Fischzucht: Was hat Aquakultur mit Massentierhaltung an Land gemein?

Magazin Mai 2021: Tomaten | Autor: Dr. Cornelie Jäger | Kategorie: Essen und Trinken | 08.05.2021

Regenbogenforellen wachsen relativ schnell. Das macht sie zu beliebten Zuchtfischen.
Foto: Sean Lema/Shutterstock

In Aquakulturbetrieben werden Fische und andere Gewässerlebewesen kontrolliert aufgezogen, gehalten und vermehrt. Da stellt sich eine wichtige Frage: Gibt es bei der Aquakultur ähnliche Fehlentwicklungen wie bei anderen landwirtschaftlichen Tierhaltungen? 

  • In Deutschland gibt es ungefähr 2.500 Aquakulturbetriebe. Es werden hierzulande vor allem Forellen, andere lachsartige Fische und Karpfen aufgezogen und vermehrt.
  • Auch im Wasser gilt: Werden viele Tiere zeitgleich schnell gemästet, können Begleiterscheinungen massenhafter Tierhaltungen auftreten. 
  • Der ökologische Fußabdruck von Aquakulturen ist nicht unbedingt klein. Dieser ist vor allem abhängig von der Fütterung und den Ausscheidungen der Tiere. 

Fischzucht und Teichwirtschaft haben in Europa eine jahrhundertelange Tradition: Sie reicht von den Teichanlagen der Klöster bis hin zu den hochtechnisierten, bisweilen sogar emissionsfreien Anlagen der Gegenwart. Derzeit scheiden sich an der Aquakultur die Geister.

Zur Erklärung: Aquakultur bezeichnet die kontrollierte Aufzucht, Haltung und Vermehrung von Fischen oder anderen Gewässerlebewesen, wie etwa Garnelen und Muscheln. Sie findet in Süß- und Salzwasser statt.

Für die einen ist die Aquakultur die große Chance, um der wachsenden Weltbevölkerung hochwertiges Nahrungsprotein bereitzustellen. Die anderen sehen darin vor allem Massentierhaltung oder kritisieren fehlende Nachhaltigkeit. Sind bei der Aquakultur ähnliche Fehlentwicklungen wie bei anderen landwirtschaftlichen Tierhaltungen festzustellen? Oder könnte sie, andersherum, sogar ein Vorbild sein?

Aquakultur: Zucht ist auf rasches Wachstum gepolt

Was Aquakultur mit Massentierhaltung an Land gemein hat: Auch hier herrscht der ökonomische Druck, das tierische Produkt immer schneller zu erzeugen. Aquakulturfische sind züchterisch längst auf rasches Wachstum gepolt und haben meist nichts mit den einheimischen Wildfischen zu tun.

Das gilt beispielsweise für die schnell wachsende Regenbogenforelle. Sie gehört einer anderen Tierart an als heimische Bachforellen, stammt aus Nordamerika und ist das Mastschwein unter den Süßwasserfischen.

Wie an Land gilt auch im Wasser: Je mehr Tiere zeitgleich schnell gemästet werden, umso deutlicher treten die Begleiterscheinungen massenhafter Tierhaltungen auf. Bei Fischen gehören dazu naturferne Haltungsformen wie Betonrinnen und Kunststoffbecken, aber auch die künstliche Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff, um mehr Tiere gleichzeitig halten zu können.

Aquakultur: In Deutschland gibt es etwa 2.500 Aquakulturbetriebe.
Aquakultur: In Deutschland gibt es etwa 2.500 Aquakulturbetriebe. (Foto: geogif/Shutterstock)

Zu viel Stress macht Fische krank 

Zu hohe Besatzdichten, Mängel bei der Wasserqualität oder hohe Außentemperaturen können dazu führen, dass der Stress für die Tiere schließlich zu groß wird. Dann nehmen verschiedene umweltbedingte bakterielle Erkrankungen wie Rotmaulseuche oder Furunkulose zu, außerdem Hautpilzerkrankungen oder Parasitenbefall.

Auch wenn Halter ihre Anlagen regelmäßig desinfizieren, kann es sein, dass sie aufgrund solcher Erkrankungen Arzneimittel einsetzen oder überdurchschnittliche Tierverluste hinnehmen müssen. Außerdem gibt es verschiedene virusbedingte Fischkrankheiten, die gerade bei den weit verbreiteten Regenbogenforellen seuchenartig auftreten und bereits viele Fischwirte in Existenznot gebracht haben.

Und wie geht es den Fischen damit? Dazu gibt es viele Meinungen. Anhand der wissenschaftlichen Daten lässt sich zumindest kaum mehr bestreiten, dass Fische Schmerz empfinden – und ihn nicht nur als einen Reiz wahrnehmen, auf den sie reflexartig reagieren. Beispielsweise ändern sie bei Schmerz ihr Verhalten. Das deutet darauf hin, dass sie Schmerzen ähnlich erleben wie andere Wirbeltiere. 

Aquakultur: Wie viel Platz brauchen Fische? 

Die Platzfrage stellt sich für Fische nach Ansicht der Experten anders als bei anderen Tieren. Bei vielen gängigen Aquakulturfischen wird Wert darauf gelegt, dass sie im Schwarm schwimmen, also dicht beieinander. Zerfällt der Schwarm in Einzeltiere, tritt Revierverhalten mit teils heftigen Auseinandersetzungen auf.

Andererseits: Schwimmen zu viele Fische im Becken, dann leiden Sauerstoffversorgung und Wasserqualität. Gerade Letztere gilt aber als entscheidender Faktor für das Tierwohl. Wie gut es den Tieren geht, lässt sich – ähnlich wie bei Landlebewesen – direkt an den Tieren erfassen:

  • Hautveränderungen
  • Verletzungen
  • Schäden an den Flossen
  • Veränderungen beim Verhalten
  • vermehrte Sterblichkeit  

Sind Aquakulturen nachhaltig? 

Fische gelten als gute Futterverwerter: Um ein Kilogramm Forelle oder Lachs zu erzeugen, benötigt man ungefähr ein Kilogramm Fertigfutter. Das ist weniger als bei anderen landwirtschaftlich genutzten Tieren, obwohl Fische sehr langsam wachsen.

Die Gründe: Als wechselwarme Tiere benötigen sie kaum Futter, um ihre Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Und sie haben ein leichtes Skelett. Allerdings sind gerade bei der Fütterung die Unterschiede groß – und das wirkt sich auf die Öko-Bilanz aus.

14 Kilogramm Fisch und Fischereierzeugnisse verzehren Konsumenten in Deutschland durchschnittlich im Jahr.
14 Kilogramm Fisch und Fischereierzeugnisse verzehren Konsumenten in Deutschland durchschnittlich im Jahr. (Foto: Roman Samborskyi/Shutterstock)

Unter den Aquakulturfischen in Deutschland gibt es Arten, die hauptsächlich von natürlich vorhandenem Plankton, Schnecken, Würmern und pflanzlichem Futter leben. Karpfen zum Beispiel. Sie sind die Weidetiere unter den Speisefischen, wenn ihr Futter hauptsächlich aus dem natürlichen Nahrungsangebot in den Teichen besteht. Allerdings folgt daraus nicht automatisch eine umweltschonende Produktion.

Denn: Auch Karpfen erhalten als zusätzliches Futter teils größere Mengen Getreide, Hülsenfrüchte, Mais und tierisches Protein, um schneller schlachtreife Fische zu erzeugen. Außerdem werden Karpfenteiche gedüngt, damit sie mehr Naturnahrung für die Fische bilden.

Fischmehl und Fischöl im Futter als Problem 

Eine wichtige Rolle in der deutschen Teichwirtschaft spielen aber auch Raubfische wie Forellen, Saiblinge oder Lachse. Sie benötigen Fischmehl und Fischöl im Futter. Der Anteil dieser Komponenten hat zwar in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen, er lässt sich aber nicht komplett durch pflanzliche Produkte ersetzen.

Das kann den ökologischen Fußabdruck belasten: Fischöl und Fischmehl für Raubfisch-Futter stammen aus sehr unterschiedlichen Quellen. Wildfische vor Peru oder Chile für die Futtermittelproduktion zu gewinnen, ist weniger nachhaltig, als auf den legalen Beifang der Fischerei auf Speisefisch zurückzugreifen. Oder – noch besser – auf Abfallprodukte der Fischverarbeitung. Deshalb gibt es beim Fischfutter in der ökologischen Aquakultur oder beim Label des Aquaculture Stewardship Council (ASC) Begrenzungen für Fischmehl und Fischöl aus wildgefangenen Fischen.

Ausscheidungen der Tiere sind ökologisch bedeutsam 

Ökologisch bedeutsam sind außerdem die Ausscheidungen der Tiere: Wer intensiv füttert, mit dem Ziel, schnell speisefertigen Fisch zu gewinnen, bringt größere Mengen zusätzlicher Nährstoffe in die Anlagen ein. Die Tiere bilden folglich mehr Ausscheidungsprodukte wie Harnstoff und Kot. Beides gelangt ins Wasser.

Je nachdem, wie viele Tiere gehalten werden und ob eine ausreichende Sedimentierung oder Filterung stattfindet, kann diese Nährstoffanreicherung ein Problem für die Umgebung bedeuten, vor allem für ableitende Gewässer. Sie kann dort zur Überdüngung führen und so Schäden für das ganze Öko-System verursachen.

(Foto: ÖKO-TEST )

Fazit: Gibt es Fehlentwicklungen bei der Aquakultur? 

Fazit: Bei Aquakultur können ähnliche Probleme auftreten wie in der sonstigen Massenhaltung von Nutztieren auch. Gelingt es den Fischwirten allerdings, fitte Fische zu züchten, sich konsequent am Tierwohl zu orientieren und die Tiere ressourcen- und umweltschonend aufzuziehen, dann kann Aquakultur – insbesondere regionale Teichwirtschaft – eine Bereicherung für den Speiseplan bieten und dazu beitragen, Wildfischbestände zu entlasten.  

Ein positives Beispiel: Die Fischzucht Lohmühle

Mitten im Schwarzwald bei Alpirsbach liegt die Fischzucht Lohmühle von Joachim Schindler. In 30 Teichen zieht er Tiere aus eigener Zucht auf: Regenbogen-, Bach-, Gold-, Tigerforellen und Saiblinge. Sein Ziel: durch gezielte Einzeltierpaarungen robuste Fische erzeugen.

Bei der Auswahl der Elterntiere setzt er auf hohes Alter bei voller Gesundheit und eine kräftige arttypische Körperform und Färbung. Rogen und Milch, also Eizellen und Sperma der Fische, werden den Tieren von Hand abgestreift und gezielt befruchtet. Sofort nach dem Schlupf bietet der Züchter den Jungtieren die Möglichkeit, ihr arteigenes Verhalten zu entwickeln und sich beispielsweise unter Abdeckungen der Aufzuchtbecken zu verstecken.

Ungefähr 80 Prozent der Fische aus dieser Zucht werden als sogenannte Satzfische von Angelvereinen oder Gewässerbesitzern gekauft und in natürliche Gewässer, Baggerseen oder Teiche eingesetzt. Die Fische müssen dort schnell vor Feinden fliehen können, selbst Futter finden und mit den unterschiedlichen Umweltbedingungen zurechtzukommen.

Die restlichen Fische aus der Zucht zieht der Diplom-Agraringenieur nach der Devise "Klasse statt Masse" langsam bis zur Speisefischgröße auf, schlachtet und verarbeitet sie selbst und verkauft sie im Hofladen oder auf dem Wochenmarkt.

Prachtexemplar: Diese kräftig gefärbte Regenbogenforelle ist eines der Zuchttiere von Joachim Schindler.
Prachtexemplar: Diese kräftig gefärbte Regenbogenforelle ist eines der Zuchttiere von Joachim Schindler. (Foto: Cornelie Jäger)

Problemzone Angelteich: Fische leiden unter Umsetzen

Neben Teichen, in denen Fische bis zum Schlachten und zur Verarbeitung als Lebensmittel großgezogen werden, gibt es sogenannte Angelteiche. Gegen Entgelt kann man dort zum Vergnügen und mit wenig Vorkenntnissen Fische angeln. Die werden häufig erst kurz vorher in diese Anlagen eingesetzt und haben dann bereits Speisefischgröße.

Das Problem: Solche Fische erleiden zweimal kurz hintereinander den Stress, aus dem Wasser herausgefangen zu werden – ohne triftigen Grund. Für die Nahrungsmittelgewinnung reicht das erste Abfischen.

Das Umsetzen von kleineren Fischen in größere Anlagen lässt sich zwar durch relevanten Größenzuwachs rechtfertigen. Der findet aber in vielen Angelteichen gar nicht statt. Angeln an solchen Teichen verstößt deshalb gegen die Grundsätze im Tierschutzgesetz, wenn die Tiere nur einige Tage oder wenige Wochen im Angelteich leben.  

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