Apfelsaft-Test: Labor findet verbotenes Spritzgift in einigen Säften

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2023 | Autor: Cerline Wolf-Gorny/Heike Baier/Lena Wenzel | Kategorie: Essen und Trinken | 13.10.2022

Naturtrüber Apfelsaft im Test: Wir haben 33 Produkte im Labor untersuchen lassen.
Foto: ÖKO-TEST; Rus S/Shutterstock

Das lief schon mal besser: Das Bild hat sich im Vergleich zu unserem letzten Apfelsaft-Test verschlechtert. Mehrfach stößt das von uns beauftragte Labor im jetzigen Vergleich auf das Spritzgift Mepiquat. Das ist im Obstbau eigentlich verboten.

  • Wir haben 33 naturtrübe Apfelsäfte getestet, darunter 16 mit Bio-Siegel. 
  • Auffällig: In fünf geprüften Apfelsäften finden die von uns beauftragten Laborexperten das Spritzgift Mepiquat, das im Obstbau in der EU verboten ist. 
  • Fast alle Apfelsäfte im Test überzeugen im Geschmack. 

Aktualisiert am 13.10.2022 | Wie kommt das Spritzgift Mepiquat in den Apfelsaft? Geläufig ist der Einsatz des Mittels eigentlich im konventionellen Getreideanbau, wo es für den Wuchs kürzerer und somit stabilerer Halme sorgt. Auch für Obstbauern kann Mepiquat nützlich sein. Es fördert die Fruchtbildung und verhindert das vorzeitige Abfallen der Früchte, mit anderen Worten: Es kann den Ertrag steigern.

Apfelsaft im Test: Verbotenes Spritzgift gefunden 

Allerdings ist Mepiquat auf europäischen Obstplantagen verboten, weshalb auf EU-Ebene ein niedriger Grenzwert gilt: Nicht mehr als 0,02 Milligramm Mepiquat dürfen in einem Kilo Äpfel messbar sein.

Drei naturtrübe Apfelsäfte im Test reißen diesen "Rückstandshöchstgehalt" und wir ziehen dafür die rote Karte. Weitere Produkte schöpfen den Grenzwert zu rund 60 Prozent aus. Gegenüber dem Ergebnis unseres Apfelsaft-Tests vor zwei Jahren hat sich das Bild damit deutlich eingetrübt. Damals waren fast alle Säfte empfehlenswert, kein Produkt fiel durch. 

Apfelsaft ist beliebt. Aber welche Marken sind empfehlenswert?
Apfelsaft ist beliebt. Aber welche Marken sind empfehlenswert? (Foto: Vasyl Rohan/Shutterstock)

Wie kommt die Bewertung des Spritzgifts zustande?

Apfel und Apfelsaft sind eigentlich zweierlei, warum nehmen wir also den Grenzwert für die Frucht? Auf dem Weg vom Apfel zum Saft können sich Spritzmittel theoretisch verdünnen oder anreichern – beides ist möglich und lässt sich normalerweise durch einen "Verarbeitungsfaktor" errechnen. Da ein solcher für Apfelsaft nicht existiert, halten wir es so wie die Untersuchungsämter:

Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit LAVES schreibt uns, dass es bei der Beurteilung von Apfelsaft oder Apfelmus davon ausgeht, dass die Konzentration von Pflanzenschutzmitteln in etwa vergleichbar ist mit der Frucht. Das Amt nimmt deshalb den Wert für Äpfel und beruft sich unter anderem auf Angaben der Fruchtsaftindustrie, der zufolge Rückstandsgehalte im Saft "nahe der Frucht" liegen.

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Das ist in unseren Augen sogar noch großzügig: Geht man davon aus, dass für eine Charge Apfelsaft viele verschiedene Landwirte ihre Äpfel zugeliefert haben, ließe sich auf die jeweils belastete Rohware sogar ein sehr viel höherer Gehalt zurückrechnen.

Auffällig in unserem Test: Für alle drei naturtrübe Apfelsäfte, die den EU-Grenzwert reißen, kamen die Äpfel ausschließlich aus Polen.

Wechselwirkungen noch zu wenig erforscht 

Laut Europäischer Chemikalienagentur ECHA wirkt sich Mepiquat langfristig schädlich auf Wasserorganismen aus. Wie bei allen Spritzgiften sind seine Wechselwirkungen mit anderen Pestiziden bisher zu wenig erforscht. Ein Anbieter im Test bezeichnet den Fund des Mittels in seinem Apfelsaft als "bedauerlich" und verspricht Korrekturmaßnahmen.

Nach Recherchen des Unternehmens sei Mepiquat durch Abdrift von benachbarten Ölsaaten- oder Getreidefeldern auf die Äpfel gelangt. Ob es sich tatsächlich überall um Verwehungen handelt oder das Mittel von einzelnen Apfelbauern absichtlich gespritzt wurde, können wir nicht klären. Im Jahr 2001 fielen am Bodensee Obstbauern auf, die Mepiquat illegal eingesetzt hatten.

Spuren von Pestiziden in naturtrüben Apfelsäften

Was ist ansonsten aufgefallen? 17 naturtrübe Apfelsäfte im Test enthalten ein oder mehrere Pestizide. Wenn auch nur in so geringen Mengen, dass wir sie als "Spuren" einordnen und nicht abwerten. Einzige Ausnahme: Einmal fand das beauftragte Labor das Pestizid Acetamiprid, für das wir trotz des geringen Gehalts eine Note abziehen.

Acetamiprid schadet Bienen und Insekten, deshalb handelt es sich in unseren Augen um ein besonders bedenkliches Pestizid.

Apfelsaft punktet mit kurzen Transportwegen: Alle Hersteller von naturtrüben Apfelsäften im Test beziehen ihre Früchte aus Europa, manche sogar aus der Region.
Apfelsaft punktet mit kurzen Transportwegen: Alle Hersteller von naturtrüben Apfelsäften im Test beziehen ihre Früchte aus Europa, manche sogar aus der Region. (Foto: powell'sPoint/Shutterstock)

Wie schmecken die Apfelsäfte im Test? 

Wir haben ausschließlich naturtrübe Direktsäfte getestet: Ohne Filtrieren kommt der Saft hier nach der Presse direkt in die Flasche. Die Hersteller setzen dafür teilweise über 20 verschiedene Apfelsorten ein, wie sie uns mitteilen, und rund zwei Drittel verwenden Äpfel von Streuobstwiesen.

Das beeinflusst einen guten Geschmack, denn der entsteht durch ein ausgewogenes Verhältnis von Zucker und Säure. Bis auf eine Ausnahme überzeugten alle Säfte im Geschmack. So lautet das Urteil der geschulten Sensoriker, die in unserem Auftrag sämtliche Produkte verkosteten. Eine weitere gute Nachricht aus dem Test: Insgesamt schneiden 21 Apfelsäfte im Test mit Bestnote ab. 

Übrigens: Apfelsaft hat einen relativ hohen Zuckergehalt. Daher Apfelsaft in Maßen genießen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, einen Teil Apfelsaft mit drei Teilen Wasser zu verdünnen.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 9/2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Das könnte Sie auch interessieren: Wir haben Apfelmus und Apfelmark getestet. Positiv fällt auf, dass es Apfelmus jetzt auch ohne Zuckerzusatz gibt. Negativ: Das von uns beauftragte Labor stößt mehrfach auf Pestizide. Mehr dazu lesen Sie, wenn Sie auf den folgenden Kasten klicken: 

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 33 naturtrübe Apfelsäfte in Drogerien, (Bio-)Supermärkten und Discountern eingekauft, darunter 16 mit Bio-Siegel. Die Mehrheit ist in Verbundkartons abgepackt, acht sind in Glasmehrwegflaschen gefüllt; ein Apfelsaft wird in einer Plastik-Pfandeinweg- und einer in einer Glaseinwegflasche geliefert. Die Preise für einen Liter Apfelsaft rangieren zwischen 99 Cent und 3,99 Euro. Wir ließen alle Apfelsäfte in spezialisierten Laboren testen: auf Belastungen mit Pestiziden und Schimmelpilzgiften sowie auf Qualitätsparameter wie Ethanol und Methanol, flüchtige Säuren, Milchsäure und den Brix-Wert. Sensorik-Experten verkosteten die Apfelsäfte und beurteilten Aussehen, Geschmack, Geruch und Mundgefühl. Über die Deklaration erfassten wir zugesetztes Vitamin C und Werbung mit Selbstverständlichkeiten wie "ohne Farbstoffe laut Gesetz" oder "ohne Zuckerzusatz".

Ein weiteres Labor analysierte, ob in den Verpackungen umweltschädliche chlorierte Verbindungen stecken. Positive Befunde haben wir unter dem Testergebnis Weitere Mängel mit einer Note abgewertet. Das Gesamturteil basiert auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Testergebnisse Weitere Mängel, die "befriedigend" oder schlechter sind, verschlechtern es.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um fünf Noten: ein gemessener Gehalt an Mepiquat, der den EU-Rückstandshöchstgehalt von 0,02 mg/kg für Mepiquat in Äpfeln überschreitet (ohne Berücksichtigung eines Verarbeitungsfaktors; laut BfR- oder EFSA-Liste nicht verfügbar). Zur Abwertung um zwei Noten führt: ein gemessener Gehalt an Mepiquat, der mehr als 50 bis 100 % des EU-Rückstandshöchstgehalts von 0,02 mg/kg in Äpfeln ausschöpft (ohne Berücksichtigung eines Verarbeitungsfaktors; laut BfR- oder EFSA-Liste nicht verfügbar; in der Tabelle: "stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein gemessener Gehalt des besonders bedenklichen Pestizids Acetamiprid von mehr als 0,01 mg/kg im unverarbeiteten Apfel, berechnet unter Berücksichtigung des Verarbeitungsfaktors 0,48 für Acetamiprid in pasteurisiertem Saft (Quelle: BfR-Datensammlung zu Verarbeitungsfaktoren); b) der Zusatz von Vitamin C.

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um eine Note: eine sensorische Abweichung im Geruch (hier: leicht gärig) und im Geschmack (hier: etwas unsauber).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Glas-Einwegflasche. Zur Abwertung um zwei Noten führt: PET-Einwegflasche mit einem Rezyklatanteil von mindestens 50 % . Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Deckeldichtung von Glasflaschen; b) Werbung mit Selbstverständlichkeiten (hier: "ohne Zuckerzusatz" und/oder "ohne Farb- und Konservierungsstoffe (laut Gesetz)" oder vergleichbare Formulierungen). Steht bei konkret benannten Analysenergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Bestimmungsgrenze oder Nachweisgrenze der jeweiligen Testmethode.

Das Gesamturteil basiert auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Ein Testergebnis Sensorik, das "gut" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe nicht.  

Testmethoden 

Chlormequat / Mepiquat: ASU L 00.00-76: 2008-12
Dichte: per Biegeschwinger nach IFU-1A (SOP HA1303/0027/1)
Flüchtige Säure: destillativ-titrimetrisch gemäß IFU-5
Methanol / Ethanol: per Headspace-GC-FID nach OIV MA-AS312-03.
Milchsäure: D- und L-Milchsäure enzymatisch gemäß IFU-53.
pH-Wert: mittels potentiometrischer pH Glaselektrode nach IFU-11
Refraktion: direkt gemessen gemäß L 31.00-16 der ASU
Sensorik: gemäß ASU nach § 64 LFGB L 00.90-22; Profilprüfung, verdeckt und nach Person getrennt, bei Raumtemperatur.
Patulin: LC-MS/MS
Pestizid-Screening: GC- und LC-MS/MS nach DIN EN 15662: 2018-07
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse

Einkauf der Testprodukte: Mai 2022 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 9/2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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