Lippenpflege mit Glow: Fast alle mit Titandioxid – welche Stoffe noch kritisch sind

Magazin November 2025: Leinöl | Autor: Dimitrij Rudenko/Michelle Sensel/Rebecca Welsch | Kategorie: Kosmetik und Mode | 30.10.2025

Lippenpflegestifte mit Glow im Test: Wir haben 18 Produkte getestet.
Foto: Kotin/Shutterstock

Gepflegte Lippen, die schön schimmern, sind in Sekunden gezaubert – dank Lippenpflegestiften mit Glow. Das Problem daran: Mit vielen schmiert man sich Titandioxid auf die Lippen, teils auch Mineralöl. Nur ein Produkt ist empfehlenswert. 

  • Die schützende Hornhautschicht ist an den Lippen besonders dünn. Deshalb trocknen sie schnell aus. Abhilfe sollen Lippenpflegestifte schaffen.
  • Wir haben 18 Lippenpflegestifte mit Glow in Drogerien, Parfümerien, (Bio-)Supermärkten und online eingekauft, darunter acht zertifizierte Naturkosmetikprodukte. 
  • Die Preisspanne ist groß: Der günstigste Stift im Test kostet 0,69 Euro, der teuerste 14,95 Euro. 
  • Nur eine Lippenpflege ist mit "sehr gut" empfehlenswert. Fünf fallen durch.
  • Wir kritisieren vor allem Titandioxid (TiO₂), die Mineralölbestandteile MOAH und Formaldehyd/-abspalter. 

Kälte und Trockenheit können die Lippen im Herbst und Winter ganz schön strapazieren. Dagegen helfen sollen Lippenpflegestifte, die mit Fetten, Wachsen und Ölen Feuchtigkeit zurückgeben. Mittlerweile gibt es solche pflegenden Produkte auch mit Glanz und Farbe.

Lippenpflegestifte im Test: Wie gut sind dm, Rossmann und Co.?

Grund genug für uns, mal genauer hinzusehen: Wir haben 18 färbende Lippenpflegestifte mit Glow getestet. Das Ergebnis enttäuscht: Nur ein Produkt schafft es auf ein "sehr gut", fünf fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch. Der Rest landet im Mittelfeld.

Warum Titandioxid nicht in Lippenpflege gehört 

Doch was sind die Gründe dafür? Bis auf einen enthalten alle Lippenpflegestifte im Test Titandioxid (TiO₂). Das Farbpigment ist seit Sommer 2022 als Zusatzstoff E171 in Lebensmitteln verboten, weil laut Europäischer Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine erbgutschädigende Wirkung des Stoffes nicht mehr ausgeschlossen werden könne.

Unklar ist hingegen, ob das mineralische Pigment auch genotoxisch wirken kann, wenn es aus Kosmetik wie Lippenpflegestiften verschluckt wird. Der EU-Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) forderte mehr Daten aus experimentellen Studien, um diese Frage beantworten zu können. Diese liegen mittlerweile vor. Eine erneute Sicherheitsbewertung ist geplant

Seit das Verbot in Lebensmitteln beschlossen war, wertet ÖKO-TEST TiO₂ in verschluckbarer Kosmetik ab.

Und wie steht es um andere Farbstoffe in Lippenpflegeprodukten? Die sorgen zwar für schön gefärbte Lippen, haben es teilweise jedoch in sich: Konkret bemängeln wir die Azofarbstoffe Tartrazin und Gelborange S. Gelborange S steht in Verdacht, bei vorbelasteten Personen allergische Reaktionen wie Asthma und Neurodermitis hervorzurufen. Tartrazin kann Hautirritationen hervorrufen.

Formaldehyd und Mineralöl in der Kritik 

Wir kritisieren es auch, wenn ein Lippenpflegestift Formaldehyd/-abspalter enthält. Denn Formaldehyd kann schon in geringen Mengen die Schleimhäute reizen und Allergien auslösen. Ebenso wenig gehören aus unserer Sicht Mineralölbestandteile in Lippenpflege. 

Das von uns beauftragte Labor ist auf aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) gestoßen, zu denen auch krebserregende Substanzen gehören können. Diese stammen vermutlich aus den enthaltenen Paraffinen, also mineralölbasierten Fetten und Wachsen, die die betroffenen Hersteller in ihrer Rezeptur einsetzen.

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Umstrittenes Talkum in einem Lippenpflegestift 

Ein weiterer Kritikpunkt: In der Inhaltsstoffliste eines Produkts steht "Talc". Talkum, das sich hinter der Bezeichnung verbirgt, ist ein Mineral, das als Trenn- oder Füllmittel eingesetzt wird. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat den Stoff im vergangenen Jahr als wahrscheinlich krebserregend für Menschen eingestuft.

Zudem hat der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vorgeschlagen, Talkum als CMR-Stoff der Kategorie 1B (wahrscheinlich krebserregend beim Menschen) einzustufen, was ein Verbot dieses Stoffs in Kosmetika nach sich ziehen würde. Voraussichtlich Ende des Jahres werden die Behörden eine Neueinordnung als krebserregenden Gefahrstoff abstimmen. Wir werten Talkum aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes ab.

Deklaration, hygienische Versiegelung & Co. 

Bei einigen Produkten tragen am Ende gleich mehrere Weitere Mängel zum negativen Gesamturteil bei. Der Hersteller eines Produkts hat uns seine auf dem Produkt allgemein gehaltene "May-contain"-Deklaration auch auf Nachfrage nicht offengelegt, sodass die eingesetzten Farbbestandteile nicht genau ersichtlich werden. Diese Intransparenz werten wir um vier Noten im Testergebnis Weitere Mängel ab.

Zudem kritisieren wir es, wenn die Hersteller Kunststoffverbindungen einsetzen. Diese sind, wenn sie in die Umwelt gelangen, teilweise schwer abbaubar. Außerdem setzen wir eine hygienische Versiegelung voraus, die dafür sorgt, dass man es als Verbraucherin oder Verbraucher sehen würde, wenn jemand den Lippenpflegestift im Laden bereits verwendet hätte.

Auch Umkartons, die kein Glas schützen, werten wir ab, sofern sie nicht so gestaltet sind, dass sie aus unserer Sicht als hygienische Versiegelung für das Produkt dienen. Auch, wenn die Anbieter uns nicht nachwiesen, dass sie mehr als 30 Prozent recyceltes Plastik für ihre Verpackungen einsetzen, gab das Notenabzug.

Tipps: Lippen richtig pflegen

  • Zunge lieber drin lassen: Wenn die Lippen trocken sind, neigt man dazu, regelmäßig mit der Zunge über sie zu fahren. So wird allerdings noch mehr Fett von den Lippen abgetragen, und sie trocknen noch mehr aus. Stattdessen lieber die Zimmerluft ab und zu befeuchten, zum Beispiel mit einer Sprühflasche.

  • Genug trinken: Wie auch für den Rest der Haut ist ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt für die Lippen wichtig. Gegen trockene Lippen hilft es also auch, genug zu trinken.

  • Pflege mit hohem Fettanteil: Lippenpflegestifte haben einen höheren Anteil an Fetten, Ölen oder Wachsen als eine normale Tagescreme. Solche Stifte regelmäßig aufzutragen, kann deshalb vor allem im Winter helfen, die Haut vor Feuchtigkeitsverlust zu bewahren.

  • Bei Allergie lieber ohne Duft: Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) empfiehlt Menschen mit empfindlicher Haut oder Kontaktallergie auf Lippenpflegeprodukte ohne Duftstoffe zu setzen. Allergikerinnen und Allergiker sollten generell die Inhaltsstoffliste auf Allergieauslöser überprüfen – auch bei "Sensitiv"-Produkten, da der Begriff rechtlich nicht geschützt ist.

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 18 Lippenpflegestifte mit Glow in Drogerien, Parfümerien, (Bio-)Supermärkten und online eingekauft, darunter acht zertifizierte Naturkosmetikprodukte. Die Stifte kosteten zwischen 0,69 und 14,95 Euro. Von den Herstellern ließen wir uns die aktuellen Listen der Inhaltsstoffe für den getesteten Farbton zusenden und identifizierten darüber synthetische Polymere, Talkum, Titandioxid und bedenkliche Farbpigmente.

Waren die Farbstoffe Tartrazin und/oder Gelborange S deklariert, ließen wir die Gehalte im Labor überprüfen. Bei Produkten mit Titandioxid ließen wir vom Labor die Verteilung der Partikelgrößen bestimmen und überprüften, ob die Hersteller Nanomaterial auch als solches deklarieren. Zudem führten wir Analysen auf allergene Duftstoffe, Nitromoschus- und polyzyklische Moschusverbindungen sowie Cashmeran, Diethylphthalat und Schwermetalle durch. War das Antioxidans BHT deklariert, prüften wir ob die gemessenen Gehalte gültige Grenzwerte einhalten.

Alle Produkte untersuchte ein Labor auf kritische Formaldehyd/-abspalter; Produkte mit Paraffinen auf Rückstände von Mineralölbestandteilen. Die Verpackungen ließen wir auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen untersuchen. Außerdem forderten wir chargenbezogene Nachweise zum Rezyklatanteil an und überprüften die Verpackungen auf hygienische Versiegelungen. Wir werteten ab, wenn die Produkte zusätzlich in Umkartons verpackt waren, die aus unserer Sicht nicht als hygienische Versiegelung dienen. Auch Umweltauslobungen ohne ausreichende Informationen oder weiterführende Hinweise zu Fundstellen im Netz waren kein Thema. Die Anbieter fragten wir außerdem, ob ihre Produkte vegan sind.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergeben den Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das, "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. MOSH/MOSH-Analoga beinhalten gegebenenfalls auch POSH (Polyolefin Oligomeric Saturated Hydrocarbons), PAO (Poly Alpha Olefins) und MORE (Mineral Oil Refined Products). Die Angabe des Rezyklatanteils versteht sich gegebenenfalls eingedenk eines geringfügigen Anteils an Additiven.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) ein gemessener Gehalt an Formaldehyd/-abspaltern von mehr als 10 mg/kg; b) ein gemessener Gehalt an MOAH von mehr als 10 mg/kg. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) Titandioxid (CI 77891); b) Paraffine, wenn nicht bereits wegen MOAH um vier Noten abgewertet wurde; c) Talkum. Zur Abwertung um eine Note führt: Gelborange S (CI 15985) und/oder Tartrazin (CI 19140).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Anbieter hat Farbbestandteile auch auf Nachfrage nicht aufgeschlüsselt. Zur Abwertung um zwei Noten führen: Silikone, Erdölprodukte und/oder synthetische Polymere als weitere Kunststoffverbindungen. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Umkarton, der kein Glas schützt; c) fehlende Angabe "nano" bei Titandioxid in der Liste der Inhaltsstoffe gemäß EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 und der Empfehlung 2022/C 229/01 der EU-Kommission zur Definition von Nanomaterial, wenn das in den Produkten enthaltene Titandioxid zu mehr als 50 Prozent nanoförmig vorliegt; d) Produkt ist nicht hygienisch versiegelt; e) allergisierender Duftstoff ist nicht deklariert, wurde aber im Labor in Konzentrationen über der Deklarationsgrenze von 10 mg/kg nachgewiesen; f) ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ausreichend" oder "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (von den Herstellern versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.

Testmethoden

Diethylphthalat/Polyzyklische Moschus- und Nitromoschus-Verbindungen/Cashmeran: Extraktion mit TBME, GC-MS. 
Deklarationspflichtige Duftstoffe: DIN EN 16274:2021-11 (mod.), GC-MS. Analyse auf Amyl cinnamal, Amylcinnamylalkohol, Benzylalkohol, Benzylsalicylat, Cinnamyl alkohol, Cinnamal, Citral, Cumarin, Eugenol, Geraniol, Hydroxycitronellal, Hydroxyisohexyl 3-Cyclohexene Carboxaldehyde, Isoeugenol, Anise Alcohol, Benzylbenzoat, Benzylcinnamat, Citronellol, Farnesol, Hexyl Cinnamal, Butylphenyl Methylpropional, Limonen, Linalool, Methyl 2-Octynoate, Alpha-Isomethyl Ionon. 
Formaldehyd/-abspalter: saure Wasserdampfdestillation, Derivatisierung mit Acetylaceton, Ausschütteln mit n-Butanol und Bestimmung mittels Fotometrie. 
Paraffine: LC-CG/FID. 
Aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH): LC-GC/FID. 
Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Bestimmung mittels ICP-MS.
Nanomaterial: Untersuchung auf Titandioxid-Partikel mittels ISO/TS 19590:2019 nach Herstellung einer Dispersion mittels Ultraschall VialTweeter. 
BHT: GC/MS.
Tartrazin/Gelborange S: HPLC-DAD.
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse. 
Weitere Inhaltsstoffe: per Deklaration.  

Einkauf der Testprodukte: Juni bis Juli 2025

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