Seit Fruchtsafthersteller Eckes Ende der 1970er-Jahre mit Dr. Koch's Trink 10 erstmals einen Multivitaminsaft auf den Markt brachte, hat sich an deren Rezeptur kaum etwas geändert. Noch immer kombinieren die Hersteller Fruchtsäfte und zugesetzte Vitamine. Die Grundlage bilden meist Apfel-, Orangen- und Birnensaft. Typisch exotisch schmeckt der Saft jedoch erst durch Früchte wie Maracuja, Mango, Ananas oder Guave. Das grelle Orange mancher Säfte ist dagegen eher ein Resultat der Vitaminmischung.
Multivitaminsäfte im Test: Fruchsaft stammt meist aus Konzentrat
Der industrielle Charakter der Produkte offenbart sich auch beim Blick auf die Zutatenliste: Denn meist ist kein direkt gepresster Saft in der Flasche, sondern Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat. Konzentrat entsteht, wenn rohem Fruchtsaft ein Teil des enthaltenen Wassers entzogen wird. Dabei gehen Aromen verloren, die aufgefangen und dem Konzentrat bei der Aufbereitung zu Saft wieder zugefügt werden.
Wer jetzt allerdings glaubt, das Aroma der Früchte stammt auch aus genau jenem Konzentrat, der irrt. Denn die Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung schreibt nicht vor, genau die Aromen der Früchte zu verwenden, aus denen das Ganze einmal entstanden ist. Es müssen lediglich Aromen "derselben Fruchtart" zugefügt werden.
Das freut die Fruchtsaftindustrie, denn so ist es möglich, unterschiedliche Rohstoffqualitäten durch den Zukauf passender Fruchtaromen aus aller Herren Länder auszugleichen und die Getränke mit einem gleichmäßigen Geschmacksprofil auszustatten. Von einem ursprünglichen Saft kann man nach diesem künstlichen Aufmotzen allerdings kaum noch sprechen.
In Deutschland herrscht kein Vitaminmangel
Einmal abgesehen vom Geschmack: Echte Multifans interessieren sich natürlich vor allem für die Vitamine. Hersteller preisen ihre Produkte denn auch als "Vitaminfrühstück" an oder schreiben in großen Lettern "vitaminreich" auf die Flasche. Zugesetzt wird in der Regel eine Vitaminmischung aus bis zu zwölf Komponenten. Wie viel genau enthalten ist, besagt das Etikett. Dort erfährt man beispielsweise auch, dass schon 100 Milliliter Saft genügen, um 50 Prozent des Tagesbedarfs an wichtigen Vitaminen zu decken. Für viele Verbraucher hört sich das verlockend an. Die Verunsicherung ist groß, und nicht wenige fragen sich, ob normale Lebensmittel wirklich genügend Vitamine liefern.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat auf diese Frage eine klare Antwort: Deutschland ist kein Vitaminmangelland. "Die überwiegende Zahl der Menschen hierzulande ist ausreichend mit Vitaminen versorgt", sagt DGE-Präsident Professor Dr. Helmut Heseker. Zudem hätten Studien bislang nicht belegt, dass zusätzliche Vitamingaben Ernährungsfehler ausgleichen können. Mehr noch: "Dem fehlenden Nutzen steht das Gesundheitsrisiko durch zu hohe Zufuhrmengen gegenüber, insbesondere dann, wenn hoch dosierte Vitaminpräparate über eine längere Zeit eingenommen und zusätzlich angereicherte Lebensmittel verzehrt werden", so Heseker.
Betacarotin gehört nicht in Multivitaminsäfte
Für Aufsehen sorgten in den 90er-Jahren insbesondere Studien mit Betacarotin, einer Vorstufe von Vitamin A. Damals war Betacarotin als sogenanntes Rauchervitamin zum Schutz vor Lungenkrebs bei Rauchern propagiert worden. Zwei klinische Prüfungen zeigten jedoch das Gegenteil: Raucher, die Betacarotin einnahmen, erkrankten deutlich häufiger an Lungenkrebs als Studienteilnehmer, denen ein Scheinmedikament verabreicht wurde. Unklar ist, ob eine erhöhte Zufuhr auch Nichtrauchern gefährlich werden kann.
Angesichts zahlreicher weiterer Wissenslücken und aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu Vorsicht im Umgang mit Betacarotin. Lebensmittel zum Beispiel sollten gar nicht damit angereichert werden.
Wir haben elf Produkte genauer in Augenschein genommen, darunter vier Bio-Multisäfte. Die Vitamingehalte prüften wir anhand der Packungsangaben. Im Labor wurde das Aroma unter die Lupe genommen.
So schneiden die Multivitaminsäfte im Test ab
Noch immer ist viel zu häufig isoliertes Betacarotin enthalten. Aber auch überhöhte Gehalte anderer Vitamine sowie den Zusatz von Vitaminen, die gar nicht aus den verwendeten Zutaten stammen können, sehen wir kritisch. Ein Lichtblick sind die "sehr guten" Bio-Säfte, da sie ohne künstliche Vitamine auskommen. Was nicht bedeutet, dass sie kaum Vitamine enthalten – aber eben weniger und aus natürlicher Quelle.
Schlimm genug, dass überhaupt noch immer Betacarotin zugesetzt wird – auch die Mengen sind erheblich. So liefern einzelne Produkte bis 4,5 Milligramm pro 250-Milliliter-Glas. Das ist mehr als das Doppelte der Tagesdosis, die das BfR für Nahrungsergänzungsmittel höchstens empfiehlt.
Wer glaubt, die Vitamine in Multivitaminsaft kämen aus den verarbeiteten Früchten oder würden zugesetzt, um herstellungsbedingte Verluste auszugleichen, der irrt. So kommt beispielsweise Vitamin B 12, das in allen angereicherten Testprodukten steckt, normalerweise nur in tierischen oder fermentierten Lebensmitteln vor. Auch Vitamin E und Biotin – beide ebenfalls in allen angereicherten Produkten vertreten – sind wenig fruchttypisch.
Wir überprüften die deklarierten Vitamingehalte anhand von Vorschlägen des BfR für Höchstmengen zur Anreicherung von Lebensmitteln bezogen auf eine Tagesportion. Dabei können die deklarierten Vitamine zu einem gewissen Teil aus den Früchten stammen. Danach enthalten zwei Produkte pro 250-Milliliter-Glas mehr Vitamine, als laut BfR zugesetzt werden sollten. In einem Saft gilt dies sogar für das fettlösliche Vitamin K, das sich im Körper anreichern kann.
Meist ist kein direkt gepresster Saft in der Flasche, sondern Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat. Teilweise wurden die Fruchtaromen nicht ausreichend wiederhergestellt. Sie verfügen somit nicht über das Aromenprofil, das man von den deklarierten Zutaten erwarten würde. Ein Hersteller nutzt dabei ein Schlupfloch und bezeichnet ihren Multivitaminsaft als "konzentrierten Mehrfruchtsaft", der per Gesetz nicht rearomatisiert werden muss. Wir werten trotzdem ab, da sich das Produkt "100 % Saft" nennt und unseres Erachtens dann auch die Anforderungen für Fruchtsaft erfüllen sollte.
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