Wer Urlaub abseits der großen Metropolen bevorzugt, dem sei eine Reise mit der Bahn wärmstens empfohlen. Vom Fenster aus lässt sich die Natur bewundern und an den Haltestellen kann man sich die Beine mit einem kleinen Städtetrip oder einer Wanderung vertreten. Wir haben eine Auswahl an spannenden Bahnreisen zusammengestellt.
Großbritannien: Reisen wie Harry Potter
Die West Highland Line wird immer wieder zur schönsten Bahnstrecke der Welt gewählt; die einsamste und wildromantischste ist sie allemal. Die Strecke führt von Glasgow Central nach Mallaig mitten durch die rauen schottischen Highlands mit ihren wilden Moorlandschaften wie dem gewaltigen, unberührten Rannoch Moor und der Corrour Station, mit 408 Metern die höchste und abgelegenste Bahnstation Großbritanniens.
Weiter geht es vorbei am größten See Großbritanniens, Loch Lomond, und dem größten Berg der Insel, dem Ben Nevis. Kurz vor dem Ziel an der zerklüfteten schottischen Westküste umfährt die Bahn das 100-Einwohner-Dorf Glenfinnan und nimmt dabei die Route über das gleichnamige Viadukt, jene Brücke, über die Harry Potter in den Romanverfilmungen mit dem Hogwarts-Express zu seiner Zauberschule reist. Für Potter-Fans ist der Blick auf das Glenfinnan-Viadukt und seine Überquerung ein Höhepunkt, selbst wenn man "nur" im regulären ScotRail-Zug sitzt.
Neben den ScotRail-Zügen verkehrt im Sommerhalbjahr auch der Jacobite Steam Train zwischen Fort William und Mallaig, betrieben von West Coast Railways, und überquert dabei das Glenfinnan-Viadukt. Genau dieser dampfgetriebene Zug hat als "Hogwarts-Express" Filmgeschichte geschrieben.
Wer in Richtung Mallaig fährt, wählt die linke Seite des Zuges für den besten Blick auf das 380 Meter lange Viadukt. In Mallaig laden gemütliche Pubs zur Einkehr ein. Die Fahrt von Glasgow nach Mallaig dauert fünfeinhalb Stunden, aber es lohnt sich, Zeit mitzubringen und unterwegs Stopps für Wanderungen in den Highlands einzulegen.
Infos: Die West Highland Line ist kein Touristenzug, sondern verkehrt im Regelbetrieb das ganze Jahr über bis zu dreimal täglich zwischen Glasgow und Mallaig. Der Standard-Einzelfahrschein kostet für die einfache Strecke 59 Euro (50,90 GBP). Es gibt Rückfahrkarten und etliche Tarifarten; frühzeitig buchen ist günstig. Tickets vor Ort an den Bahnhöfen, auf der ScotRail App und online: scotrail.co.uk

Zugreisen durch Europa: Mit der Bahn durch die Provence
Seit 1911 fährt der Train des Pignes, der Pinienzapfenzug, zwischen Nizza und Digne-les-Bains durch die Provence. Für die 150 Kilometer lange Strecke über zahlreiche Brücken und durch 25 Tunnel braucht der Zug mehr als drei Stunden, sodass die Fahrgäste genug Zeit haben, die Landschaft mit Pinienwäldern, Olivenhainen, Weinbergen und Lavendelfeldern auf sich wirken zu lassen.
Aus- und zusteigen kann man an 20 Stationen, besonders lohnt sich ein Zwischenstopp im mittelalterlichen Festungsstädtchen Entrevaux mit engen Gassen, Torbögen und Zugbrücke über den Fluss sowie im Kletter- und Wanderparadies von Annot mit riesigen Sandsteinfelsen samt Höhlen, Grotten und Labyrinthen. Digne-les-Bains, der Endpunkt der Strecke, lockt mit einem historischen Zentrum und mit dem Lavendelfest im August.
Der Name der Strecke kommt angeblich daher, dass noch vor Jahrzehnten kleine Dampfloks die Steigungen im Hinterland so langsam hinaufkrochen, dass die Passagiere unterwegs aussteigen und Pinienzapfen sammeln konnten.
Infos: Der Zug zwischen Nizza und Digne-les-Bains verkehrt ganzjährig bis zu viermal am Tag. Zusätzlich fährt von Mai bis Oktober an allen Sonntagen (im August auch donnerstags und freitags) ein historischer Dampfzug – Train des Pignes à vapeur – zwischen Puget-Théniers und Annot, für den man eine Reservierung braucht.
Die Einzelfahrt für die ganze Strecke Nizza–Digne-les-Bains kostet 24 Euro. Hin- und Rückfahrt mit dem historischen Dampfzug auf der Strecke Puget–Théniers–Annot kostet 20 Euro. Tickets kann man vor Ort an den Bahnhöfen der Chemins de Fer de Provence kaufen und online über die Webseite.
Mehr Informationen: traindespignes.fr, verdontourisme.com

Norwegen: Vom Fjord auf den Berg
Die Bahnstrecke ist nur 20 Kilometer lang, aber die sind die ganze Anreise wert. Die Flåmsbana schlängelt sich durch das Hinterland von Norwegen, passiert dabei Schluchten, Wasserfälle und Berggipfel – und wurde vom Reiseführer Lonely Planet zur schönsten Bahnstrecke der Welt gekürt. Während der einstündigen Fahrt legt sie eine Höhendifferenz von fast 900 Metern zurück, eine der steilsten existierenden Normalspurstrecken.
Das namensgebende Dörfchen Flåm liegt am innersten Ende des Aurlandsfjords, ein Seitenarm des Sognefjords, der längste (205 Kilometer) und tiefste (1.303 Meter) Fjord Europas. Von hier geht es hinauf zum Bahnhof Myrdal auf 867 Metern und wieder zurück. Am sagenumwobenen Wasserfall Kjosfossen hält der Zug und lässt die Reisenden für einen Fotostopp aussteigen.
Das Eisenbahnmuseum "Flåmsbanmuseet" am Bahnhof von Flåm informiert über die Entstehung der Flåmsbahn, und das nahe Freilichtmuseum Otternes zeigt das Leben im 18. Jahrhundert. Der Bau der 20 Kilometer langen Strecke der Flåmsbahn dauerte 17 Jahre. Die meisten der 20 Tunnel wurden in Handarbeit durch das Gestein getrieben; in einem Monat schafften die Arbeiter einen Meter Tunnelstrecke.
Infos: Die Flåmsbahn fährt das ganze Jahr über, im Sommer acht- bis zehnmal am Tag, im Winter mit zwei bis vier Abfahrten in jede Richtung. Ab Myrdal gibt es Anschlüsse an die Bergenbahn (Oslo–Bergen). Damit ist die Flåmsbana nicht nur eine Touristenbahn, sondern auch eine ganzjährige Verbindung für den Ort Flåm. Die einfache Fahrt Myrdal–Flåm kostet 34 Euro (399 NOK).
Tickets für beide Strecken können bis zu 120 Tagen vor der Reise gebucht werden und kosten 36 Euro (420 NOK). Wer mag, bestellt sich am Vortag online ein Lunchpaket, das man im Café Rallaren abholt. Das Café liegt an der Bahnstation Myrdal. Hier gibt es kein Dorf, nur den Bahnsteig, einige wenige Häuser, keine Straße und wilde Natur ringsum. Das Café bietet Speisen, Getränke und Souvenirs sowie ganzjährig einen Warteraum und Toiletten.
Mehr Informationen: en.caferallaren.no, en.flamsbana.no

Zugreisen durch Europa: Im Bummelzug durch Schweden
Hier ist der Weg das Ziel: Die Inlandsbanan ist ein touristischer Bummelzug, der für die 1.400 Kilometer von Kristinehamn am Nordostufer des Vänernsees bis nach Gällivare in Lappland zwei Tage braucht, unterwegs an jeder noch so kleinen Sehenswürdigkeit anhält und tolle Erlebnisse auf der Strecke bietet. Die Bahn wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut, um das schwedische Hinterland zu erschließen.
Am ersten Tag geht die Fahrt bis Östersund, das etwa in der Mitte von Schweden liegt. Hier übernachtet der Zug und mit ihm auch alle Fahrgäste. Am nächsten Tag geht es nordwärts weiter durch endlose Wälder und Lapplands Tundra über den Polarkreis bis zur Endstation nach Gällivare. Unterwegs kann man beliebig zu- und aussteigen und die Natur genießen.
Beispiel: Nahe der Haltestelle Sorsele, dem Tor zum größten Naturreservat Schwedens, Vindelfjälle, finden Naturbegeisterte hohe Berge, dichte Birkenwälder und Moore sowie Flüsse und Seen ohne Ende. Vor größeren Stopps wird gefragt, ob jemand Hunger hat, dann bestellt man "bei der Oma" belegte Brote, die hier Smörgåsar heißen und reichlich mit Köttbullar, Leberwurst, Lachs, Hering, Crevetten oder Eiern belegt sind; auch vegetarische Varianten kann man bestellen. Die Köstlichkeiten warten vor Ort an einer Picknick-Station.
Der Zug hält auch regelmäßig an kleinen Cafés zum Fika (der schwedische Brauch einer geselligen Kaffeepause) und bei Restaurants, sodass man auch eine kulinarische Entdeckungsreise macht.
Infos: Infos und Anekdoten gibt es während der Fahrt über Lautsprecher auf Schwedisch und Englisch. Außerdem stehen die Zugbegleiter für Fragen und Tipps zur Verfügung. Die Übernachtung in Östersund sollte man vorab buchen, besonders zum Stadtfest Storsjöyran, das Ende Juli stattfindet.
Bahntickets: Die Inlandsbanekort ist zwei Wochen für unbegrenzt viele Fahrten gültig und kostet 233 Euro (2.545 SEK). Zwei Kinder bis 16 Jahre reisen in Begleitung eines Erwachsenen kostenlos. Man kann auch Teilabschnitte buchen. Tickets: res.inlandsbanan.se/en/book/inlandsbanan-card
Mehr Informationen: res.inlandsbanan.se/en

Schweiz: Bahnreise mit dem Bernina Express
Über kühne Viadukte und durch Kehrtunnels windet sich der Bernina Express binnen gut vier Stunden zwischen dem schweizerischen Chur über die Alpen bis ins italienische Tirano und erreicht dabei abenteuerliche Höhen – eine Bahnstrecke, die so spektakulär ist, dass sie Unesco-Welterbe wurde.
Die enormen Höhenunterschiede auf kurzer Distanz (von Chur auf 584 m bis zum Berninapass auf 2.253 m und wieder hinunter nach Tirano auf 429 m) überwindet sie ganz ohne Zahnradantrieb, sondern nur durch eine clever geführte Trassierung mit Kehrtunnels, Viadukten und Schleifen. Auf dieser höchsten Bahnstrecke über die Alpen fährt der Zug über 196 Brücken, durch 55 Tunnel, manche davon spiralförmig, und bewältigt Steigungen von bis zu sieben Prozent – eine der steilsten Eisenbahnstrecken der Welt. Gletscher, schneebedeckte Berge, tiefe Täler und unzählige Bergseen säumen die Strecke, auf den letzten Kilometern kommen Palmen ins Bild.
Infos: Der Bernina Express fährt die Strecke Chur–Tirano das ganze Jahr über einmal täglich in jede Richtung, in der Hauptsaison wird die Strecke zweimal täglich bedient. Die einfache Fahrt kostet in der 2. Klasse 71 Euro (66 CHF), in der 1. Klasse 121 Euro (113 SCF). Die obligatorische Sitzplatzreservierung kostet derzeit 39 Euro (36 CHF), im Jahr 2026 wird sie 47 Euro (44 CHF) kosten.
Für die besten Ausblicke auf Gletscher, Seen und das Kreisviadukt empfiehlt sich in Fahrtrichtung Tirano die rechte, in Gegenrichtung die linke Seite des Zuges. Alle Wagen bieten große, bis zum Dach reichende Panoramafenster. Hauptunterschied zwischen beiden Klassen ist die Anzahl der Sitze und damit der Fensterplätze: 58 Sitze in der 1. Klasse und 180 Plätze in der 2. Klasse, in der Sommersaison oft weit mehr.
Mehr Informationen: myswissalps.com/de/ausflug/bernina-express








