Acht Elastische Bodenbeläge im Test

Ratgeber Bauen 2015 | Autor: Anna Mai | Kategorie: Bauen und Wohnen | 08.05.2015

ÖKO-TEST hat acht elastische Bodenbeläge unter die Lupe genommen.
Foto: Luckeyman/Shutterstock

PVC-Böden sind billig, pflegeleicht und voller Schadstoffe. Die Alternative - chlorfreie elastische Bodenbeläge - ist nur zum Teil besser, wie unser Test ergeben hat. Zudem laden sie sich beim Begehen durch Reibung elektrostatisch stark auf.

Die alternativen elastischen Bodenbeläge kosten bis zu 70 Euro pro Quadratmeter - für das Geld könnte man auch Parkett- und Fliesenbeläge bekommen. Warum Verbraucher trotzdem zum Kunststoffbelag greifen? Der geringe Pflegeaufwand und die Unempfindlichkeit sind zum Beispiel für unseren Leser Leo Meis entscheidend, außerdem sind ihm Fliesen zu kalt und stoßempfindlich.

Ähnlich argumentiert Axelle Bouteille - auf der Suche nach einem Belag für den Flur, der feuchte­unempfindlich und angenehm beim Barfußgehen sein soll. Ihr Favorit aus Poly­urethan sei weich, fühle sich gut an, sei strapazierfähig und sehe dabei auch noch gut aus.

Daraus bestehen elastische Bodenbelägen

Bodenbeläge aus Kautschuk werden überwiegend aus synthetischem Kautschuk hergestellt - teilweise mit Anteilen von natürlichem Latex, gewonnen aus dem Milchsaft des Kautschukbaums. Das Material ist sehr elastisch, rutschfest, geräuscharm und leicht federnd beim Begehen. Daher wird es - vor allem als Noppenmaterial - selbst in stark frequentierten öffentlichen Bereichen wie Bahnhöfen und Flughäfen eingesetzt. Die Oberfläche ist sehr dicht, sodass sich kein Schmutz in Poren setzen kann.

Daneben werden Bodenbeläge aus den Kunststoffen Polyurethan (PU) und Polyolefin angeboten. Polyurethane entstehen aus Reaktionen mit Isocyanaten. Diese Ausgangsstoffe sind krebs­verdächtig; wenn die Reaktion jedoch abgeschlossen ist, sind die problematischen Verbindungen nicht mehr im Material nachzuweisen. Katalysatoren und Stabilisatoren geben dem Material die notwendigen Eigenschaften wie Licht- und Farbechtheit. Polyurethan kann hart und spröde, aber auch weich und elastisch sein.

Die Bodenbelagshersteller Windmöller und Vorwerk setzen nach eigenen Aussagen zu 80 bis 90 Prozent nachwachsende Rohstoffe wie Rizinus- und Rapsöl ein und bezeichnen ihre Bodenbeläge als "Bio-Boden" oder "Bio-Polyurethan". Auf Isocyanate als Ausgangsstoff könnten sie jedoch nicht verzichten, dazu gebe es bislang noch keine Alternative; laut Windmöller werde jedoch daran gearbeitet. Polyolefine wiederum sind ein Sammelbegriff für Kunststoffe, die Poly­ethylen und Polypropylen enthalten und die das Polyvinyl im PVC ersetzen. Zum Teil sind die Oberflächen noch beschichtet, zum Beispiel mit PU.

Um zu prüfen, ob die alternativen Materialien wirklich weniger belastet als PVC sind, schickten wir acht Beläge aus Kautschuk- und anderen Kunststoffmaterialien, die alle den Blauen Engel tragen, in die Labore und unterzogen sie einem aufwendigen Prüfprogramm auf Schadstoffe und Oberflächenspannung.

So schneiden die acht Beläge im Test ab

In Bezug auf die Schadstoffbelastung sind vier elastische Bodenbeläge mit dem Blauen Engel eine gute Wahl. Und selbst die Produkte, die nur "mangelhaft" oder "ungenügend" abschneiden, enthalten deutlich weniger Schadstoffe als PVC-Böden. Allerdings laden sich alle Kunststoff- und Kautschukmateria­lien ordentlich elektrostatisch auf.

Im Gegensatz zu PVC-Böden enthalten die Testprodukte so gut wie keine Weichmacher. Lediglich ein Hersteller setzt Ersatzweichmacher ein. Diese sind noch nicht ausreichend erforscht. Aus keinem untersuchten Boden­belag gasten flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus. Und in den Kautschukmaterialien waren keine krebserregenden Nitrosamine nachweisbar.

In den vier Kunststoffbelägen aus Polyurethan, Polyolefin und PET stecken die zinnorganischen Verbindungen Dibutylzinn oder Dioktylzinn, die das Immun- und Hormonsystem schädigen können. Beide sind mittlerweile in Produkten für Endverbraucher verboten, so auch in Bodenbelägen. Allerdings gilt das erst ab sehr hohen Gehalten. Die gemessenen Werte liegen deutlich darunter.

Die zinnorganischen Verbindungen werden zum Beispiel als Katalysatoren oder Stabilisatoren eingesetzt. Der Belag Takiron Wels enthält außerdem Anthracen, einen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoff (PAK). Er ist sehr umweltschädlich, reichert sich über die Nahrungskette im Menschen an und steht auf der Kandidatenliste der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) für besonders besorgniserregende Stoffe.

Bodenbeläge im Test sind oft elektrisch geladen

Beim Begehen und Benutzen können sich auf allen untersuchten Böden durch die Reibung ganz ordentliche elektrostatische Oberflächenspannungen aufbauen. Gemessen wurden bei alltäglicher Reibung bis zu 10.000 Volt - da stehen einem sprichwörtlich die Haare zu Berge.

Selbst wenn diese Beläge leitfähig verlegt werden - also so, dass die Spannungen abgeleitet und abgebaut werden können -, treten wahrscheinlich immer noch relevante und lang andauernde Ober­flächenspannungen auf. Sie wirken sich ungünstig auf das Raumklima aus; Staub und Reizstoffe wirbeln vermehrt durch die Luft.

Kein Material im Test kann die Spannung gut ableiten. In Bezug auf die elektrostatischen Eigenschaften waren die PVC-Beläge, die wir vor zwei Jahren getestet hatten, zum überwiegenden Teil besser. Hier haben die Hersteller also noch Nachholbedarf.

Das sind die Herstellerreaktionen

Vorwerk und Windmöller erklärten, dass nach heutigem Stand der Technik zinnorganische Verbindungen "in sehr geringen Mengen" als Katalysatoren in Polyurethanen verwendet werden. Trotz aller Bemühungen sei bislang noch kein vollständiger Verzicht auf diese Verbindungsklasse möglich, ergänzte Vorwerk. Alternativen würden jedoch geprüft.

Das bedeutet der Blaue Engel für elastische Bodenbeläge

Das Umweltzeichen steht für emissionsarme Produkte. Allerdings gelten erst nach vier Wochen Auslüften strenge Werte für die Raumluft. Nur krebserzeugende, ausgasende Stoffe werden stark begrenzt. In Kautschukmaterialien dürfen keine krebserregenden Nitrosamine nachweisbar sein.

Ansonsten sind Phthalate als Weichmacher und halogenorganische Verbindungen in der Rezeptur tabu, ebenso Stoffe, die als besonders besorgniserregend eingestuft sind. Als Verunreinigungen können sie jedoch noch im Material stecken. Insgesamt bietet der Blaue Engel eine Orientierung bei der Wahl eines Produkts, aber keine Gewähr für einen schadstofffreien Bodenbelag, wie auch unser Testergebnis zeigt.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: konzentrierte sich auf elastische Bodenbeläge mit dem Umweltsiegel Der Blaue Engel, die als PVC-­Alternative angeboten werden. Falls möglich, wählten wir leicht handhabbare Fliesen oder Planken, teilweise gibt es sie jedoch auch als Bahnenware.

Die Inhaltsstoffe: Sind die alternativen Beläge tatsächlich weniger belastet als die PVC-Schadstoffschleudern? Wir ließen die Bodenbeläge analog zu den PVC-Belägen aus früheren Tests analysieren. Das Prüfprogramm umfasste Weichmacher und Flammschutzmittel, zinn­organische Verbindungen und Schwermetalle, die als Katalysatoren oder Stabilisatoren eingesetzt werden, sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasser­stoffe (PAK) - das sind Rückstände aus der Erdölindus­trie. All diese Stoffe können negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben; zum Teil greifen sie in den Hormonhaushalt ein oder sind krebserregend. Da der Blaue Engel für emissionsarme Produkte steht, wurde zudem gemessen, ob tatsächlich nur wenig ausgast.

Die Oberflächenspannung: Kunststoffoberflächen können sich elektrostatisch aufladen, je nach Zusammensetzung bauen sich die Spannungen schneller oder langsamer wieder ab. Sie wirken sich negativ auf das Raum­klima aus, Staub - und mit ihm auch Aller­gene und Schadstoffe - werden aufgewirbelt. Im Labor wurden diese Oberflächenspannungen durch realistische Alltagsbedingungen erzeugt und gemessen, welche Widerstände ein Ableiten der Spannung verzögern.

Die Bewertung: Großflächige Bodenbeläge, mit denen man ständig in Berührung kommt, sollten möglichst keine Schadstoffe enthalten. Deshalb gewichten wir die Inhaltsstoffe stärker als die Oberflächenspannung. Sehr kritisch sehen wir - ganz im Einklang mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) - die nachgewiesenen zinnorganischen Verbindungen, die das Immun- und das Hormonsystem schädigen können und die deshalb auch in Verbraucherprodukten wie Bodenbelägen verboten sind - wenn auch mit hohem Grenzwert.

Bewertungslegende

Unter dem Testurteil Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein stark erhöhter Gehalt von mehr als 1.000 μg/kg der zinnorganischen Verbindungen Dibutylzinn (DBT) und Dioktylzinn (DOT). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) mehr als 100 bis 1.000 μg/kg einer PAK-Einzelverbindung (hier: Anthracen); b) ein erhöhter Gehalt von mehr als 100 bis 1.000 μg/kg der zinnorganischen Verbindung Dioktylzinn (DOT). Zur Abwertung um eine Note führt: mehr als 1.000mg/kg eines Ersatzweichmachers (hier: DEHT und Dipropylenglycoldibenzoat). Unter dem Testergebnis elektrostatische Oberflächenspannung führt zur Abwertung um drei Noten: eine stark erhöhte Oberflächenspannung ab 5.000 Volt (im Mittel). Zur Abwertung um zwei Noten führt: eine erhöhte Oberflächenspannung ab 3.000 bis unter 5.000 Volt (im Mittel). In das Gesamturteil gehen das Testergebnis Inhaltsstoffe zu 70 Prozent und das Testergebnis elektrostatische Oberflächenspannung zu 30 Prozent ein. Es kann nicht besser sein als das Testergebnis Inhaltsstoffe.

Testmethoden

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt, Schwermetalle: Röntgenfluoreszenzanalyse. Halogenorganische Verbindungen: Elution mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Weichmacher, phosphororganische Verbindungen, phenolische Verbindungen, antimikrobiell wirkende Substanzen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Freie Phenole: Extraktion und Messung mittels HPLC-FLD. Migration Phenol: in Anlehnung an DIN EN 71-10:2006, Messung von Phenolen mittels HPLC-FLD. Migration Benzophenon: in Anlehnung an DIN EN 71-10:2006. Flüchtige organische Verbindungen (VOC): Emissionsprüfzelle nach 24 Stunden; GC-MS nach Thermodesorption. Formaldehyd: Emissionsprüfzelle nach 24 Stunden; HPLC-DAD nach Desorption. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): GC-MSD, 25 PAK nach EU/EPA/JECFA. Zinnorganische Verbindungen: NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-AED. Migrierbare Nitrosamine: Kautschukmaterialien; BfR-Empfehlung XXI. Bedarfsgegenstände auf Basis von Natur- und Synthesekautschuk; kein Auskochen in Wasser, 12 Tage in Wasser 40 °C.
Elektrostatische Oberflächenspannung: Messung nach alltagstypischer Reibung bei 20 bis 21 °C und 43 bis 50 Proeznt relativer Luftfeuchte ohne leitenden Unterboden; ca. 1.000 cm² Bodenbelag, Proben waren vorab mehrere Tage den Klimabedingungen ausgesetzt, Luftionisation im Messraum 600 bis 800 Ionen pro Kubikzentimeter; Oberflächen wurden 5 bis 10 Sekunden vor der Messung mit alltagstypischen Reibungen provoziert (Schuhe mit verschiedenen Sohlen, Handfläche, verschiedene Textilien); die Messungen der Oberflächenspannungen wurden mindestens fünfmal wiederholt, die Widerstandsmessungen mindestens dreimal; die Oberflächenwiderstandsmessungen wurden im Abstand der Messelektroden von 10 cm durchgeführt; verwendete Messgeräte: Elektrofeld­meter EFM 022, EFM110 beziehungsweise EFM 251, Tera-Ohm-Meter TOM 374 mit verschiedenen Messelektroden, Insulation-Tester Beha Typ Giga Ohm 93406, Feuchte- und Temperaturmessgerät Testo 615, Luftionenmessgerät Ionometer IM 5005.

Einkauf der Testprodukte: März 2014

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Juli 2014 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen und Wohnen 2015 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.