Luftmatratzen im Test: Fast alle fallen durch

ÖKO-TEST Jahrbuch Kleinkinder für 2011 | Autor: Christine Throl | Kategorie: Freizeit und Technik | 07.01.2011

Luftmatratzen im Test: Wir haben 13 Produkte getestet.
Foto: Oksana Trautwein/Shutterstock

Mit Luftmatratzen können Kinder wie Erwachsene viel Spaß haben. Angesichts der Ergebnisse unseres Tests geht man aber besser ohne Plastik zum Planschen: Fast alle Produkte rasseln durch. Nur eine Luftmatratze war halbwegs in Ordnung.

Aktualisiert am 7.1.2011 | An die drei Wochen Urlaub am Mittelmeer, als ich sieben Jahre alt war, habe ich eine Erinnerung, die alle anderen überstrahlt: das kleine, aufblasbare "Surfbrett". Es hatte einen blauen und einen roten Streifen und konnte eigentlich nur ein, bestenfalls zwei Kinder tragen.

Meine Freundinnen und ich verbrachten trotzdem ganze Tage damit, zu versuchen, zu dritt darauf zu sitzen oder – noch besser – zu stehen. Immer, wenn wir es fast geschafft hatten, flutschte das "Brett" weg oder sank oder es kam eine Welle, die uns alle drei plus Unterlage einmal kräftig würfelte. Es war einer der besten Urlaube.

Leider haben sich Luftmatratzen und ähnliche Produkte in vergangenen Tests fast immer als hoch schadstoffbelastet erwiesen. Doch hat sich die Lage mittlerweile gebessert?

Luftmatratzen im Test: Fast alle fallen durch

Um das herauszufinden, haben wir 13 Luftmatratzen in die Labore geschickt. Das Ergebnis: Bis auf eine Matratze fallen alle mit "ungenügend" durch. Obwohl die bedenklichen Phthalatweichmacher inzwischen in Spielzeug gesetzlich reglementiert sind, wurden sie in einigen Produkten wieder in rauen Mengen nachgewiesen. Und die von von uns beauftragten Labore deckten noch allerlei andere Probleme auf.

Bedenkliche PAK in Luftmatratzen entdeckt

In jeweils vier Luftmatratzen im Test stecken erhöhte und stark erhöhte Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Viele PAK gelten als krebserregend. Sie können über die Haut aufgenommen werden. In Produkten mit Hautkontakt haben sie deshalb nichts zu suchen, schon gar nicht, wenn fast der ganze Körper mit der Luftmatratze in Berührung kommt.

Drei Luftmatratzen enthalten wiederum große Mengen des bedenklichen Weichmachers Diisononylphthalat (DINP). Die untersuchten Mischproben aus Matratzenmaterial und Ventil bestanden zu 20 bis über 30 Prozent aus DINP. In einem Fall wurden auch noch mehr als 0,1 Prozent des als fortpflanzungsgefährdend eingestuften Phthalats DEHP nachgewiesen. DINP darf in Spielzeug, das in den Mund genommen werden kann, DEHP in Spielzeug generell nicht zu mehr als 0,1 Prozent enthalten sein.

Sind Luftmatratzen Spielzeug? Klare Regelung fehlt

Welche Luftmatratzen als Spielzeug gelten und welche nicht, ist allerdings nicht klar geregelt. Manche Untersuchungsbehörden würden die Frage nach der Größe der Luftmatratze beurteilen, andere schauen sich die Aufmachung an und ob das Produkt etwa in einer Spielwarenabteilung angeboten wird.

Wir sind der Ansicht, dass alle Luftmatratzen im Test für Kinder ansprechend sind. Unabhängig von der Frage, ob gegen Gesetze verstoßen wird oder nicht, werten wir die stark erhöhten Gehalte an den bedenklichen Phthalaten deshalb um fünf Noten ab.

Immerhin: Anders als noch vor fünf Jahren stecken Phthalate nicht mehr in allen PVC-Luftmatratzen. Acht Prüflinge waren frei davon. Die Anbieter haben auf alternative Weichmacher wie DINCH oder DEHT umgestellt. Diese sind im Vergleich die bessere Alternative, allerdings lösen auch sie sich wieder aus dem Kunststoff und die Wirkung auf Mensch und Umwelt ist noch nicht hinreichend klar.

Stoff in Luftmatratzen im Test kann zu Nevenstörungen führen

Ein weiterer Kritikpunkt: Aus neun Luftmatratzen im Test löste sich Phenol, das zu Nervenstörungen führen kann. Das Lösemittel Isophoron kritisieren wir in acht Produkten. Im Zusammenhang mit Babybüchern hat das Bundesinstitut für Risikobewertung bereits 2002 festgestellt, dass man ein krebserzeugendes Potenzial von Isophoron nicht ausschließen kann und es in Spielzeug so weit wie möglich reduziert werden soll.

Außerdem auffällig: Die mit Baumwolle beschichtete Gummimatratze, die wir auf der Suche nach weniger schadstoffträchtigen Materialien mit in den Test genommen hatten, entpuppte sich als große Enttäuschung. Zwar ist das betroffene Produkt tatsächlich frei von Phthalaten. Dafür ist es am stärksten mit PAK belastet, darunter die besonders kritische Leitsubstanz Benzo(a)pyren. Außerdem löste sich im Labor das bedeutende Allergen 2-Mercaptobenzothiazol.

Wichtiger Hinweis fehlt bei einigen Luftmatratzen

Nur eine Luftmatratze schneidet in unserem Test nicht katastrophal ab. In puncto Inhaltsstoffe bekommt sie nur für PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe und den alternativen Weichmacher DINCH Punktabzug.

Gäbe es nicht auch noch einen Kritikpunkt bei der Deklaration, hätten wir ihr sogar ein Gesamturteil "befriedigend" gegeben. Auf der Luftmatratze fehlt uns – wie auf einigen anderen auch – der sinnvolle Hinweis, dass Kinder sie nur unter Aufsicht und nur in flachem Wasser benutzen sollten. Dass die Warnung in der Bedienungsanleitung auftaucht, reicht aus unserer Sicht nicht aus.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 6/2010 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2011 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Wir haben gängige Modelle für Wasser und Strand eingekauft, die Eltern auch für ihre Kinder aussuchen könnten. Eine "Sonnenbräuner"-Matratze, die durch Spiegelungen noch mehr schädliche UV-Strahlung auf die Haut werfen soll, gehört nicht dazu — auch wenn es sie bei einem Spielzeugversender gegeben hätte. Die meisten Luftmatratzen zum Einsatz im Wasser bestehen nach wie vor aus PVC. Als mögliche Alternative haben wir eine Gummimatratze mit Baumwollbezug mit in den Test genommen. Die Preise der getesteten Luftmatratzen bewegen sich zwischen 3,99 und 23,50 Euro.

Die Inhaltsstoffe: Das Prüfprogramm war umfangreich: Nicht immer ist auf Luftmatratzen das Material angegeben. Wir haben also als Erstes analysieren lassen, ob in den Matratzen PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe stecken. Ohne Weichmacher wäre PVC hart und spröde, weshalb wir natürlich nach Phthalaten und anderen Weichmacher fahnden ließen. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) werden manchmal absichtlich eingesetzt, etwa als Schädlingsbekämpfungsmittel während des Transports, oder verbleiben als Rückstände aus billigeren Weichmacherölen in den fertigen Kunststoffen. Isophoron ist ein (technisch eigentlich weitgehend vermeidbarer) Rückstand aus Druckfarben. Giftige zinnorganische Verbindungen werden in PVC unter anderem eingesetzt, um den Kunststoff stabil gegen die Einwirkung von Licht und Hitze zu machen.

Die Bewertung: Bei stark erhöhten Gehalten von Phthalaten oder PAK war klar: Die Luftmatratze ist durchgefallen und definitiv nicht empfehlenswert, auch wenn sie den gesetzlichen Anforderungen genügt. Andere Substanzen bewerteten wir weniger streng, zumal sich die Gehalte, etwa an zinnorganischen Verbindungen, noch in Grenzen hielten. Unter Weitere Mängel gab es Punktabzüge, wenn auf der Luftmatratze der wichtige Warnhinweis fehlte, dass Kinder sie nur in flachem Wasser und unter Aufsicht von Erwachsenen nutzen sollten.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Zur Abwertung um fünf Noten führen: in der Summe mehr als 1.000 mg/kg der in Babyartikeln und Kinderspielzeug gesetzlich reglementierten Phthalate Diethylhexylphthalat (DEHP), Dibutylphthalat (DBP), Diisononylphthalat (DINP), Butylbenzylphthalat (BBP), Diisodecylphthalat (DIDP) und Di-n-octylphthalat (DNOP).Zur Abwertung um vier Noten führt: mehr als 1.000 μg/kg polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) mehr als 100 mg/kg bis 1.000 mg/kg der in Babyartikeln und Kinderspielzeug gesetzlich reglementierten Phthalate (siehe oben); b) mehr als 25 bis 250 μg/kg Dibutylzinn (DBT); c) mehr als 250 bis 2.500 μg/kg weitere zinnorganische Verbindungen (ohne Dibutyl- und Tributylzinn), wenn nicht schon wegen Dibutylzinn abgewertet wurde; d) mehr als 6 mg/kg migrierbares Isophoron; e) mehr als 100 bis 1.000 μg/kg polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK); f) mehr als 8 mg/kg 2-Mercaptobenzothiazol.

Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/ chlorierte Kunststoffe; b) mehr als 10 mg/kg phosphororganische Verbindungen (Triphenylphosphat), c) mehr als 10 mg/kg migrierbares Phenol; d) mehr als 1.000 mg/kg der weiteren Weichmacher DEHT und/oder DINCH und/oder Diethylhexyladipat, falls nicht schon ein Gehalt an Phthalaten abgewertet wurde.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: ein fehlender oder unvollständiger Warnhinweis auf der Luftmatratze, dass sie nur unter Aufsicht und nur in flachem Wasser oder nur in geschützten Poolbereichen oder nur von Schwimmern zu benutzen ist.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. 

Testmethoden

PVC/PVDC/chlorierte Kunststoffe: Röntgenfluoreszenzanalyse.
Zinnorganische Verbindungen: EtOH, NaDDTC, NaBEt4, Hexan, GC-AED in Proben ohne Ventil.
Flammschutzmittel, phosphororganische Verbindungen, Phthalate, andere Weichmacher, phenolische Verbindungen, antimikrobiell wirksame Substanzen: GC/MS nach Extraktion mit Aceton/Ethylacetat und Derivatisierung in Proben aus Matratze und Ventil im Verhältnis 2:1.
Migrierbares Phenol/migrierbares Isophoron: LC/FLD nach Migration in Anlehnung an Methode DIN EN 71-10 aus Matratzenmaterial ohne Ventil.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): GC-MSD, 24 PAK nach EU/EPA/JECFA in Proben ohne Ventil.
2-Mercaptobenzothiazol (bei Luftmatratze mit vulkanisiertem Material): Zweiseitige schweißsaure Extraktion gemäß DIN EN ISO 105-E04; eine Stunde bei 40° C HPLC-DAD. 

Einkauf der Testprodukte: Oktober 2008.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 6/2010 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2011 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben

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