Lebensmittel fermentieren: Was das bedeutet und wie gesund es wirklich ist

Magazin November 2025: Leinöl | Autor: Heike Baier | Kategorie: Essen und Trinken | 09.11.2025

Die uralte Technik des Fermentierens erlebt derzeit ein Revival.
Foto: Microgen/Shutterstock

Die uralte Technik des Fermentierens erlebt derzeit ein Revival. Doch was ist das überhaupt, und warum gelten fermentierte Lebensmittel als so gesund? 

Womöglich hat alles mal mit einem Krug Milch begonnen, der in einer Ecke vergessen worden war. Und dann stellte jemand fest: Das Ergebnis ist essbar und verdirbt nicht so schnell wie frische Milch. Seit der ersten gezielten Fermentation vor rund 9.000 Jahren in China hat sich die Technik der Konservierung hochverderblicher Lebensmittel in allen Kulturen der Welt verbreitet.

In Asien gibt es Kimchi, Tempeh, Miso und Sojasoße, in Europa zum Beispiel Joghurt, Käse, Sauerteigbrot, Bier, Wein, Sauerkraut oder Salami.

Ist Fermentieren gesund? 

Doch sind diese fermentierten Lebensmittel wirklich alle gleich gesund? Natürlich nicht. Denn es kommt darauf an, welches Lebensmittel da ursprünglich fermentiert wurde, welche Zutaten hinzukamen und welche Weiterverarbeitung noch folgte.

Bei einer Salami, beispielsweise, kompensieren das zugegebene Salz und die gesättigten Fette den Effekt der Fermentierung, bei Wein oder Whisky ist es der Alkohol. Was übrigens alles unter dem Begriff fermentiert fällt, das ist in der Fachwelt gar nicht so unumstritten.

Was bedeutet Fermentieren einfach erklärt?

Grob lässt sich sagen: Bei der Fermentation handelt es sich um einen biochemischen Prozess, bei dem Mikroorganismen wie Bakterien oder Enzyme einzelne Substanzen aus Lebensmitteln umwandeln und dadurch ihren Geschmack, die Textur und den Nährstoffgehalt verändern.

Ein bekanntes Beispiel ist das Sauerkraut: Unter Zugabe von Salz verstoffwechseln Milchsäurebakterien, die natürlicherweise auf dem Kohl sitzen, die Zucker- und Stärkemoleküle aus dem Kraut zu Milchsäure. Dadurch erhält das Sauerkraut seine charakteristische Säure und ist mehrere Monate haltbar.

Aber nicht nur das: Das saure Milieu schützt das im Kohl vorhandene Vitamin C und andere Nährstoffe vor einer weiteren Zersetzung – sodass frisches Sauerkraut einen ebenso hohen Vitamin-C-Gehalt haben kann wie Weißkohl.

Eine Fermentation kann Nährstoffe in Lebensmitteln aber nicht nur schützen, sie kann sie sogar anreichern oder für den Körper leichter zugänglich machen. Paradebeispiel ist die Fermentation von Milch zu Joghurt oder Kefir: Durch die dabei stattfindende Zerlegung der Proteine steigt die Verfügbarkeit mancher essenzieller Aminosäuren.

Es gibt auch Hinweise, dass mit bestimmten Bakterienstämmen fermentierte Milchprodukte höhere Mengen an B-Vitaminen wie Riboflavin, Thiamin oder Folsäure enthalten. Eine Fermentation scheint auch Vorteile für die Calciumaufnahme zu bieten – vor allem für solche Menschen, die unverarbeitete Milch wegen einer Laktoseintoleranz schlechter vertragen.

Lebensmittel fermentieren fördert die Verträglichkeit

Fermentation ist so etwas wie eine "Vorverdauung" von Lebensmitteln, was auch ihre Verträglichkeit verbessern kann. So verursachen Hülsenfrüchte, die in fermentierter Form vorliegen – beispielsweise als Tempeh statt als ganze Sojabohnen – zum Beispiel weniger Blähungen.

Die Fermentation durch Milchsäure oder bestimmte Schimmelpilze soll sich dabei besonders günstig auswirken. Eine Fermentation führt auch zum Abbau der in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommenden Phytinsäure, die die Aufnahme von Mineralstoffen hemmen kann. Wird die Phytinsäure ausgeschaltet, fördert das die Nährstoffaufnahme. So steigt beispielsweise die Bioverfügbarkeit von Zink und Eisen beim Verbacken von Roggen als Sauerteigbrot.

Fermentierte Lebensmittel sind gut für das Darmmikrobiom

Und dann ist da noch ein gesundheitlicher Vorteil fermentierter Lebensmittel, der derzeit einen besonderen Hype erfährt: deren Wirkung auf die Darmflora, das so genannte Mikrobiom. Das Mikrobiom bezeichnet die Billionen von Bakterien, Viren und Pilzen, die unseren Darm besiedeln und dort wichtige Funktionen übernehmen. Sie regulieren etwa das Immunsystem oder stellen wichtige Vitamine her.

Je größer die Anzahl günstiger Mikroorganismen in dieser Gemeinschaft und je höher ihre Vielfalt ist, desto besser funktioniert das Mikrobiom. Nun gibt es zwei Wirkungen von Lebensmitteln, die das Mikrobiom positiv beeinflussen sollen – und beide sind bei bestimmten fermentierten Lebensmitteln im Gespräch: die präbiotische und die probiotische.

Die präbiotisch wirkenden Nahrungsmittel liefern den "erwünschten" Mikroorganismen im Darm ihr Lieblingsfutter, nämlich Ballaststoffe aus Pflanzenfasern, und fördern auf diese Weise ihre Vermehrung. Diese Wirkung lässt sich fermentiertem Gemüse wie Sauerkraut oder Kimchi zusprechen – dem nichtfermentierten Kohl allerdings auch.

Probiotische Effekte sind umstritten

Fermentierte Milchprodukte werben dagegen häufig mit ihren "probiotischen" Eigenschaften: Das meint die Idee, lebende Bakterienkulturen aus diesen Lebensmitteln oder ihre Abbauprodukte könnten sich in die Gesellschaft der Darmbakterien einschmuggeln, dort dauerhaft ihre Vielfalt bereichern und so gesundheitsförderliche Effekte erzielen.

Dirk Haller, der als Professor für Ernährung und Immunologie an der TU München zum Darmmikrobiom forscht, ist dazu eher skeptisch. Erste Studien zeigten zwar, dass der Verzehr fermentierter Lebensmittel die Diversität der Mikroben im Darm erhöhe. "Ihre gesundheitlichen Effekte sind aber bisher weitgehend anekdotisch beschrieben."

Das Problem dabei: Das Darmmikrobiom des Menschen ist individuell sehr unterschiedlich aufgebaut, und wenn nun Mikroorganismen aus fermentierten Lebensmitteln dazustoßen, können sie dort länger verweilen – müssen aber nicht. "Inwieweit fermentierte Lebensmittel das Darmmikrobiom und seine Wirkung auf unsere Gesundheit beeinflussen, ist deshalb noch nicht ausreichend belegt", sagt Haller.

Hinzu kommt, dass in vielen ursprünglich fermentierten Lebensmitteln gar keine probiotischen Bakterien mehr existieren, weil industrielle Prozesse sie zerstört haben. So enthält beispielsweise frisches Sauerkraut aus der Kühltheke noch lebende Milchsäurebakterien, bei pasteurisierten Konserven sind sie weitgehend verloren gegangen.

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