Aktualisiert am 09.06.2016 | Wenn Sabine K. nach dem Duschen eine kleine gerötete Hautstelle entdeckt, weiß sie schon, was sie nun erwartet: Demnächst bilden sich kleine Blasen, ein quälender Juckreiz setzt ein. Nach einigen Tagen platzen die Bläschen auf und verkrusten, die Hautstelle wird schuppig: Der typische Verlauf eines Ekzems.
Für Sabine K. alltäglich. Ein neues Duschgel, eine veränderte Waschmittelrezeptur – vieles kann bei ihr zu einer solchen allergischen Hautreaktion führen. Ihre Freunde kennen ihn schon, den argwöhnischen Blick auf die Inhaltsstoffe geschenkter Kosmetikprodukte, gefolgt von einem gemurmelten "Das vertrage ich leider nicht ...". Vor allem auf Duftstoffe und Konservierungsmittel reagiert die 32-Jährige empfindlich.
Sind Kortisoncremes harmlos?
Statistisch liegt die Wahrscheinlichkeit, mindestens einmal im Leben an einem Ekzem zu erkranken, bei fast 100 Prozent. Sowohl körperliche Faktoren wie hormonelles Ungleichgewicht oder Autoimmunerkrankungen als auch äußere Einflüsse können die Entstehung solcher Hauterkrankungen begünstigen.
Zu den äußerlichen Faktoren gehören zum Beispiel allergisierende Substanzen, aber auch häufiger Kontakt mit nicht einmal zwangsläufig hautreizenden Stoffen. Selbst Wasser kann dann zu einem sogenannten Abnutzungsekzem führen, indem es das natürliche Fett-Wasser-Gleichgewicht der Hautbarriere durcheinanderbringt.
Sabine K. hat die gelegentlichen Überreaktionen ihrer Haut meistens im Griff. Ein kurzes Checken der Inhaltsstoffe genügt, um potenzielle Auslöser zu vermeiden. Wenn es trotzdem mal wieder so weit ist, holt sie sich aus der Apotheke eine kortisonhaltige Creme. Seit 2007 gibt es in Deutschland neben der Cremerezeptur mit 0,25 Prozent auch die höher dosierte mit 0,5 Prozent Hydrocortison rezeptfrei. Das spart den zeitraubenden Arztbesuch. Doch sind diese Cremes deshalb harmlos?
Wirkstoff Kortison hat sich bewährt
Tatsächlich hat sich der Wirkstoff Kortison zur Behandlung von entzündlichen oder allergischen, nicht durch Bakterien verursachten Reaktionen bewährt. Ärzte setzen ihn in Form von Tabletten, Spritzen oder Infusionen beispielsweise gegen Rheuma oder Tinnitus ein, kortisonhaltige Cremes oder Salben wirken zuverlässig gegen Hauterkrankungen.
Zu den äußerlichen Anwendungsgebieten zählen neben Ekzemen auch Sonnenbrand und entzündete Insektenstiche – nicht zuletzt, weil Kortison den lästigen Juckreiz verlässlich bekämpft. Für den medizinischen Einsatz ist die heilende Substanz in vier Wirkklassen eingeteilt, Hydrocortison gehört zu den schwach wirksamen Vertretern der Klasse 1.
Es gleicht in seiner Zusammensetzung dem körpereigenen Hormon Kortisol, das in den Nebennierenrinden produziert wird und dafür sorgt, dass Immunreaktionen nicht allzu heftig ausfallen. Auch das auf die Haut aufgetragene Hydrocortison hemmt die Immunreaktion. Allerdings unterdrückt es gleichzeitig natürliche Alarmsignale des Körpers, der so kaum zeigen kann, was mit ihm nicht stimmt.
Kortison bekämpft die Symptome, aber nicht die Ursache
Das Hydrocortison bekämpft zwar die Symptome, nicht aber die Ursache der Hauterkrankung. Der Wirkstoff führt sozusagen das Immunsystem an der Nase herum und kann es auf lange Sicht sogar schwächen.
Gleichwohl betont Manfred Schubert-Zsilavecz, der als Professor der pharmazeutischen Chemie für ÖKO-TEST Medikamente und ihre Anwendungshinweise bewertet: "In den vergangenen Jahrzehnten konnten wir sehen, dass es sich bei Hydrocortison um ein gut verträgliches und mildes Kortison handelt." Vorausgesetzt, die Creme wird nur während eines begrenzten Zeitraums angewendet und enthält keine bedenklichen Hilfsstoffe.
Bei Hautekzemen nicht ständig zur Kortisoncreme greifen
Dennoch sollten insbesondere Menschen, die häufig an Ekzemen leiden oder regelmäßig heftig auf Insektenstiche reagieren, nicht ständig und leichtfertig zur Kortisoncreme greifen. In vielen Fällen kann ein Allergietest Klarheit schaffen und so helfen, die Auslöser gezielt zu therapieren.
Spätestens wenn nach zweiwöchiger Anwendung keine Besserung eingetreten ist, ist ein Arztbesuch ohnehin unumgänglich. Denn möglicherweise handelt es sich um eine Hauterkrankung, die gar nicht auf die Behandlung mit Hydrocortison anspricht oder sogar durch den Wirkstoff noch verschlimmert wird. Nicht zuletzt können auch schwach wirksame Glukokortikoide wie Hydrocortison bei unsachgemäßer Anwendung Nebenwirkungen auslösen.
Medizinischer Rat ist auch dann sinnvoll, wenn sich für die Hautreaktion keine körperliche Ursache finden lässt. Stress, Ängste oder Depressionen bahnen sich über die Haut oft ihren spür- und sichtbaren Weg nach außen. Neurodermitisgeplagte kennen dieses Phänomen, aber auch eigentlich hautgesunde Menschen kann es treffen.
Hydrocortison-Cremes im Test: Einige enthalten bedenkliche Hilfsstoffe
Wir haben elf Hydrocortison-Cremes – einige enthalten 0,25 Prozent des Wirkstoffs, andere 0,5 Prozent – in die Labore geschickt und die Inhaltsstoffe und die Anwendungshinweise ganz genau prüfen lassen. Das Testergebnis fällt mittelmäßig aus. Vier Cremes schafften ein "sehr gut". In deren Packungsbeilage sind alle wichtigen Informationen aufgeführt und sie enthalten keine bedenklichen Hilfsstoffe.
Bis auf einen Ausreißer bewegen sich die übrigen Cremes im Mittelfeld, weil wir die darin eingesetzten Hilfsstoffe kritisieren. Das schlechteste Produkt im Test bringt es auf so viele Mängel, dass es in der Summe nur für ein "mangelhaft" gereicht hat.
Wichtiger Hinweis fehlt
Beginnen wir mit den Packungsbeilagen. Darin müssen alle Risiken und Nebenwirkungen aufgelistet werden, die während der Anwendung auftreten können. Vorbildlich sind die Hersteller, was die Informationen zur Altersbeschränkung betrifft. Alle weisen darauf hin, dass Hydrocortison-Cremes nicht ohne ausdrückliche ärztliche Anweisung für unter sechsjährige Kinder benutzt werden dürfen. Auch der Hinweis, dass besondere Vorsicht bei der Anwendung in der Nähe des Auges geboten ist, fehlt in keinem Beipackzettel.
Unvollständig ist nur die Packungsbeilage einer überprüften Hydrocortison-Creme: Hier sucht man vergeblich nach einer Warnung, dass bei einer zu lange andauernden Anwendung als Nebenwirkung eine Hautatrophie, also ein Dünnerwerden der Haut möglich ist. Auch dass enthaltene Paraffine die Reißfestigkeit von Kondomen verringern können, wird nicht erwähnt. Dafür gibt es Punktabzug.
In manchen Kortisoncremes stecken Paraffine
Paraffine hat das von uns beauftragte Labor in drei Kortisoncremes im Test nachgewiesen. Und wo Paraffine drinstecken, sind aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) oft nicht weit. Immerhin schaffen es zwei der drei betroffenen Hersteller, so saubere Rohstoffe einzusetzen, dass MOAH im Labor unter der Bestimmungsgrenze bleiben. In einer getesteten Hydrocortison-Creme liegt der Wert allerdings deutlich über unserer Abwertungsgrenze von 0,1 Prozent.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt in seiner Einschätzung zu MOAH in Kosmetikprodukten vom Mai 2015, dass bereits kleinste Mengen krebserregendes Potenzial haben können. Die Wissenschaftler weisen außerdem darauf hin, dass es möglich ist, Erdölprodukte bis zu einem MOAH-Gehalt von nur 0,0001 Prozent aufzureinigen. Gerade in Medizinprodukten sollte ein solcher Reinheitsstandard selbstverständlich sein.
Kritik an PEG/PEG-Derivaten
PEG/PEG-Derivate haben wir in sechs Kortisoncremes im Test gefunden. Sie können die Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen. Bei vielen Medikamenten ist das ein gewollter Effekt, weil er hilft, den Wirkstoff in den Körper zu transportieren. Hier allerdings stellt es eine problematische Kombination dar, hängt manche unerwünschte Nebenwirkung von Hydrocortison doch mit dem Dünnerwerden der Haut zusammen.
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST-Magazin 11/2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Kosmetik für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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