Wärmekissen im Test: Nur eins ist "sehr gut"

ÖKO-TEST September 2017 | Autor: Dinah Büssow | Kategorie: Kinder und Familie | 31.08.2017

Wärmekissen im Test: Wir haben 15 Produkte getestet.
Foto: OlgaGi/Shutterstock

Kirschkernkissen sind anschmiegsamer als schnöde Wärmflaschen. Kissen mit Traubenkernen oder mit Getreide lassen sich ebenso gut auf kleine Bäuchlein legen. Nach unserem Test können wir viele Produkte empfehlen – allerdings schneidet nur ein Wärmekissen mit "sehr gut" ab. 

Ein unangenehmer Geruch zieht durch die Küche. Der Backofen qualmt. Die junge Mutter eilt zum Fenster, reißt es auf. Dann stellt sie schnell den Backofen aus. Auf dem Rost liegt ein völlig verkokeltes Kirschkernkissen. Das Kissen ist nicht mehr zu gebrauchen. Zum Glück ist nicht mehr passiert.

Tatsächlich gibt es immer wieder Zeitungsmeldungen über Wohnungsbrände durch im Ofen vergessene Kirschkernkissen. Doch mit ein wenig Umsicht lassen sich solche Unfälle leicht vermeiden. Schließlich sind Wärmekissen mit Kirschkern-, Traubenkern- oder Körnerfüllung ein gutes Hilfsmittel gegen Bauchschmerzen, auch für Babys. Allerdings nur unter Aufsicht, denn zu warm darf es den Kleinen nicht werden.

Kirschkernkissen in den Kinderwagen legen

Aleyd von Gartzen vom Deutschen Hebammenverband rät: "Wenn das Baby Bauchschmerzen hat und schreit, würde ich es herumtragen. Dabei kann man bedenkenlos ein Wärmekissen anwenden, weil man merkt, wenn es zu warm wird."

Außerdem hat sie noch einen guten Tipp für kalte Wintertage: "Legen Sie einfach, bevor Sie mit ihrem Kind rausgehen, ein warmes Kirschkernkissen in den Kinderwagen." Bevor Elten das Kind in den Wagen legen, sollten sie das Kissen aber wieder herausnehmen. Die Hebamme warnt: "Achten Sie immer darauf, dass Ihr Baby nicht überhitzt."

Kissen nach dem Erhitzen durchschütteln

Kleine Kinder sind generell hitzeempfindlicher als Erwachsene. Deshalb ist es auch wichtig, die Temperatur des Kissens sorgfältig zu prüfen. Nach dem Erhitzen in der Mikrowelle sollte man das Kissen auf jeden Fall noch einmal durchschütteln, um sicherzugehen, dass es gleichmäßig warm ist. Zum Testen empfiehlt die Hebamme, das Kissen einmal kurz mit den eigenen Lippen zu berühren.

Wärmekissen richtig aufbewahren

Ebenso wichtig ist es, das Wärmekissen mit Kern- oder Körnerfüllung trocken und luftig aufzubewahren. Keine gute Idee ist die Lagerung in einer Plastiktüte. Darin kann sich Feuchtigkeit bilden und die schafft wiederum optimale Bedingungen für das Wachstum von Schimmelpilzen.

Obstkerne und Körner sind natürliche Materialien. Es ist schwerlich möglich, ein Kissen mit solchen Füllungen herzustellen, das vollkommen frei ist von mikrobiellen Strukturen wie Pilzen und Bakterien. Mikroorganismen sind überall vorhanden, auch im und am menschlichen Körper.

Professor Sebastian Lemmen, Leiter des Zentralbereichs für Krankenhaushygiene und Infektiologie der Uniklinik Aachen, bringt es auf den Punkt: "Der Mensch hat mehr bakterielles und virales Genmaterial in sich als menschliches." Er erklärt: "Bei der Geburt ist der Mensch steril, doch bereits nach wenigen Minuten werden wir von innen und außen von Bakterien, Pilzen und Viren besiedelt." Ein Problem sind die allgegenwärtigen Keime für die meisten Menschen nicht.

Feuchtigkeit und starke Verschmutung vermeiden

Es ist dennoch wichtig und sinnvoll, darauf zu achten, dass sich Mikroorganismen in den Wärmekissen nicht übermäßig vermehren können. Konkret heißt das: Feuchtigkeit und starke Verschmutzung vermeiden. Gesunde Menschen müssen sich keine Sorgen machen, wenn sie Wärmekissen mit Naturmaterialien verwenden.

Abraten würde der Infektologe nur Menschen, die äußerst immungeschwächt sind, etwa nach einer Organtransplantation oder Krebspatienten nach einer Chemotherapie. Auch Schimmelpilzallergiker sollten Wärmekissen vorsichtig verwenden.

Wärmekissen im Test: Nur eins ist "sehr gut"

Doch nicht nur im Inneren des Kissens, sondern auch in den Hüllen können sich problematische Stoffe verstecken. Wir haben deshalb 15 Wärmekissen ins Labor geschickt und umfangreich untersuchen lassen. Das Ergebnis ist insgesamt erfreulich: Mehr als die Hälfte der untersuchten Wärmekissen können wir empfehlen. Zwar gibt es nur ein einziges "sehr gutes", aber immerhin sieben "gute" Produkte. 

"Mikrobielle Strukturen" in vielen Kissenfüllungen entdeckt

Allergiker aufgepasst: Die mikroskopischen Untersuchungen haben gezeigt, dass zehn von 15 Kissenfüllungen einen mäßigen Besatz mit mikrobiellen Strukturen aufweisen. Viele dieser Strukturen sind nicht mehr lebensfähig, das heißt, die gefundenen Bakterien und Pilze sind überwiegend abgestorben und können sich nicht vermehren. Im Labor waren sie nicht mehr anzüchtbar. Aber auch die toten Zellstrukturen besitzen ein Allergiepotenzial, wenn sensible Menschen sie einatmen.

Die Art der Füllung scheint keinen großen Unterschied zu machen, betroffen sind sowohl die beiden Getreidekissen im Test als auch die meisten Kirschkern- und Traubenkernkissen.

Kritik an optischen Aufhellern

Bis auf vier Ausnahmen enthalten alle Wärmemissen im Test optische Aufheller. Kommen sie in Kontakt mit der Haut, so können manche von ihnen in Verbindung mit Sonnenlicht allergische Reaktionen hervorrufen. Außerdem sind optische Aufheller eine Belastung für die Umwelt, weil sie schwer abbaubar sind.

Nicht nur Etiketten, Nähgarn und ein Reißverschluss waren auffällig. Auch die Oberstoffe einiger Wärmekissen waren belastet. Dort wurden die Weißmacher eingesetzt, um die Motive – Elefanten, Schafe, Blümchen und Sterne – besser zur Geltung zu bringen.

Weitere bedenkliche Stoffe in Wärmekissen im Test

Was ist außerdem im Wärmekissen-Test aufgefallen? Das Labor ist in einem Klettverschluss auf den allergisierenden Farbstoff Dispers-Rot 1 gestoßen, in vereinzelten Fällen hat es außerdem halogenorganische Verbindungen nachgewiesen. Viele Vertreter dieser Stoffgruppe können ebenfalls Allergien auslösen. Halogenorganische Verbindungen können aus Farbstoffen stammen.

Außerdem in der Kritik: In einem Polyesterbezug haben die Laborexperten giftiges Antimon gefunden.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Wärmekissen gibt es mit verschiedenen Füllungen. Wir haben uns für Kirsch- und Traubenkerne, Dinkel-Roggen- und Haferfüllungen entschieden. Ausgewählt haben wir nur Wärmekissen, die für Kinder gedacht sind. Sie sind meist bunt oder ähneln einem Kuscheltier, viele sind zudem kleiner als Produkte für Erwachsene.

Die Inhaltsstoffe: Wärme tut gut, aber ist auch das Material der Wärmekissen gut? Um das herauszufinden, haben wir die Bezüge in Labors untersuchen lassen. Dabei wollten wir wissen: Enthalten sie hormonell wirksame Phthalate, allergisierende Farbstoffe, halogenorganische Verbindungen oder optische Aufheller? Und wie sieht es mit den Füllungen aus? Sind Schimmelpilze und Bakterien ein Thema? Lassen sich in den Getreidefüllungen Pestizidrückstände finden?

Weitere Mängel: Wir prüften die Verpackungen etwa auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen. Auch optische Aufheller, die im Inneren des Kissens stecken, zählen wir zu den Weiteren Mängeln.

Die Bewertung: Punktabzüge gibt es für gesundheitlich bedenkliche oder allergisierende Stoffe und ebenfalls für festgestellte Weitere Mängel wie etwa optische Aufheller ohne direkten Hautkontakt.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: der als allergisierend eingestufte Dispersionsfarbstoff Dispers-Rot 1. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 1 mg/kg Antimon im Eluat; b) optische Aufheller mit Hautkontakt; c) halogenorganische Verbindungen; d) eine mäßige mikrobielle Belastung, die vom Labor nach mikroskopischer Analyse als auffällig angegeben wurde.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um eine Note: optische Aufheller ohne Hautkontakt, wenn nicht bereits wegen optischer Aufheller mit Hautkontakt unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note abgewertet wurde.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Testmethoden (je nach Zusammensetzung)
Aromatische Amine: a) Prüfung auf Amine aus Azo-Farbstoffen nach reduktiver Spaltung entsprechend DIN EN 14362-1:2017-05; b) Bei Feststellung aromatischer Amine bei der GC/MS-Analyse wird das Analyseergebnis (entsprechend der Norm) durch ein zweites Verfahren (HPLC/DAD und TLC) abgesichert. Es werden zusätzlich Anilin, 2,4-Xylidine und 2,6-Xylidine angegeben. Bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol erfolgt immer eine zusätzliche Prüfung entsprechend DIN EN 14362-3:2017-05. Bestimmungsgrenze: 1 mg/kg. Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend Norm DIN 54231 (November 2005), Dünnschichtchromatografie, HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor). Formaldehyd: a) Qualitativer Nachweis mit Carbazol/Schwefelsäure; b) Quantitativer Nachweis nach DIN EN ISO 14184-1: 2011-12. Halogenorganische Verbindungen: a) Probe wird mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur eluiert. b) Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Elemente: Elution von Schwermetallen mittels saurer Schweißlösung. Elementbestimmung mittels ICP-MS. Optische Aufheller: Qualitativer Nachweis mit UV-Licht. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse. Mikrobiologie: Kultivierung und Auswertung nach DIN ISO 16000-17 und -21 (Nachfolgerichtlinien der VDI 4300/10). Aus der gut durchmischten Füllung wurden jeweils ca. 10 g (genaue Einwaage für jede Probe) für die Bestimmung anzüchtbarer Pilze und Bakterien entnommen und in 100-ml-Erlenmeyerkolben (mit Schikanen) überführt. Das Füllmaterial wurde mit 10 ml Standardverdünnungspuffer mit Tween 80 überschichtet und geschüttelt (15 min bei 200 rpm). Von dem Überstand wurde eine Verdünnungsreihe in Zehnerschritten hergestellt. Vom Originalansatz und von der 1., 2. und 3. Verdünnungsstufe wurden jeweils 0,1 ml auf je zwei der folgenden Nährböden plattiert (Doppelansatz): DG 18-Agar (mit Chloramphenicol), Malzextrakt-Agar (mit Chloramphenicol) und CASO-Agar (mit Cycloheximid). Die Nährböden wurden 10 bis 14 Tage bei 24 ± 0,5 °C inkubiert. Zusätzlich wurden vom Originalansatz und von der 1. Verdünnungsstufe jeweils 0,1 ml auf je zwei Malzextrakt- Nährböden (mit Chlor-amphenicol) ausplattiert und bis zu 4 Tage bei 36 ± 0,5°C inkubiert. Mehrmals während der Inkubationszeit wurden Kolonien gezählt. Bei der Endauswertung erfolgte die Zählung und morphologische Differenzierung der Kolonien mit Stereolupe und/oder Mikroskop. Mikroskopische Untersuchung: Von den gut durchmischten Füllungen der einzelnen Wärmekissen wurden mehrere Folienkontaktproben entnommen. Die jeweiligen Folienkontaktproben wurden nach Anfärbung mit Milchsäure-Anilinblau-Lösung lichtmikroskopisch bei bis zu 1.000-facher Vergrößerung untersucht. Die Beschreibung des Besatzes mit Mikroorganismen wird halbquantitativ vorgenommen. Materialscreening: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Pestizidscreening: GC/MS mit niedrigem Wassergehalt.

Einkauf der Testprodukte: Mai 2017.

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