Hundetrainer Martin Rütter: "Das gefährlichste Spielzeug ist das Stöckchen"

Magazin Januar 2024: Gesichtscremes | Autor: Marieke Mariani | Kategorie: Freizeit und Technik | 18.01.2024

Hundetrainer Martin Rütter: "Das gefährlichste Spielzeug ist das Stöckchen"
Foto: AlexStiebritz

Martin Rütter, Deutschlands wohl berühmtester Hundeflüsterer, ist vor allem durch seine TV-Dokus rund um die Erziehung der Vierbeiner bekannt. Wenn es um Hundespielzeug geht, hat er eine eindeutige Meinung. Und er sagt: Über den Besuch einer Hundeschule sollte nicht das Ego-Prinzip der Halter entscheiden. Wir haben ihm acht Fragen gestellt.

  • Hundespielzeuge sind laut dem Hundetrainer Martin Rütter ein wichtiges Mittel um den Hund körperlich und geistig auszulasten.
  • Vom klassischen Stöckchen rät er allerdings ab.
  • Aber: Hunde sollten auch nicht dauerbespaßt werden. 

Martin Rütter, 53, studierte Tierpsychologie in der Schweiz und arbeitete mit Wölfen und Wildhunden. 1995 eröffnete er seine erste Hundeschule und entwickelte die einfühlsame Hundeerziehungsmethode DOGS (Dog Orientated Guiding System), nach der inzwischen 140 Hundeschulen arbeiten. Zurzeit ist der Hundeprofi mit seinem Programm "Der will doch nur spielen" auf Tour.

Hunde brauchen geistige Auslastung

ÖKO-TEST: Woran merke ich, dass meinem Hund langweilig ist?

Martin Rütter: Dafür gibt es verschiedene Anzeichen. Zum Beispiel, wenn der Hund seinen Menschen anstupst. Oder wenn er anfängt, Dinge zu stibitzen oder einfach sein eigenes Ding macht. Deswegen erkläre ich den Menschen immer, dass ein monotoner Spaziergang, bei dem nichts wirklich Spannendes passiert, für viele Hunde einfach sehr langweilig ist.

Der Hund denkt sich: Hier ist ja gar nichts los, mir ist langweilig, dann mache ich es mir mal selber nett. Deswegen sollte der Mensch seinem Hund beim Spaziergang, aber auch daheim etwas Spannendes bieten. Denn Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung. Dann wird ihnen auch nicht so schnell langweilig.

Wie beschäftige ich meinen Hund beim Gassigehen und zu Hause denn am besten?

Rütter: Such­ oder Apportierspiele mit dem Lieblingsspielzeug des Hundes sind schöne Beispiele für Beschäftigungsformen, die man gleichermaßen zu Hause, als auch unterwegs ins Training oder einfach in den Alltag integrieren kann.

Grundsätzlich ist bei der Beschäftigung alles erlaubt, was Mensch und Hund Spaß macht. Wenn der Hund zum Beispiel gerne die Nase einsetzt und ständig irgendwelchen Gerüchen "auf der Spur" ist, kann man gezielt etwas verstecken, das der Hund dann suchen muss. Dabei ist es egal, ob es sich bei der versteckten Beute um Futter oder um ein Spielzeug handelt.

Befüllbare Futterspielzeuge lasten Hunde geistig aus, weil sie sich das Futter erarbeiten müssen.
Befüllbare Futterspielzeuge lasten Hunde geistig aus, weil sie sich das Futter erarbeiten müssen. (Foto: nataliajakubcova/Shutterstock )

Darum ist das Stöckchen das gefährlichste Spielzeug

Welche Hundespielzeuge sind sinnvoll, welche unnötig oder sogar gefährlich?

Rütter: Das gefährlichste und gleichzeitig leider wahrscheinlich am weitesten verbreitete Spielzeug schlechthin ist das Stöckchen. Ich habe es schon oft erlebt, dass die Vierbeiner kleine Holzstückchen abkauen und dann Splitter im Hals hängen haben oder aber – noch viel schlimmer – dass sie sich den Stock beim Aufschnappen in den Hals rammen.

Auf Stöckchenwürfe sollte man also unbedingt verzichten, weil sie zu sehr schlimmen Verletzungen führen können. Der sinnvolle Ersatz hierfür sind biegsame, flexible Stöcke aus robustem und lebensmittelechtem TPE, die der Hund gefahrlos tragen, fangen und apportieren kann. Sie lassen sich weit werfen und sind auch für Spiele im und am Wasser geeignet, weil sie in der Regel schwimmfähig sind.

Wovon ich auch noch ein großer Fan bin, sind befüllbare Futterbälle. Sie sind ideal für die geistige Forderung des Hundes, da er sich die Belohnung durch Bewegung des Balls erarbeiten muss. Und was ich auch noch ganz klar empfehlen kann sind Reizangeln, zumindest für die Hunde, die gern hetzen und Beute nachjagen.

Stichwort Zähne: Sind Kauspielzeuge zur Gebisspflege ratsam?

Rütter: Sie können ratsam sein. Ich empfehle hier gerne die nicht splitternden Wurzeln aus der Baumheide, der Erika. Durch das Kauen hierauf wird zum Beispiel Zahnstein gelöst, sodass sie eine natürliche Hilfe bei der Zahnpflege des Hundes ist.

Kauspielzeuge können eine vernünftige Zahnpflege aber nie ersetzen, nur ergänzen. So gehören regelmäßige Gebisskontrollen und Checks beim Tierarzt genauso dazu, wie regelmäßiges Zähneputzen, an das man den Hund am besten bereits von Welpe an in kleinen Schritten gewöhnt.

Welche Ansprüche haben unterschiedliche Rassen ans Spielen – wie wollen sie gefordert werden?

Rütter: Welche Vorlieben ein Hund hat, hängt zum einen von seiner Veranlagung, seinen Genen und damit natürlich von seiner Rassezugehörigkeit ab. Denn bei der Zucht wurden durch gezielte Selektion auf bestimmte Eigenschaften Verhaltensmerkmale ausgeprägt. Der Apportierhund, der das erlegte Wild zum Jäger bringen soll, wird daher in der Regel großes Interesse an Beutespielen haben. Der Nordische Hund, der über weite Strecken laufen soll, hat dagegen zum Beispiel eher Spaß an ausdauernden Bewegungsspielen.

Weiterhin spielen aber auch Erfahrungswerte eine Rolle. Veranlagungen müssen gefördert werden, damit sie sich entwickeln. Ein Hund, der beispielsweise nie gelernt hat, seine Nase einzusetzen, wird anfangs vom Fährtentraining, also dem Verfolgen einer Spur, nicht so begeistert sein, da er noch gar nicht versteht, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Erst nach einigen Wiederholungen zeigt sich dann, inwieweit tatsächlich eine Motivation zur Nasenarbeit vorhanden ist oder aber nicht. Es macht also total Sinn, herauszufinden, welche Vorlieben ein Hund bereits durch seine Veranlagung mitbringt.

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Hunde müssen gesellschaftstauglich gemacht werden

Wie sinnvoll ist es, beim Spielen Leckerlis zu füttern?

Rütter: Total sinnvoll, allerdings kommt es auch hier auf das Timing an. Leckerlis sollte man natürlich nicht wahllos verfüttern, sondern gezielt im Training einsetzen. Für die Belohnung beispielsweise. Ganz grundsätzlich ist Belohnung an den richtigen Stellen ein ganz wichtiges Thema in der Hundeerziehung.

Womit man einen Hund belohnt, hängt stark davon ab, was ihn motiviert. Denn nicht für jeden Vierbeiner ist ein Leckerli das Größte. Manche Hunde finden zum Beispiel das Apportieren an sich bereits so toll, dass es für sie schon eine Belohnung ist, noch einmal den geliebten Ball apportieren zu dürfen. Andere Hunde sind einfach froh darüber, wenn der Mensch selbst sich freut. Sie arbeiten gerne mit dem Menschen zusammen und so reicht ihnen ein Lob wie ein Streicheln oder ein nettes Wort.

Sollte jeder Hund eine Hundeschule besuchen?

Rütter: Ob ein Hund in die Hundeschule sollte, entscheiden viele leider nur nach dem Ego-­Prinzip: "Wie sehr nervt mich diese Symptomatik?" Das macht mich wütend. Grundsätzlich finde ich, dass man als Hundehalter die Pflicht hat, den Hund gesellschaftstauglich zu machen. Wenn ich meinen Hund zum Beispiel ableine, muss ich ziemlich sicher sein, dass er kommt, wenn ich ihn rufe.

Wichtig ist aber auch, dass der Hund lernt: "Ich bin jetzt nicht dran." Frustrationstoleranz ist sowieso ganz wichtig bei Hunden. Viele Menschen machen den Fehler, ihre Hunde permanent zu bespaßen. So ein Hund kann es nicht ertragen, wenn er mal Pause hat. Und außerdem finde ich es wichtig, dass sich ein Hund Menschen gegenüber nicht aggressiv verhält, dass er nicht losrennt und auf Leute losgeht. Die Hilfe eines Profis kann dabei sicherlich nicht schaden.

Sollten Spiel und Training besser getrennt oder kombiniert werden?

Rütter: Ich bin da ganz klar für eine Kombination, die mit der eben beschriebenen Belohnung an den richtigen Stellen einhergeht.

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