Der Automat brummt, langsam füllt der braune Faden die Tasse der Kollegin. Unter ihren Augen dunkle Schatten der vergangenen Nacht: "Wenn ich nicht einschlafe, dann schlafe ich nicht ein", erzählt die 34-Jährige müde in der Verlagsküche. Sie liege dann über Stunden wach und sei am nächsten Tag matt und kaum noch zu gebrauchen. "Es gibt Abende, da merke ich schon an meiner Nervosität vorm Zu-Bett-Gehen: Heute wird's richtig schwer." Etwa einmal in der Woche klappe es einfach nicht. Sie sei ein sensibler Schläfer. In psychisch belastenden Zeiten bekomme sie oft über Wochen kein Auge zu. In der Verzweiflung habe sie auch Tabletten vom Hausarzt probiert: "Das harte Zeug knipst einen richtig weg und man schläft auch durch." Erholend sei dies aber nicht gewesen. Wenn es gar nicht geht, schlucke sie mittlerweile rezeptfreie Doxylamin-Pillen: "Die machen mich wenigstens müde."
Mehr als jeden zweiten Deutschen quälen gelegentlich solche Ein- und Durchschlafprobleme. Das ergibt eine Studie des Robert-Koch-Instituts von 2013, an der 7.988 Erwachsene teilnahmen. An behandlungsbedürftigen Schlafstörungen litten davon 5,7 Prozent; hochgerechnet immerhin 4,6 Millionen Bundesbürger. Fast vier Prozent der befragten Männer und doppelt so viele Frauen erklärten zudem, mindestens einmal im Monat zu verschriebenen oder rezeptfreien Schlafmitteln zu greifen.
Die Pharmaindustrie verdient gut an ihnen. 233 Millionen Euro setzten Apotheken, Drogerien und Supermärkte mit rezeptfreien Präparaten um, errechneten die Marktforscher von Ims Health für das Jahr 2015. Das Gros mit 169 Millionen Euro machen davon pflanzliche Produkte aus. Gängigster Wirkstoff: Baldrian. Ganze 91 Mittel basierend auf der Heilpflanze sind derzeit als Medikament gegen Schlafstörungen zugelassen, erklärte uns das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Erstmals sei Baldrian in dieser Form 1993 bundesweit verkauft worden. Die Wirksamkeit müssen und mussten Hersteller dafür in vielen Fällen nicht mit eigenen wissenschaftlichen Studien untermauern. Für gängige Rezepturen genügt es heute etwa, auf die positive Einschätzung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zu verweisen. Demnach belegt die Studienlage der vergangenen zehn Jahre für bestimmte Baldrianwurzel-Arzneizubereitungen zwar keine objektive Wirksamkeit, aber einen gut bewährten, praktischen Nutzen. Daher sei davon auszugehen, dass sie den Schlaf bei leichten Schlafstörungen verbessern. Die Forschung zu weiteren Baldrianprodukten sei unzureichend. Ihr über 30-jähriger traditioneller Einsatz bezeuge jedoch, dass sie sicher und nützlich seien, so die EMA.
Auch mit chemischen Schlaftabletten macht die Branche Kasse. Der Umsatz mit den sogenannten Antihistaminika betrug im vergangenen Jahr etwa 64 Millionen Euro. Ihre Wirkstoffe Doxylamin und Diphenhydramin vermarktete die Industrie ursprünglich als Allergiemittel. Ab 1978 wurden sie wegen ihrer müde machenden Nebenwirk...