Tees ist, die explizit für stillende Frauen ausgelobt sind. Dafür haben wir 14 verschiedene Stilltees ins Labor geschickt und sie untersuchen lassen. Das Ergebnis: Unter den Stilltees gibt es klare Sieger und Verlierer. Während vier Tees mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durchfallen, können wir glücklicherweise aber auch sieben Teemischungen mit Bestnote empfehlen.

Krebserregende Stoffe in Stilltees nachgewiesen

An den großen Unterschieden sind die Pyrrolizidinalkaloide (PA) schuld. Denn die Werte, die das beauftragte Labor gefunden hat, sind teilweise so hoch, dass sie den Richtwert des BfR um ein Vielfaches überschreiten. Dafür kann es nur ein "mangelhaft" geben.

PA sind eine Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen, die viele Pflanzen zur Abwehr von Fressfeinden bilden. Diese Pflanzen können unter anderem als Beikräuter in die Stilltees gelangen. Beim Menschen gelten PA als leberschädigend und krebserregend.

Labor stößt auf Pestizide in vielen Stilltees im Test

Pestizidfrei? Nein, obwohl man das vermuten könnte, da 12 der 14 Stilltees im Test Bio-Produkte sind. In zwei Dritteln der Tees wies das Labor allerdings zumindest Spuren von verschiedenen Pestiziden nach.

Insgesamt ist es bei Kräutermischungen schwierig zu analysieren, welche Zutat mit dem Pestizid belastet ist. So kann sich beispielsweise ein hoher Pestizidgehalt im Fenchel durch die anderen Zutaten verdünnen, und es werden nur noch Spuren im gesamten Tee gefunden. Oder aber alle Zutaten im Tee sind gleichmäßig nur geringfügig belastet.

Drei Stilltees weisen jedoch Werte der Pestizide Fenpropidin oder Cypermethrin auf, die mehr als 20 Prozent der EU-Höchstmenge für Kräutertees ausschöpfen. Dafür gibt es eine Note Abzug.

Strenger sind wir mit der Bewertung, wenn Pestizide in Bio-Produkten nachgewiesen werden. Ausschlaggebend für eine Abwertung ist das Überschreiten des BNN-Orientierungswerts für Pestizide. Dieser liegt bei 0,01 Milligramm pro Kilogramm und bezieht sich auf das Ausgangsprodukt. 

Nur wenige Stilltees sind frei von Nitrat

Die Stilltees haben wir auch auf Nitrat untersuchen lassen. Immerhin: Kein Tee überschreitet die Höchstmenge an Nitrat laut Trinkwasserverordnung. Diese wird herangezogen, da es keine gesetzlichen Höchstwerte speziell für Tees gibt. Frei von Nitrat sind allerdings nur drei Stilltees im Test. Im Körper kann Nitrat sich teilweise in Nitrit umwandeln, woraus wiederum krebserregende Nitrosamine entstehen können.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Anlaufstellen für Stilltees sind vor allem Apotheken und Drogeriemärkte; die meisten der ausgewählten Stilltees waren dort erhältlich, andere haben wir online bestellt. Da gerade Mütter ein hohes Gesundheitsempfinden haben, greifen sie vermehrt zu Bio-Produkten. So sind auch fast alle Produkte im Test aus ökologischem Anbau. Die beiden konventionellen Tees enthalten den Tee lose verpackt. Alle anderen sind in Teebeuteln vorportioniert.

Die Inhaltsstoffe: Kräutertees können erheblich mit sogenannten Pyrrolizidinalkaloiden belastet sein. Diese gelten als leberschädigend und krebserregend. Da sie plazentagängig sind und in die Muttermilch übergehen können, ist eine mögliche Belastung in Tees, die für stillende Mütter empfohlen werden, besonders alarmierend. Daneben haben wir die Tees natürlich auch auf Pestizide und Nitrat untersuchen lassen.

Weitere Mängel: Wichtig ist, was drin ist. Stimmt, aber eben auch, was draufsteht. Deshalb haben wir die Stilltees auch danach bewertet, ob alle wichtigen Angaben zur Zubereitung auf der Packung zu finden sind. Als weiteren Mangel werten wir auch, wenn die Tüten, die die einzelnen Teebeutel einschließen, umweltbelastende PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen enthalten.

Die Bewertung: Schon allein wegen ihrer stark erhöhten Pyrrolizidingehalte erhalten zwei Tees die Note "mangelhaft". Alle beide überschreiten den vom BfR empfohlenen Tagestoleranzwert, wenn man davon ausgeht, dass mindestens vier Tassen Tee am Tag getrunken werden. Kommen dann noch erhöhte Pestizidwerte hinzu, lautet das Gesamturteil "ungenügend".

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden ("stark erhöht"), der den vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlenen Tagestoleranzwert von 0,42 μg für einen 60 kg schweren Menschen (0,007 μg/kg Körpergewicht) überschreitet. Zugrunde gelegt wurde eine Tagestrinkmenge und eine Dosierung wie vom Hersteller empfohlen sowie die Annahme, dass die gesamte Menge an Pyrrolizidinalkaloiden in den Tee übergeht.

War keine Tagestrinkmenge auf der Verpackung angegeben, wurde von einem täglichen Verzehr von vier Tassen Tee ausgegangen. Zur Abwertung um zwei Noten führt: ein Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden ("erhöht"), der zu einer Ausschöpfung von mehr als 50 bis 100 Prozent des vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlenen Tagestoleranzwerts von 0,42 μg für einen 60 kg schweren Menschen (0,007 μg/kg Körpergewicht) führt (Annahmen wie oben).

Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Pestizidgehalt, der mehr als 10 bis 50 Prozent der gesetzlichen Rückstandshöchstmenge erreicht, wenn diese bei 0,1 mg/kg oder höher liegt ("erhöht"); b) ein Pestizid gehalt, der mehr als 20 bis 50 Prozent der gesetzlichen Rückstandshöchstmenge erreicht, wenn diese zwischen 0,05 mg/kg und 0,1 mg/kg liegt ("erhöht").

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Überschreitung des BNN-Orientierungswerts für chemisch-synthetische Pflanzenschutz-, Schädlingsbekämpfungs- und Vorratsschutzmittel von 0,01 mg/kg, wenn das Produkt als Bio-Ware deklariert ist. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) die Auslobung von Selbstverständlichkeiten (zum Beispiel "ohne Konservierungsstoffe").

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Nitrat: ASU L 26.00-1: 2001 mod., Modifikation betrifft eine andere Matrix; Pestizidscreening mit LC-MS/MS und GC-MS/MS, Anthrachinon mit GC-MS/MS; Pyrrolizidinalkaloide: LC-MS/MS (nach der Methode "Bestimmung von Pyrrolizidinalkaloiden in Pflanzenmaterial mittels SPE-LC-MS/MS" des BfR); PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: August 2016.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Jahrbuch Kleinkinder 2017 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder 2018 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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