Tapetenkleister im Test: Wer gut klebt und was es auszusetzen gibt

Ratgeber Bauen und Wohnen 2014 mit CD | Autor: Anna Mai | Kategorie: Bauen und Wohnen | 09.05.2014

Welcher Tapetenkleister klebt gut und ist gesundheitlich unbedenklich?
Foto: FotoDuets/Shutterstock

Auch Tapezieren will gelernt sein. Für tatkräftige Heimwerker haben wir Tapetenkleister auf problematische Inhaltsstoffe und ihre praktischen Eigenschaften untersuchen lassen. Das Ergebnis: Sie kleben gut, aber es gibt auch einiges auszusetzen.

Endlich ist der Mietvertrag unterschrieben. Eine bezahlbare Altbauwohnung, das war der Traum von Lena und Patrick. Dass sie renovierungsbedürftig ist, nehmen sie gerne in Kauf. Verschlissene Blümchentapeten an den Wänden, ein in die Jahre gekommener Teppichboden ... Das junge Paar ist froh, dass sie die erste gemeinsame Wohnung nach ihren Wünschen gestalten können. Doch ganz so einfach ist es für die Do-it-yourselfer dann doch nicht.

Universalkleister für Raufasertapete im Test

Schnell tut sich die erste Hürde auf: Die alten Tapeten gehen schwer runter, das treibt sie fast zum Wahnsinn. Und dann bröckelt da noch an einigen Stellen der Putz. Zum Glück ist Papa erreichbar, mit jahrzehntelanger Erfahrung als Heimwerker, der Bescheid weiß: Der Untergrund muss glatt sein, bevor sie mit dem Tapezieren loslegen können, also müssen alle Löcher geschlossen und die Unebenheiten glatt gespachtelt werden.

Die Wahl fällt auf Raufaser, die ist preiswert und praktisch. Über Farben kann man später noch entscheiden. Patrick fährt nach der Arbeit in den Baumarkt. Zusammen mit anderen Hobbyhandwerkern hastet er an endlosen Regalfluchten vorbei auf der Suche nach Tapeten, Kleister, Tapezierbürste und den anderen notwendigen Utensilien. Das kostet Zeit, da er sich nicht auskennt.

Endlich: das Kleisterregal. Er greift hastig ein Markenprodukt, ein Universalkleister - da kann eigentlich nichts schiefgehen. Auf jeden Fall ist der Kleister für Raufaser geeignet, das ist die Hauptsache. Uff, die zweite Hürde ist genommen.

Das kann beim Tapezieren schief gehen

Die nächste folgt: Zu Hause angekommen, prüft Lena die Einkäufe und liest die Anleitung: Stark saugende Untergründe mit Tiefengrund vorbereiten oder vorkleistern? Die Fragezeichen auf Patricks Gesicht sprechen Bände. Soll er am nächsten Morgen noch mal zum Baumarkt fahren und eine Grundierung besorgen? Aber die muss trocknen, sagt ihm der gesunde Menschenverstand.

Dann müssten sie das Tapezieren noch einmal verschieben. Das wirft den ganzen Zeitplan durcheinander. Also entscheiden sich die beiden ganz pragmatisch, die Wand vorzukleistern. Die Menge an Kleister müsste dafür ja wohl reichen.

Am nächsten Morgen geht's los: Tapeziertisch aufgebaut, alle Hilfsmittel bereitgelegt. Nun kann der Kleister angerührt werden, in zwei Eimern, denn der Kleister für das Vorkleistern muss stärker verdünnt werden. Patrick, der schnell zur Sache kommen will, kippt den Inhalt der Schachtel in einem Rutsch in den ersten Eimer Wasser. Er rührt. Doch die Klumpen, die sich gebildet haben, lösen sich nicht auf.

An der vierten Hürde wäre das Projekt fast gescheitert. Durch den erneuten Notruf an Papa kann es jedoch erfolgreich fortgesetzt werden: Er kommt und hilft den beiden. Neuer Kleister muss angerührt und der misslungene Versuch in einem Behältnis im Hausmüll entsorgt werden. So einfach, wie manche glauben, ist Tapezieren also nicht.

Damit Sie nicht wahllos einen Tapetenkleister aus dem Regal greifen, hat ÖKO-TEST zwölf verschiedene, für Raufaser geeignete Produkte eingekauft und einem Praxistest unterzogen. Und wir wollten auch wissen, ob neben den üblichen Klebestoffen - Zellulose und Stärke - auch problematische Stoffe eingesetzt werden.

Das Testergebnis: So schneiden die Tapetenkleister im Test ab

Unterm Strich sind die meisten Tapetenkleister in Ordnung. Vier schneiden sogar mit "sehr gut" ab - weder am Kleister selbst noch an der Deklaration ist hier groß etwas auszusetzen.

In vielen Tapetenkleistern konnten unsere beauftragten Labore Konservierungsmittel/Fungizide nachweisen. Eingesetzt werden beispielsweise quartäre Ammoniumverbindungen, die Haut und Schleimhäute reizen und die Augen schädigen können. Wenn die Haut nicht ganz intakt ist, können die Substanzen auch in den Körper gelangen und möglicherweise weiteren Schaden anrichten.

Auch die nachgewiesenen Glykole, meist 2-Phenoxyethanol, haben eine leichte biozide Wirkung. Laut Aussagen einiger Hersteller sind damit Vorprodukte wie das eingesetzte Kunstharz konserviert. Andere Hersteller setzen den Stoff primär als Lösungsvermittler und Filmbildungshilfsmittel ein.

In etlichen Produkten wurden Isothiazolinone als Konservierungsmittel gefunden, die ein geringeres sensibilisierendes Potenzial als die chlorierten Verbindungen aus dieser Gruppe haben, weshalb wir sie nicht abwerten.


Praxistest: Wie gut kleben die Tapeten mit Tapetenkleister?

Unsere Praxistester waren mit den Klebeeigenschaften der untersuchten Produkte vollauf zufrieden. Allen Produkten wurde "sehr gutes" Kleben attestiert. Dennoch hatten sie am Kleister einiges auszusetzen.

Schwierig zu verarbeiten war das einzige Granulat im Test. Es ließ sich schwer anrühren, war sehr zäh und schlecht zu verteilen. Wie der Hersteller mitteilte, bestehe der Vorteil gegenüber Pulver darin, dass das Granulat quasi staubfrei sei und sich die Inhaltsstoffe nicht wie bei den pulvrigen Kleistern entmischen könnten, sondern stabil blieben - das sei vor allem für Profis ein Plus. Auch bei einigen anderen Kleistern war die Konsistenz nicht ganz optimal, dann aber eher zu dünn.

Nur auf wenigen Packungen finden sich Angaben, wie lange der angerührte Kleister haltbar ist: ein beziehungsweise drei Tage bei zwei Produkten, in denen keine Konservierungsmittel nachweisbar waren, und sieben Tage bei einem dritten Tapetenkleister.


Tapetenkleister ohne Warnhinweis für Allergiker

Für Tapetenkleister gibt es leider keine Regelungen oder Empfehlungen, dass Isothiazolinone für Allergiker deklariert werden sollten - ganz im Gegensatz zu Farben und Lacken, wo sogar eine Hotline für Allergiker angegeben wird, wie es der Verband der deutschen Lackindustrie und der Blaue Engel fordern. Warum Tapetenkleister anders behandelt wird, ist für ÖKO-TEST unverständlich, das müsste geändert werden.

Diesen Test haben wir erstmals im ÖKO-TEST Magazin 1/2011 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2014, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Unsere Einkäufer waren vor allem in Bau-, aber auch einigen Fachmärkten unterwegs, um 12 verschiedene Tapetenkleister zum Anrühren einzukaufen. Sie sollten für Raufaser geeignet sein. Darunter finden sich zwei Produkte aus dem Naturbaumarkt. Ein Kleister von Henkel ist kein Pulver, sondern ein Granulat, das im Fünf-Kilo-Eimer verkauft wird.

Die Inhaltsstoffe: Die Hauptbestandteile der Tapetenkleister sind natürlichen Ursprungs. Meist handelt es sich um aufbereitete Zellulose, aber auch modifizierte Stärke, zum Beispiel Kartoffelstärke, wird eingesetzt - oder beides. Vielfach wird die Klebkraft durch synthetische Kunstharze verstärkt, was aber nicht immer auf der Verpackung angegeben ist. Diese synthetischen Stoffe sind aber schneller verderblich. Deshalb sind sie meist vorkonserviert. Damit der Kleister in der Packung nicht verdirbt und im angerührten Zustand nicht gammelig wird, setzen die Hersteller zum Teil weitere Konservierungsmittel/Fungizide ein. Deklariert sind diese Stoffe nicht, ob und was eingesetzt wird, bleibt im Dunkeln. ÖKO-TEST ließ die beauftragten Labore deshalb mit mehreren Methoden nach verschiedenen Stoffen fahnden, zum Beispiel nach Isothiazolinonen, nach Benzalkoniumchlorid und anderen quartären Ammoniumverbindungen, nach zinnorganischen Verbindungen sowie nach weiteren Bioziden, die im Baubereich eine Rolle spielen.

Der Praxistest und die Deklaration: Die Frage, ob die Produkte als Kleister taugen, ließen wir von einem erfahrenen Malermeister an der August-Bebel-Schule in Offenbach testen, einer Berufsschule, die auch in Farbtechnik und Raumgestaltung ausbildet. Dazu wurden 240 Quadratmeter Untergrund vorbereitet, sauber, glatt und weiß gestrichen, alles tipptopp, um mit einer handelsüblichen, mittelkörnigen Raufaser beklebt zu werden. Die Kleister wurden nach Angaben der Hersteller angerührt, die Tapeten gleichmäßig eingestrichen und nach der erforderlichen Quellzeit fachgerecht an die Wände geklebt. Der Fachmann beurteilte die Konsistenz des Kleisters und das Klebeergebnis, und er begutachtete die Anleitung auf der Verpackung. Sind alle wichtigen Angaben für den Hobbyhandwerker drauf? So zum Beispiel Informationen zu den Inhaltsstoffen, zur Vorbereitung des Untergrunds, zum Vorkleistern, zum Entfernen von Kleisterflecken, zur Haltbarkeit des angerührten Kleisters, zur Resteentsorgung.

Die Bewertung: Zweifelsohne soll ein Tapetenkleister kleben. Dennoch sind ÖKO-TEST die Inhaltsstoffe so wichtig, dass das Gesamturteil nicht besser sein kann als das Testergebnis Inhaltsstoffe. Außer den nicht chlorierten Isothiazolinonen werten wir die eingesetzten Konservierungsmittel je nach Konzentration ab, weil diese Substanzen mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind. Sie können vor allem Haut und Schleimhäute reizen. Kunstharze bekommen im Gegensatz zu früheren Tests nicht automatisch einen Minuspunkt, weil es heute auch hochwertige Kunstharze gibt, die wir nicht allein aus Umweltgründen kritisieren wollen. Aber wir achten sehr genau darauf, ob diese mit bedenklichen oder umstrittenen Stoffen einhergehen. Das Urteil des Praxistests setzt sich zu gleichen Teilen aus den Bewertungen für Anleitung, Kleister und Klebeeigenschaften zusammen und wird wie die Inhaltsstoffe gewichtet. Auch die reinen Deklarationsmängel fließen in die Gesamtnote ein.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: a) Formaldehydabspalter. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Benzalkoniumchlorid; b) mehr als
100 mg/kg Didecylmethylammonium, eine andere (quartäre) Ammoniumverbindung; c) mehr als 1.000 mg/kg Glykole (Ethylenglykole); d) Isothiazolinone trotz TÜV-Siegel "Für Allergiker geeignet".

Bewertung Testergebnis Praxistest: Unter dem Testergebnis Praxistest führt zur Abwertung um drei Noten: Konsistenz zäh/schwierige Verteilung. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) keine Angaben oder sehr knappe Angaben zur Vorbereitung des Untergrunds; b) unklare Empfehlungen zum Vorkleistern/Grundieren; c) keine Angaben zur Entfernung von Kleisterflecken; d) keine Angaben zur Resteentsorgung; e) keine oder eine sehr knappe Tapezieranleitung; f) Konsistenz etwas dünn; g) keine Angabe zur Haltbarkeit von angerührtem Kleister.

Bewertung Testergebnis Deklaration: Unter dem Testergebnis Deklaration führt zur Abwertung um zwei Noten: ein fehlender Gefahrstoffhinweis (Symbol und Warnhinweis). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) keine oder unzureichende Angaben zu Inhaltsstoffen; b) kein Hinweis für Allergiker bei isothiazolinonhaltigen Produkten; c) irreführende Angaben zur Ergiebigkeit.Das Testergebnis Praxistest setzt sich zu gleichen Teilen aus den drei aufgeführten Einzelergebnissen Anleitung, Kleister und Klebeeigenschaften zusammen; dabei wird "in Ordnung" mit "sehr gut" gewertet.

Das Gesamturteil setzt sich zusammen aus dem Testergebnis Inhaltsstoffe (40 %), dem Testergebnis Praxistest (40 %) und dem Testergebnis Deklaration (20 %). Es kann nicht besser sein als das Testergebnis Inhaltsstoffe.

Testmethoden

Isothiazolinone: Homogenisieren des Probenmaterials; Extraktion einer Originalprobe und einer mit Methylisothiazolinon (MIT), Chlormethylisothiazolinon (CIT) und Benzisothiazolinon (BIT) aufgestockten Probe mit Acetonitril im Ultraschallbad; Filtration der Extrakte durch Membranfilter; Trennung, Identifizierung und Quantifizierung mittels HPLC/DAD bei unterschiedlichen Wellenlängen.

Benzalkoniumchlorid und andere quartäre Ammoniumverbindungen: LC-MS/MS nach Extraktion mit Ethylacetat/Aceton.

Thiabendazol, Carbendazim: LC-DAD nach Extraktion mit Methanol und Aluminiumsulfat.

Weitere Fungizide: GC/MS nach Extraktion mit Aceton/Ethylacetat.

Glykole: GC/MS nach Extraktion mit Dichlormethan.

Zinnorganische Verbindungen: NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-AED.

Halogenorganische Verbindungen: a) Wasserdampfdestillation; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehaltes; b) Reinigung der Proben mit Kieselgel, Extraktion mit Essigester; Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehaltes.

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Praxistest: Durchführung durch einen erfahrenen Handwerker; Untergrundvorbereitung durch zweimaligen Anstrich mit hochwertiger Dispersionsfarbe, dadurch sauber, glatt, trocken, staub- und fettfrei, tragfähig; Verwendung einer handelsüblichen, mittelkörnigen Raufaser (Erfurt 32); Anrühren des Kleisters nach Angaben des Herstellers, gleichmäßiges und sehr sattes Einstreichen der Bahnen mit einer Kleisterbürste. Steht bei Analysenergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der "Nachweisgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Einkauf der Testprodukte: September 2011. Der angegebene durchschnittliche Preis beinhaltet nicht das Vorkleistern.

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Diesen Test haben wir erstmals im ÖKO-TEST Magazin 1/2011 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2014, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.