Bienen lieben Lavendel – doch in einigen stecken Pestizid-Cocktails

Magazin Juni 2025: Sonnencreme | Autor: Timm Knautz/Heike Baier/Rebecca Welsch | Kategorie: Freizeit und Technik | 28.05.2025

Bienen lieben Schopflavendel: Nur blöd wenn dieser Pestizide enthält.
Foto: aileenchik/Shutterstock

Wer Lavendel pflanzt, glaubt, Bienen und anderen Insekten etwas Gutes zu tun. Denn die Tiere finden immer weniger Nahrung. Doch Lavendel ist nicht zwingend eine gute Idee. Unser Test zeigt, dass manche Pflanzen mit bis zu elf Pestiziden belastet sind – darunter sind auch Spritzgifte, die bienentoxisch sind. 

  • Der zunehmende Einsatz von Pestiziden ist einer der Gründe für das Artensterben von Bienen und anderen Insekten und damit auch für den Verlust unserer Biodiversität.
  • Die beiden Lavendelarten Lavandula angustifolia (Echter Lavendel) und Lavandula stoechas (Schopflavendel) gelten grundsätzlich als gute Nahrungsquellen für Bienen. Deshalb ließen wir 16 solcher Pflanzen auf ein breites Spektrum von rund 700 Pestiziden analysieren. 
  • Der Test zeigt: Pestizide sind ein Problem. Unter den gefunden Spritzgiften befinden sich auch solche, die stark bienentoxisch oder in der EU gar nicht mehr zugelassen sind. 
  • Die Testergebnisse können Sie bis zum 25. Juni kostenlos in unserem Shop downloaden. 

Bienen lieben Lavendel. Seine lila Blüten bieten ihnen und anderen Bestäubern reichlich Pollen und Nektar und sind im anstehenden Hochsommer, wenn viele Pflanzen schon verblüht sind, eine wichtige Nahrungsquelle. Gerade auch in Töpfen auf dem Balkon oder der Fensterbank kann er inmitten städtischer Betonwüsten eine wertvolle Nahrungsoase für Bestäuber sein.

Denn Wildbienen, Schmetterlinge und Co. finden nicht mehr überall ausreichend Pollen und Nektar, bereits die Hälfte der Wildbienen ist hierzulande laut BUND bedroht. Auch der zunehmende Einsatz von Pestiziden gehört zu den Ursachen dafür.

Deshalb: Pflanzen Sie Lavendel. Aber informieren Sie sich vor dem Einkauf gut! Denn wir haben 16 Lavendel auf Pestizide überprüft – und was die beauftragten Labore teilweise an Rückständen auf den Pflanzen gefunden haben, ist alles andere als bienenfreundlich.

Bis zu elf verschiedene Pestizide in einem Lavendel 

Ausgewählt haben wir für unseren Test zwei Lavendelarten, die sich als Bienenweide auf dem Balkon besonders anbieten: Der echte Lavendel (Lavandula angustifolia) und der etwas früher blühende Schopflavendel (Lavandula stoechas). Beide liefern unabhängig davon, ob die Produkte als bienenfreundlich ausgelobt sind, reichlich Nektar und locken damit hungrige Bestäuber zu ihren Blüten

Auffällig: Manche Pflanzen enthalten einen ganzen Pestizidcocktail. Spitzenreiter sind elf Pestizidrückstände in ein- und derselben Pflanze. 

Bienentoxische Pestizide auf einer Bienenweide 

Unter den gefundenen Pestiziden sind auch solche, die wir als hochgradig bienentoxisch ansehen. Die Insektizide Spinosad und Deltamethrin wirken als Nervengift, führen zu Krämpfen, Lähmungen und schließlich zum Tod der Bienen, wenn diese sie zum Beispiel mit dem Nektar aufnehmen.

Weil die beiden Spritzmittel bereits ab einer extrem niedrigen Dosis von weniger als zwei Mikrogramm pro Biene tödlich sind, stuft auch die amerikanische Umweltschutzbehörde US EPA sie als stark bienentoxisch ein.

Wir finden: Bienentoxische Pestizide auf einer Bienenweide – das geht gar nicht. 

Pestizide in Lavendel: Jetzt Testergebnisse kostenlos downloaden!

Das Problem von Lavendel mit mehreren Pestizidspuren

Problematisch sind auch die Pestizidcocktails, die das Labor gefunden hat. Denn auch eine Mischung von vielen unterschiedlichen Wirkstoffen kann gefährlich sein für Bienen: Studien geben immer wieder Hinweise darauf, dass bestimmte Wirkstoffe Wechselwirkungen untereinander eingehen und sich ihre Effekte damit potenzieren können.

So wirkt beispielsweise das Insektizid Acetamiprid – würde es solo angewendet – laut US EPA zwar "nur" leicht bienengiftig und erhält von uns deshalb noch keine Abwertung. Doch eine Studie der Uni Würzburg von 2024 hat gerade wieder gezeigt: Die Kombination des Mittels mit bestimmten Fungiziden führte zu einer signifikant höheren Bienensterblichkeit.

Auch andere Wechselwirkungen sind noch nicht ausreichend erforscht, sodass wir eine Mehrfachbelastung grundsätzlich abwerten.

Schädlich für Arbeiterinnen und Arbeiter 

Allerdings berücksichtigen wir nicht nur, wie schädlich der jeweilige Pestizid-Mix für Bienen ist, sondern ziehen auch Noten ab für Spritzmittel, die wir als gefährlich einschätzen. Nicht weil wir glauben, dass von den Pflanzen irgendeine Gefahr für hiesige Konsumentinnen oder Konsumenten ausginge, denn zur Verwendung in der Küche sind sie ohnehin nicht empfohlen.

Doch die Arbeiterinnen und Arbeiter, die die Lavendel-Kulturen während ihrer mehrmonatigen Anzuchtphase spritzen mussten, waren den Mitteln schließlich sehr viel unmittelbarer ausgesetzt. Das finden wir nicht hinnehmbar, denn mehr als ein Duzend der insgesamt 35 nachgewiesenen Wirkstoffe ordnen wir als "besonders bedenklich" ein.

Zum Beispiel, weil sie laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als endokriner Disruptor wirken, wie die Fungizide Cyprodinil und Fludioxonil. Oder weil laut CLP-Verordnung der Verdacht besteht, dass sie krebserregend sein könnten – wie bei den Wirkstoffen Bupirimat und Kresoxim-methyl.

Was sind endokrine Disruptoren? 

Zur Erklärung: Bei endokrinen Disruptoren handelt es sich um Chemikalien, die die natürliche Wirkweise von Hormonen stören. Das tun sie, indem sie die Funktionen des endokrinen Systems, das für die Hormonsteuerung zuständig ist, beeinflussen und verändern.

Es gibt etwa 1000 verschiedene endokrine Disruptoren – zu ihnen gehören beispielsweise Pestizide, Phosphate, Bisphenole (etwa BPA), per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) und polychlorierte Biphenyle (PCB). Die Chemikalien kommen in zahlreichen Alltagsgegenständen vor und sind teilweise extrem langlebig – wir sind unser ganzes Leben lang von ihnen umgeben.

Lavendel im Test enthält in der EU verbotene Spritzgifte 

Ein weiterer Kritikpunkt: Laut Laborbericht befanden sich auch jede Menge Spritzmittel auf den Pflanzen, die dort eigentlich überhaupt nicht sein dürften: Weil sie nämlich in der EU gar nicht mehr zugelassen sind. Das sind:

  • das Fungizid Carbendazim, das als wahrscheinlich reproduktionstoxisch und erbgutverändernd eingestuft und seit 2014 in der EU nicht mehr erlaubt ist.
  • Metolachlor, ein hormonähnlich wirkendes Herbizid, das seit Januar 2024 in der EU verboten ist.
  • Und: das potenziell krebserregende Thiophanat-methyl. 

Wie kommen die verbotenen Pestizide in den Lavendel?

Wir haben die Hersteller gefragt, wie das sein kann. Besonders befriedigend sind die Rückmeldungen dazu nicht. Ein Hersteller versichert, die betreffenden Wirkstoffe würden vom zuliefernden Betrieb selbst nicht eingesetzt und vermutet eine Kontamination durch Oberflächengewässer aus benachbarten Gärtnereien.

Ein anderer schreibt uns, die jeweiligen Gesellschafter kauften als Franchise-Nehmer eigenverantwortlich ein: "Daher können wir die Herkunft der gelieferten Pflanzen von zertifizierten Gärtnern nicht garantieren." Das ist enttäuschend.

Eine weitere Hersteller-Erklärung: Es könne sich um eine Verunreinigung aus einer länger zurückliegenden Anwendung handeln. Gleichzeitig räumt dieser auch selbstkritisch ein: "Die Proben erfüllen nicht unsere Kriterien aufgrund des Nachweises eines Wirkstoffs ohne EU-Zulassung."

Vier Lavendel im Test sind für Bienen empfehlenswert

Die gute Nachricht aus dem Test: Es gibt auch Lavendel-Pflanzen, die mit "sehr gut" oder "gut" abschneiden. Zwei davon kommen immerhin aus Baumärkten mit überregionalem Filialnetz. 

Laden Sie sich hier die detaillierten Testergebnisse kostenlos herunter: Pestizide in Lavendel: In einigen stecken Pestizid-Cocktails. 

Tipps: So gedeiht Lavendel im Garten oder Topf

  • Im Garten: 

Lavendel ist ursprünglich im Mittelmeerraum heimisch – er liebt vollsonnige, idealerweise etwas windgeschützte Standorte und kann wegen seiner tiefen Wurzeln im Freiland auch längere "Durststrecken" überstehen. Lavendel bevorzugt leichte, eventuell sandige Böden, in denen Nässe gut abfließen kann.

Wählen Sie fürs Freiland eine winterharte Art wie Lavandula angustifolia. Achtung: Starkes Düngen schadet dem Lavendel und macht ihn anfälliger für Frost. Die Büsche entweder direkt nach der Blüte im Sommer oder im zeitigen Frühjahr zurückschneiden.

  • Im Topf oder Kübel

Lavendelpflanzen im Topf können von Frühjahr bis Herbst gepflanzt werden. Für sie bieten sich Südbalkone und sonnige Fensterbänke förmlich an: Wer Pflanzenarten mit unterschiedlichen Blühzeiten kombiniert, kann Bestäubern den ganzen Sommer über den Tisch decken.

Regelmäßiges Gießen ist bei Topflavendel allerdings wichtiger als im Freiland. Aber Vorsicht mit der Menge: Denn Lavendel verträgt absolut keine Staunässe! Pflanzen Sie ihn also besser in eine durchlässige Kräutererde, die Sie mit etwas Sand mischen. Vor den ersten Frostnächten sollten mehrjährige Sorten ins Winterquartier. 

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Eingekauft haben wir für diesen Test elfmal die Lavendelart "Lavandula angustifolia" (Echter Lavendel) und fünfmal "Lavandula stoechas" (Schopflavendel), unabhängig davon, ob die Produkte als bienenfreundlich ausgelobt waren. Sie gelten unter den Lavendelarten als gute Nahrungsquelle und damit als attraktiv für bestäubende Insekten. Wir bezogen die Lavendel von Bau- und Supermärkten, Gartencentern sowie vom Blumenhandel. Für Topfgrößen zwischen zehn und 19 Zentimetern bezahlten wir zwischen 2,99 Euro und 12,99 Euro, in einem Fall erwarben wir ein 6er-Gebinde für 6,99 Euro.

Lavendel aus biologischem Anbau war zum Zeitpunkt unseres Einkaufs noch nicht im Handel verfügbar. Der zunehmende Einsatz von Pestiziden ist einer der Gründe für das Artensterben von Bienen und anderen Insekten und damit auch für den Verlust unserer Biodiversität. In einem spezialisierten Labor ließen wir die Lavendel-Pflanzen deshalb ausschließlich auf ein breites Spektrum von rund 700 Pestiziden analysieren, darunter auch diverse Wachstumsregulatoren und Wirkverstärker. Beprobt wurden dabei ausschließlich die oberirdischen Pflanzenteile.

Ein Grenzwert für Pestizide auf Zierpflanzen existiert derzeit nicht. Für die Einordnung der nachgewiesenen Pestizide als "sehr bienentoxisch" legten wir zunächst jene Dosis eines Wirkstoffs zugrunde, die anhand der Pestizid-Datenbank der Universität Hertfordshire (PPDB) auf 50 Prozent der Bienen tödlich wirkt (LD50) und orientierten uns bei der Interpretation an der amerikanischen Umweltschutzbehörde US EPA.

Außerdem haben wir bewertet, welche Pestizide aufgrund ihrer Toxizität für Mensch und/oder Umwelt "besonders bedenklich" sind und orientierten uns dabei an der Einstufung durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) sowie das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN). Zuletzt prüften wir auch die EU-Zulassung der einzelnen Wirkstoffe. Über den Pflanzenpass am Produkt erfassten wir das Herkunftsland der Lavendel und ließen dieses von den Anbietern bestätigen. 

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um
gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen
wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten
und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei
konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen
Testmethode.

Bewertung Testergebnis Pestizide: Unter dem Testergebnis Pestizide führt zur Abwertung um vier Noten: ein oder mehrere in der EU nicht zugelassenen Pestizide in gemessenen Gehalten von jeweils mehr als 0,01 mg/kg bezogen auf die gesamte oberirdische Pflanzenbiomasse (hier: Carbendazim, Metolachlor, Thiophanat-methyl). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Mehrfachrückstand von zehn und mehr Pestiziden und/oder Wirkverstärkern; b) fünf oder mehr als besonders bedenklich eingestufte Pestizide in gemessenen Gehalten von jeweils mehr als 0,01 mg/kg bezogen auf die gesamte oberirdische Pflanzenbiomasse (hier: Acetamiprid, Bupirimat, Carbendazim, Chlorantraniliprol, Cyprodinil, Dimethomorph, Fludioxonil, Fluvalinat, Folpet, Kresoxim-methyl, Penconazol, Pirimicarb, Tetraconazol, Thiophanat-methyl). Als besonders bedenklich werden Pestizide eingestuft, wenn sie PAN-gelistet sind (in Gruppe 2 oder Gruppe 3, aufgrund ihrer Langzeiteffekte oder Umwelttoxizität), nach EU-Datenbank oder ECHA kanzerogen oder reproduktionstoxisch sind. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Mehrfachrückstand von fünf bis neun Pestiziden und/oder Wirkverstärkern; b) ein bis vier besonders bedenkliche Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg bezogen auf die gesamte oberirdische Pflanzenbiomasse (analog oben); c) ein oder mehrere nach US EPA stark (LD50 akut oral ≤ 2 μg/Biene) oder moderat bienentoxisch (LD50 akut oral = 2–11 μg/Biene) eingestufte Pestizide in gemessenen Gehalten von jeweils mehr als 0,01 mg/kg bezogen auf die gesamte oberirdische Pflanzenbiomasse (hier: Deltamethrin, Spinosad; in Tabelle: "sehr bienentoxisch").

Testmethoden

Pestizidrückstände (LC-MS/MS): Untersuchung nach § 64 LFGB L 00.00-113 : 2015-03, modifiziert.

Einkauf der Testprodukte: März 2025

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