Cranberrypräparate gegen Blasenentzündung im Test: Nur drei empfehlenswert

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2011 | | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 08.10.2010

Präparate mit Cranberry versprechen Abhilfe bei häufigen Harnwegsinfektionen.
Foto: Pixel-Shot/Shutterstock

Wiederkehrende Harnwegsinfektionen machen besonders Frauen zu schaffen. Präparate mit Cranberry versprechen Abhilfe. Doch für viele getestete Nahrungsergänzungsmittel können die Hersteller nicht ausreichend belegen, wie viel Wirkstoff überhaupt darin steckt. Das ist aber für die Einschätzung der Wirksamkeit entscheidend.

Seit einiger Zeit drängt die aus Nordamerika stammende Cranberry auf den Markt. Cranberryhaltige Nahrungsergänzungsmittel werden mit Auslobungen wie "Unterstützung einer gesunden Blasenfunktion", "kann die Widerstandskraft der Blasenschleimhaut stärken" oder – ganz detailliert – "trägt bei zur Verringerung der Festsetzung bestimmter E.-coli-Bakterien an Blase und Harnwegen" vermarktet. Doch was ist wirklich dran an den Versprechungen?

Cranberrypräparate: Das Testergebnis

ÖKO-TEST hat 24 Cranberrypräparate eingekauft, die Anbieter nach Nutzenbelegen gefragt und die Produkte im Labor untersuchen lassen. Dass letztlich nur drei Produkte ein "gutes" Gesamturteil erreichen, liegt vor allem an der undurchsichtigen Deklaration des Cranberrygehalts.

Proanthocyanidine (PAC) gelten derzeit als die für die Effekte der Cranberrys maßgeblichen Inhaltsstoffe. Die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit AFSSA geht von einer erforderlichen Mindestmenge von 36 mg PAC oder 29 g frischen Cranberrys in einer Tagesportion aus, um die Anzahl der Harnwegsinfektionen zu verringern. Aber nicht alle Anbieter machen genaue Angaben zum PAC-Gehalt.

Fragwürdig ist auch der Zusatz eines Pulvers aus Bärentraubenblättern und der Zusatz von Paradiesnusspulver.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 10/2009 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2011 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Seit einiger Zeit stehen neben Blasen- und Nierentees, die bei einer Blasenentzündung helfen sollen, auch immer mehr Cranberrypräparate zur Verfügung. Sie sollen sich positiv auf die Blasenfunktion auswirken. Wir wurden neugierig und wollten wissen, wie gut die Kraft aus der Natur hilft. Im Angebot sind ausschließlich Nahrungsergänzungsmittel, die wir vor allem in Apotheken und Drogerien eingekauft haben, aber auch beim Discounter oder übers Internet.

Die maßgeblichen Inhaltsstoffe: Wie gut ein Cranberrypräparat ist, hängt mit dem Gehalt der Früchte bzw. mit den in ihnen steckenden sekundären Pflanzenstoffen zusammen, vor allem den Proanthocyanidinen, auch PAC abgekürzt.

Wir wollten also wissen, wie hoch ist der Gehalt dieser Substanzen in den einzelnen Produkten. Doch unser Wunsch, die Präparate im Labor daraufhin untersuchen zu lassen, wurde erst einmal ausgebremst. Von etlichen Seiten hieß es, die Analytik sei störanfällig, Referenzsubstanzen fehlten oder die Methoden, die zur Untersuchung eingesetzt würden, wären in ihren Ergebnissen untereinander nicht vergleichbar. So resümierte auch das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, die Analyse "solcher Präparate erscheint daher
eher nicht sinnvoll". Interessant, fanden wir, denn wie überprüfen dann die Hersteller die Qualität ihrer Produkte? Daher haben wir die Anbieter gebeten, uns ihre Daten mitzuteilen.

Die weiteren Inhaltsstoffe: Neben den in der Zutatenliste deklarierten Zusatzstoffen haben wir die Proben auch auf unerwünschte Pestizide und das Schimmelpilzgift OTA untersuchen lassen. In einem Bericht zur Lebensmittelsicherheit des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hieß es, dass ein auffälliger OTA-Befund in einer Cranberryprobe "wegen der wachsenden Bedeutung dieser Früchte auf dem europäischen Markt durchaus weiterverfolgt werden" sollte. In diesem Fall können wir Entwarnung geben: In keiner Probe war OTA nachweisbar.

Die Bewertung: Die vage Formulierung der Hersteller, dass die Präparate zur "Unterstützung der Blasengesundheit" dienen, ist zwar für Cranberry grundsätzlich durch Studien "gut" belegt. Abwertungen gab es bei den maßgeblichen Inhaltsstoffen aber vor allem für undurchsichtige oder gar keine Angaben zum Cranberry- oder Proanthocyanidingehalt. Produkte, in denen weitere Inhaltsstoffe stecken, die unter Krebsverdacht stehen oder die gar nicht zum Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen sind, schneiden selbstverständlich auch unabhängig von ihrem Nutzen für die Blasengesundheit schlecht ab.

Bewertungslegende

Unter dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um fünf Noten: Paradiesnusspulver. Zur Abwertung um jeweils vier Noten führen: a) Zubereitungen aus Bärentraubenblättern; b) Deklarationsmangel: fehlende Kenntlichmachung als Nahrungsergänzungsmittel. Zur Abwertung um drei Stufen führt: keine Angaben zum Cranberry- oder zum Proanthocyanidingehalt. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein "nicht ausreichender" produktbezogener Nutzenbeleg. Dieser liegt vor, wenn keine Angaben zum Proanthocyanidingehalt gemacht werden und die entsprechende Menge an Cranberryfrüchten unter 30 g pro Tagesportion liegt oder der Proanthocyanidingehalt weniger als 36 mg pro Tagesportion beträgt oder auf Anthocyane statt auf Proanthocyanidine berechnet wird; b) mehr als 30 μg Selen pro höchste empfohlene Tagesdosis; c) der Zusatz von Zink bei fehlendem Hinweis zur Nichtanwendung bei Kindern und Jugendlichen; d) Formulierungen auf der Verpackung oder dem Beipackzettel, die sich auf die Abwehrkräfte oder das Immunsystem beziehen. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) eine nur "gut" belegte unterstützende Wirkung von Cranberrypräparaten zur Verringerung der Häufigkeit wiederkehrender Harnwegsinfektionen; b) mehr als 225 mg Vitamin C pro höchste empfohlene Tagesdosis; c) mehr als 2,25 mg Zink pro höchste empfohlene Tagesdosis, wenn nicht bereits Zink bei fehlendem Hinweis zur Nichtanwendung bei Kindern und Jugendlichen abgewertet wurde.

Unter dem Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um eine Note: a) der Farbstoff Allurarot AC;
b) fünf oder mehr in Spuren nachgewiesene Pestizide. Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um je eine Note: a) chlorierte Kunststoffe in der Verpackung; b) ein Umkarton, der weder Glas schützt noch Blister oder weiterführende Informationen enthält.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe und dem Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe. Es kann nicht besser sein als das schlechteste Einzelergebnis. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe um eine Note. 

Testmethoden

Maßgebliche Inhaltsstoffe/Deklaration: Fachliche Begutachtung.

Pestizide: a) GC-MS-Screening: ASU § 64 LFGB L00.00-34 (Meth.-Id.: L_A); b) LC-MS/MS: ASU § 64 LFGB L00.00-113 (Meth.-Id.: L_D).

Chlorierte Kunststoffe: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Juni - Juli 2009. 

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Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 10/2009 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2011 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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