Aktualisiert am 15.06.2012 | Ein schmerzender Hals ist oft das erste Anzeichen einer sich anbahnenden Erkältung. Aber nur eine Minderheit der Betroffenen sucht deshalb gleich einen Arzt auf. In Deutschland ist die wehe Kehle lediglich bei zwei Prozent aller Kontakte mit dem Hausarzt das Hauptanliegen des Patienten. Nur jeden sechsten Fall stuft der Arzt als schwerwiegend ein. Sind es tatsächlich die üblichen Erreger eines grippalen Infekts, dann schmerzt der Hals drei bis fünf Tage lang. Nach einer Woche ist der Spuk in der Regel vorbei, Komplikationen sind selten.
Der Griff zu Hausmitteln kann die Symptome lindern: Viel trinken, mit Salzwasser oder Salbeitee gurgeln, Kräuterbonbons lutschen oder Halswickel anlegen schafft in vielen Fällen Erleichterung - auch wenn der Nutzen dieser Maßnahmen wissenschaftlich nicht belegt ist.
Halsschmerzen: Viele greifen zu Lutschtabletten
Viele Menschen greifen lieber zu medizinischen Lutschtabletten aus der Apotheke oder Drogerie. Rund 25 Millionen Packungen mit Halsschmerzmitteln, die lokal betäubend, entzündungshemmend oder keimtötend wirken, gingen in den vergangenen Jahren alljährlich über den Tresen. Doch sind sie tatsächlich besser als die günstigen Hausmittel?
Im ÖKO-TEST: 20 Halsschmerzmittel, vor allem Lutschtabletten und Pastillen, aber auch Sprüh- und Gurgellösungen. Bis auf zwei Ausnahmen - ein Medizinprodukt und ein traditionelles Arzneimittel - sind alle Präparate als herkömmliche Arzneimittel im Verkehr.
Das Ergebnis: Das Geld können Sie sich sparen. Bis auf ein Produkt mit einem Gesamturteil "befriedigend" schneiden alle anderen untersuchten Mittel mit "mangelhaft" oder "ungenügend" ab.

Mittel gegen Halsschmerzen: Die meisten wirken nicht
Egal ob die Präparate entzündungshemmend, keimtötend oder lokal betäubend wirken: Ihre Anwendung bei Halsschmerzen bringt dem Geplagten keine Vorteile. Sie wirken bestenfalls rein symptomatisch, ohne die Dauer der Halsschmerzen zu verkürzen.
"Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder von Lokalanästhetika oder Antibiotika wird nicht empfohlen", heißt es in einer aktuellen Leitlinie Halsschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Weder durch Lutschen noch durch Gurgeln, allenfalls durch Sprays werden tiefe Rachenregionen wie der Kehlkopf erreicht.
Nur ein Hersteller kann Wirksamkeit bezeugen
Sinnvoll erscheint einzig bei starken Halsschmerzen der kurzzeitige Gebrauch der Lutschtabletten eines Herstellers mit dem lokal betäubend wirkenden Lidocain. Für dieses Produkt liegen belastbare Daten aus einer Studie vor, weshalb wir es unterm Strich mit "befriedigend" beurteilen.
Örtlich betäubend wirkt auch Benzocain, das allerdings Allergien auslösen kann. Werden solche Produkte über längere Zeit eingenommen, besteht die Gefahr, dass man eine Verschlimmerung, etwa eine bakterielle Mandelentzündung, nicht rechtzeitig erkennt und entsprechend behandelt. Auch der als Hustenlöser bekannte Wirkstoff Ambroxol, auf den ein weiterer Hersteller für sein Präparat setzt, soll lokal betäubend wirken, was unseres Erachtens allerdings auch nicht ausreichend belegt ist.

Halsschmerzmittel wirken oft nicht da, wo die Infektion ist
Zu den keimtötend wirkenden Antiseptika zählen die Wirkstoffe Dequaliniumchlorid, Cetylpyridiniumchlorid, Hexamidin-diisethionat, 2,4-Dichlorbenzylalkohol, Amylmetacresol, Benzalkoniumchlorid, Cetrimoniumbromid und das traditionell angewendete Aluminiumchlorid. Dazu schreibt die DEGAM: "Die Anwendung von Lokalantiseptika macht nachweislich keinen Sinn, da sie nur an der Oberfläche wirken können, während sich die wesentliche Infektion in der Tiefe des Gewebes abspielt."
Die Substanzen gelangen also erst gar nicht an den Ort des Geschehens. Die Kombination zweier Antiseptika macht die Mittel nicht wirksamer, sondern erhöht unnötig die Gefahr von Nebenwirkungen - vor allem die Wahrscheinlichkeit, eine Allergie auszulösen.
Halsschmerzen: Auslöser sind häufig Viren
Die antibiotischen Wirkstoffe Fusafungin und Tyrothricin sollen Bakterien an ihrer Vermehrung hindern oder sie gleich dahinraffen. Auch damit treffen die Mittel nur selten ins Schwarze, sind doch bis zu 80 Prozent aller Rachenentzündungen durch Viren verursacht. Zudem moniert die DEGAM das Fehlen kontrollierter Studien, in denen Patienten und Präparate nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (randomisiert) wurden. Wir werten die Substanzen daher um zwei Noten ab.
Die Mischung aus Xanthan, Carbomer und Hyaluronat in den Lutschtabletten eines Herstellers soll die Schleimhaut schützen und so Halsschmerzen lindern. Der Nutzen dieses Medizinprodukts ist allerdings nicht ausreichend belegt.

Kritik an fehlenden Angaben im Beipackzettel
Bei einigen Präparaten ist die Anwendungsdauer im Beipackzettel nicht ausreichend begrenzt. Bei zwei Drogerieprodukten ist lediglich davon die Rede, sie "nicht längerfristig" einzunehmen. Das ist uns zu unpräzise; höchstens drei bis fünf Tage sollten die Mittel eingenommen werden. Die Einnahme eines weiteren Präparats soll "noch einen Tag nach Abklingen der Beschwerden fortgesetzt werden" - es scheint egal zu sein, wie lange die Beschwerden andauern.
Notenabzüge gibt es für die in einigen Produkten verwendeten Hilfsstoffe wie Alkohol, Paraffin, die gelben und roten synthetischen Farbstoffe Chinolingelb (E 104) und Ponceau 4R (E 124) sowie das Treibgas Norfluran.
Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Jahrbuch für Kleinkinder 2012 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Handbuch Gesundheit 2012 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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