Ein Abstecher zum Lake Naivasha gehört zum Programm vieler Kenia-Reisenden. Mit gut 135 Quadratkilometern ist das Gewässer nicht nur der größte, sondern - auf 1.800 Höhenmetern - auch der höchstgelegene Süßwassersee des ostafrikanischen Landes. Wegen seiner Vielfalt an Wasservögeln und anderem Getier ist das Naturreservat und Unesco-Welterbe ein lohnendes Ziel für Naturfreunde. Auf dem Weg dorthin kommen die Touristen an Siedlungen vorbei und scheinbar endlosen Reihen von Gewächshäusern. Von den 1.900 Hektar, die am See der Blumenzucht dienen, sind laut der Umweltschutzorganisation WWF rund 1.200 mit Plastikfolien abgedeckt. Treibhäuser auf einer Fläche, die fast 30-mal so groß ist wie das Münchner Oktoberfest. Monokultur neben Monokultur. Ohne den massiven Einsatz von Pestiziden ist diese Art der Landwirtschaft kaum möglich.
Fast 40 Prozent aller in Europa verkauften Rosen stammen aus Kenia. Die Gegend um den See ist das Zentrum der Blumenproduktion. Besonders im Winter brummt das Geschäft. Auch vor dem Muttertag kommen die Arbeiter, die Hälfte von ihnen sind Frauen, kaum hinterher mit dem Schneiden, Bündeln und Verpacken. Neben Tourismus und Teeanbau ist die Blumenzucht der drittgrößte Wirtschaftszweig in Kenia. Mehr als 30.000 Menschen arbeiten am See direkt und indirekt für die Blumenindustrie. Insgesamt 90.000 sind es laut Züchtervereinigung Kenya Flower Council (KFC) in ganz Kenia.
Der Kulturgeograf, Filmemacher und Journalist Jonathan Happ sagt deshalb klipp und klar: "Die Blumenindustrie ist ein Geschenk für Kenia." Besonders für Frauen ohne Bildungsabschluss oder Alleinerziehende sei sie häufig die einzige Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Happ kennt die Region durch seine Recherchereisen und hat über den Blumenanbau in Kenia geforscht. Er kennt aber auch die Schattenseiten des Booms. "Viele Pump-Operators und Sprayer klagen über Husten und Atembeschwerden. Sie wissen häufig gar nicht, was sie da eigentlich versprühen", sagt Happ. Die Operatoren mischen die Spritzmittel, die die Sprayer über den Blumen vernebeln.
Der Boden rund um den See ist fruchtbar, er selbst liefert das Süßwasser für die durstigen Stängel: Zwischen sieben und dreizehn Liter benötigt jede Pflanze zu ihren Lebzeiten, hat die niederländische Umweltorganisation Water Footprint Network herausgefunden. Plastikfolien schützen die empfindlichen Rosen. Denn den langen Weg nach Europa treten nur unversehrte, gerade gewachsene Exemplare an. Nach zwei Monaten Wachstum in Kenia donnern sie in Frachtfliegern Richtung Europa. Mit an Bord sind auch die Rückstände der Pflanzenschutzmittel. Dass sich reichlich Substanzen in den Rosen finden, hat ÖKO-TEST zuletzt 2011 gezeigt: In 22 untersuchten Sträußen hatten Labore seinerzeit insgesamt 56 Spritzgifte nachgewiesen, darunter auch solche, die als "wahrscheinlich krebserregend" gelten.
Einen Grenzwert für Pestizide in Schnittblumen gibt es nicht, was nicht bedeutet,...