Die Matrosen bekamen erst Zahnfleischbluten, dann fielen ihnen die Zähne aus. Ihre Gelenke entzündeten sich, Muskeln bildeten sich zurück, schließlich starben sie geschwächt an einem mysteriösen Leiden: Skorbut. Das Sterben auf See wütete über viele Jahrhunderte. Erst im 18. Jahrhundert vermutete der englische Schiffsarzt James Lind, dass die einseitige Ernährung der Seeleute etwas damit zu tun haben könnte. Er experimentierte mit verschiedenen Flüssigkeiten, die er Skorbutkranken zu trinken gab. Einige bekamen Zitronensaft - und der zeigte eine hervorragende Wirkung: Die Seeleute wurden wieder gesund.
Später fand der Arzt noch heraus, dass Sauerkraut ebenfalls wirkt. Auf hoher See setzte Kapitän James Cook seiner Mannschaft dann die Krautkost vor und verlor keinen einzigen Mann durch Skorbut. Dafür bekam er 1776 eine Auszeichnung der Royal Society. Erst 150 Jahre später, als es dem Biochemiker Albert von Szent-Györgyi gelang, Vitamin C aus Zitronensaft zu isolieren, wurde klar, welcher Bestandteil vor Skorbut schützte.
Die enorme Bedeutung der Vitamine für den menschlichen Organismus entdeckten Forscher Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals gelang es ihnen, die chemische Struktur einiger Vitamine zu entziffern. In den 1920er- und 1930er-Jahren überboten sich Wissenschaftler dann mit der Entdeckung neuer Vitamine in der Nahrung. Zunächst wussten sie nur, dass sie Krankheiten verhindern. Casimir Funk, ein Biochemiker, gab den lebenswichtigen Substanzen deshalb den Namen Vitamine: Vita, das lateinische Wort für Leben, kombiniert mit Amine, einer chemischen Stoffgruppe von Stickstoffverbindungen. Später kam zwar heraus, dass Amine nicht so viel mit Vitaminen zu tun haben, aber der Name hatte sich bereits durchgesetzt.
Zwei Arten von Vitaminen
Heute kennen wir 13 klassische Vitamine: Vitamin A, Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin B6, Vitamin B12, Folsäure, Biotin, Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E, Vitamin K, Niacin und Pantothensäure. Alle 13 Vitamine sind von Funktion und Aufbau her unterschiedlich. Sie halten unzählige Körperfunktionen am Laufen und sorgen dafür, dass der Stoffwechsel und das Immunsystem funktionieren, dass Blutzellen und Hormone gebildet werden, Zellen sich teilen und die Reizübertragung im Nervensystem klappt. Einige Vitamine, darunter A, C und E, fungieren als eine Art Polizei im Körper. Sie fangen freie Radikale ab - das sind äußerst reaktionsfreudige Substanzen, die im Organismus häufig vorkommen - und unterstützen so den körpereigenen Schutzmechanismus. Mit dem chemischen Steckbrief jedes Vitamins machte sich die Pharmaindustrie daran, sie im Labor nachzubauen. Heute können alle Vitamine industriell hergestellt werden, zum Teil mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen.
Mit den Vitaminen entdeckten die Wissenschaftler eine weitere wichtige Nährstoffgruppe: die Mineralstoffe, die in Mengen- und Spurenelemente unterschieden werden. Der Körper baut sie in Zähn...