Lippenpflege-Test: Mit einigen Stiften cremen Sie Mineralöl auf die Lippen

Magazin Januar 2021: Wie viel Grün steckt im Öko-Strom? | Autor: Hanh Friedrich/ Meike Rix | Kategorie: Kosmetik und Mode | 05.01.2021

Lippenpflege im Test: Wir haben 20 Lippenpflegestifte unter die Lupe genommen.
Foto: ÖKO-TEST

Lippenpflege ist kein Lebensmittel und trotzdem verschlucken wir viel davon. Aus diesem Grund sollten  Lippenpflegestifte frei von giftigen und problematischen Stoffen sein. Das ist allerdings nicht immer der Fall: So sind einige Lippenpflegen im Test mit Mineralölbestandteilen verunreinigt.

  • Elf Lippenpflegen im Test schneiden mit Bestnote ab. Auffällig: Teuer ist nicht gleich besser. 
  • Mit dem Gesamturteil "mangelhaft" oder "ungenügend" fallen fünf Lippenpflegestifte durch. 
  • Wir kritisieren vor allem Verunreinigungen mit Mineralölbestandteilen, kritische Duftstoffe und einen umstrittenen UV-Filter. 

Wer regelmäßig Lippenbalsam benutzt, kann im Jahr vier Lippenpflegestifte – umgerechnet 20,8 Gramm Lippenpflege – verschlucken. Das schätzen zumindest die EU-Experten für Kosmetiksicherheit vom wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS). Küssen exklusive. Umso wichtiger ist es, dass Lippenpflege frei von problematischen und umstrittenen Inhaltsstoffen ist.

Unsere Testergebnisse zeigen: Viele Lippenpflegestifte schaffen das, einige stecken aber auch voller Problemstoffe. In Zahlen heißt das: Elf Produkte schneiden mit Bestnote ab, fünfmal kann uns die Lippenpflege im Test allerdings gar nicht überzeugen und fällt durch. Zu den Testverlierern zählen bekannte Marken.  

Lippenpflege im Test: Mineralöl ist ein Problem 

Besonders ärgerlich in Lippenpflegestiften sind Verunreinigungen mit Mineralölbestandteilen. Denn ob bewusst oder unbewusst: Frauen, Männer und auch Kinder lecken einen Teil der Lippenpflege ab und verschlucken ihn. So landen Mineralölbestandteile direkt im Körper.

Das ist problematisch, weil sich gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) in menschlichen Organen anreichern. Aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) sind noch bedenklicher. Zu dieser Stoffgruppe können auch krebserregende Verbindungen gehören.

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Wie kommt das Mineralöl in Lippenpflegestifte? 

Nun ja, vier Lippenpflegen im Test haben Paraffine deklariert. Das erkennen Sie an Bezeichnungen wie Paraffin, Paraffinum Liquidum, Petrolatum und Cera Microcristallina. Diese sind erdölbasiert. Wenig überraschend wies das beauftragte Labor in diesen Lippenbalsamen auch hohe Gehalte an MOSH nach, dreimal zudem eine Verunreinigung mit MOAH.

MOAH stecken darüber hinaus noch in zwei Lippenpflegestiften, die in der Zutatenliste unter anderem synthetisches Bienenwachs (Synthetic Beeswax) auflisten. Auch das könnte eine Erklärung für eine Mineralölverunreinigung sein. Synthetisches Bienenwachs wird nicht von Bienen erzeugt, sondern besteht aus einem komplexen Gemisch, in dem neben Fettsäuren auch mineralölbasierte Alkane enthalten sein können.

Es gibt allerdings auch viele Kosmetikhersteller, die umgedacht und auf mineralölfreie Pflege umgestellt haben. Das ist erfreulich. In Naturkosmetik sind mineralölbasierte Fette und Wachse ohnehin tabu.

Lippenpflege benutzen viele Frauen täglich.
Lippenpflege benutzen viele Frauen täglich. (Foto: Prostock-studio/Shutterstock)

Hormonell wirksamer UV-Filter in Lippenbalsam

Auch ein umstrittener UV-Filter gehört unserer Ansicht nach nicht in Lippenpflege. Wir haben aber in zwei Lippenpflegestiften im Test den chemischen UV-Filter Ethylhexylmethoxycinnamat gefunden, der in Tierversuchen wie ein Hormon wirkte.

Ebenfalls im Verdacht, hormonell wirksam zu sein, steht der Inhaltsstoff Butylhydroxytoluol (BHT). Er soll Kosmetika vor Reaktionen mit Sauerstoff schützen. Studien mit Tierversuchen geben unter anderem Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion. Er steckt in zwei Lippenbalsamen im Test.

Lippenpflege-Test: Kritische Duftstoffe gefunden  

Kritische Duftstoffe bemängeln wir regelmäßg in Kosmetikprodukten. So auch im Lippenpflege-Test. Selten betrifft diese Kritik Naturkosmetik. Hier ist es aber der Fall: Ein Naturkosmetik-Hersteller setzt in seiner Lippenpflege auf Isoeugenol. Der Duftstoff ist laut Studien und Daten des Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK) ein besonders potentes Allergen.

Weniger stark, aber immer noch problematisch ist der Duftstoff Hydroxycitronellal, der in einem anderen überprüften Lippenpflegestift enthalten ist.

Die Duftstoffe Citral, Geraniol, Citronellol und Farnesol lösen vergleichsweise seltener Allergien aus. Wer allerdings empfindlich ist oder bereits unter einer Dufstoffallergie leidet, sollte sie vielleicht besser meiden. Die Duftstoffe sind deklariert.

Besonders im Winter brauchen die Lippen eine extra Portion Pflege.
Besonders im Winter brauchen die Lippen eine extra Portion Pflege. (Foto: Antonio Guillem/Shutterstock)

Kunststoffverbindungen sind Problem für Umwelt 

Die Verwendung von synthetischen Polymeren in Lippenpflegen sehen wir ebenfalls nicht gern. Dabei handelt es sich um Kunststoffverbindungen. Was diese Stoffe im Körper auslösen können, ist noch unklar. Unabhängig davon sind sie häufig schwer abbaubar und damit ein Problem für die Umwelt.

Auch überflüssige Verpackungen belasten die Umwelt. Die meisten Hersteller möchten sich aber nicht von ihnen trennen. Lediglich eine Marke verzichtet auf einen zusätzlichen Umkarton. Das finden wir echt zum Küssen.

Tipps zur Lippenpflege: Das rät ÖKO-TEST 

Die Lippenhaut kann Pflege und Schutz gut gebrauchen, denn sie ist besonders dünn und trocknet mangels Talgdrüsen relativ schnell aus. Wissenswertes zur Lippenpflege: 

  1. Greifen Sie lieber zu Lippenpflege aus pflanzlichen statt mineralölbasierten Fetten.
  2. Lippenpflege kann unterwegs bei Kälte auch zur Linderung und als Schutzschicht auf wunden Stellen an Händen oder Nase gute Dienste leisten.
  3. Im Winter brauchen die Lippen UV-Schutz im Schnee und in den Bergen. Ansonsten besser auf Kosmetik mit Filtersubstanzen verzichten.
  4. Dass Lippenpflegeprodukte durch ihre Inhaltsstoffe süchtig machen ist ein Mythos. Wenn die Lippen im Winter bald nach dem Auftragen der Pflege schon wieder trocken und gereizt sind, liegt das vielmehr an Kälte, Wind und Heizungsluft als am Pflegeprodukt.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 29 Lippenpflege-Produkte eingekauft, darunter 9 zertifizierte Naturkosmetikprodukte und 20 konventionelle Produkte. Sie stammen aus Drogerien, Super- und Discountermärkten. Für einen Pflegestift bezahlten wir zwischen 47 Cent und 8 Euro.

Testen lassen haben wir die Produkte im Labor auf bedenklich oder umstrittene Inhaltsstoffe wie Paraffine, Silikone, synthetische Polymere und hormonell wirksamke UV-Filter. Weitere Untersuchungskriterien sind Mineralölverunreinigungen und allergieauslösende Duftstoffe.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe:  Zu einer Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) deklarationspflichtige Duftstoffe, die Allergien auslösen können (hier: Isoeugenol); b) der bedenkliche UV-Filter Ethylhexylmethoxycinnamat; c) Paraffine; d) MOAH. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) deklarationspflichtige Duftstoffe, die Allergien auslösen können (hier: Hydroxycitronellal); b) BHT. Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um zwei Noten: Silikone (hier: Dimethicone, Phenyl Trimethicone, Polysilicone-11), wenn nicht bereits wegen Paraffinen unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe abgewertet wurde, und/ oder weitere synthetische Polymere (hier: Butylene/Ethylene/Styrene Copolymer, Ethylene/Propylene/ Styrene Copolymer, Hydrogenated Polyisobutene, Polyisobutene, Trimethylpentanediol/Adipic Acid/Glycerin Crosspolymer).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Umkarton, der kein Glas schützt; b) PVC/PVDC/ chlorierte Verbindungen in der Verpackung; c) fehlende Angabe "nano" bei Titandioxid in der Liste der Inhaltsstoffe gemäß EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 und der Empfehlung 2011/696 der EU-Kommission zur Definition von Nanomaterialien, wenn das in den Produkten enthaltene Titandioxid zu mehr als 50 Prozent nanoförmig vorliegt. Steht bei konkret benannten Analysenergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Bestimmungsgrenze der jeweiligen Testmethode.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (vom Hersteller versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.

Testmethoden

Diethylphthalat, deklarationspflichtige Duftstoffe, Moschusverbindungen, Cashmeran: Extraktion mit TBME, GC-MS.   

Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennen der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts; b) Extraktion mit Essigester, Verbrennen des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts.   

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.   

Mineralölbestandteile: GC, HPLC-GC.   

Titandioxid: Herstellung einer wässrigen Dispersion durch Behandlung mit Ultraschall VialTweeter. Untersuchung auf Partikel mittels SingleParticle ICP/MS.

Einkauf der Testprodukte: September 2020

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