237 Versicherungenkonzerne und ihre Transparenz im Test

Die Blaumacher

Ratgeber Rente, Geld, Versicherungen 8:2010 | | Kategorie: Geld und Recht | 01.10.2010

237 Versicherungenkonzerne und ihre Transparenz im Test

Versicherer, die in unseren Tests gut abschneiden, freuen sich. Die anderen kritisieren uns oder ändern ihre Tarife. Eine dritte Gruppe versucht, dem Leistungsvergleich zu entgehen. ÖKO-TEST hat die Verweigererstrategien genauer unter die Lupe genommen.

Das hört sich richtig gut an. Im Handelsblatt kündigte Allianz-Leben-Vorstand Markus Faulhaber größere Transparenz bei Kosten und Risiken von Anlageprodukten an. Gegenüber ÖKO-TEST gibt sich der Versicherungskonzern allerdings eher zugeknöpft als transparent. Häufig verweigert er uns die benötigten Auskünfte. Auch bei der Allianz selbst scheint die Botschaft noch nicht angekommen zu sein. Gibt man auf ihrer Internetseite die Suchbegriffe Faulhaber und Transparenz ein, bekommt man keinen Treffer zum Vorhaben des Vorstandes.

Die Vorsorgeprodukte der Versicherer sind kompliziert und erklärungsbedürftig, seriöse Vergleiche und Testergebnisse spielen eine wichtige Rolle als Entscheidungshilfen. Dass gute Noten von ÖKO-TEST ein prima Verkaufsargument sind, wissen auch die Versicherungsunternehmen und deren Finanzvertriebe. Allerdings dürfen Berater auch schlechte Testbewertungen nicht einfach verschweigen. Vielmehr müssen sie ihre Kunden fair und umfassend informieren. Sonst kann ein Kunde leichter Schadenersatz wegen einer Falschberatung durchsetzen. So überrascht es nicht, dass Assekuranzen, die um die Schwäche ihrer Tarife wissen, diese keinem Leistungsvergleich aussetzen wollen.

Darum haben wir uns die Absagen der vergangenen Jahre genau angeschaut und festgestellt, dass sich die Verweigerungstaktik quer durch die gesamte Branche zieht. Schule macht diese Haltung sowohl bei den großen, bekannten Versicherern wie der AachenMüncher, der Allianz oder der Generali als auch bei kleineren Gesellschaften wie der Oeco Capital, die als grüner Versicherer besonders auf Transparenz achten sollte.

Skurrile Ausreden

Um sich den lästigen Nachfragen zu entziehen, werden bisweilen skurrile Ausreden bemüht: So nahm die Allianz die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum Anlass, die Teilnahme am Test Direktversicherungen zu verweigern. "Nach der VVG-Reform sind derzeit eine Vielzahl von Ratings und Rankings zum Thema (betriebliche) Altersvorsorge und zur Risikovorsorge in der Presse zu finden bzw. werden noch veröffentlicht. Aus unserer Sicht treffen diese Informationen nicht wie in der Vergangenheit mit angemessener zeitlicher Verteilung auf den Kunden, sondern ballen sich in diesem Jahr. Wir haben uns daher nach reiflicher Überlegung entschlossen, nicht an Ihrer geplanten Untersuchung ... teilzunehmen", schrieb uns der Konzern. Das hatte sich der Gesetzgeber allerdings anders vorgestellt. Das hundertjährige VVG wurde nach langem Ringen reformiert, um für die Verbraucher mehr Transparenz in die Welt der Versicherungen zu bringen.

Die Zurich-Deutscher-Herold hält "den Fokus auf Zahlenvergleiche (...) bei einer Bewertung von Produkten der betrieblichen Altersversorgung für eher nicht zielführend bzw. verbrauchergerecht". Diese Ansicht können wir nicht teilen - und vermutlich auch die meisten Kunden nicht. Schließlich versichern sie sich, um ihre Rente aufzubessern. Daher dürfte es schon interessieren, von welchem Versicherer es im Alter Tausende Euro mehr gibt - und von welchem jeden Monat viel weniger überwiesen wird als erhofft.

Nur Topprodukte sollen ins Rennen

Weitverbreitet ist der Versuch, Tarife nicht in den Vergleich zu schicken, wenn sie vermutlich keinen Spitzenplatz erreichen. Die Absage der Versicherungskammer Bayern zum Test Direktversicherungen im Jahr 2008 spricht Bände: Wir sehen, dass "unsere Produkte mit den von Ihnen herangezogenen Bewertungskriterien nicht angemessen dargestellt werden, da bestimmte Tarifmerkmale ... nicht bzw. zu wenig berücksichtigt werden".

Wo immer möglich, scheren wir uns nicht um Absagen, sondern erheben und veröffentlichen auch die Daten der Verweigerer. Obwohl die Ergebnisse mit einem Rest von Unsicherheiten behaftet sind, liefern sie klare Anhaltspunkte für die Motive: In der Regel ist keine der betroffenen Versicherungen besser als Rang 3. Meistens schneiden sie weitaus schlechter ab. Die Aachen-Münchener beispielsweise, die 2008 am Test Privathaftplicht herummäkelte und dann nicht teilnahm, belegte mit ihrem Tarif Optimal-Grundsicherung zweimal den 5. und einmal den 6. Rang.

Da sich die Öffentlichkeitswirkung der Tests nicht auf Spitzenergebnisse beschränken lässt, tun die Anbieter fast alles, um sich nicht auf den letzten Rängen zu sehen. Im aktuellen Test Risikolebensversicherungen freute sich die Generali-Tochter Cosmos Direkt auf eine Beteiligung, während die AachenMünchener aus dem gleichen Konzern abwinkte. Die nicht begründete Absage hat vermutlich einen einfachen Grund: Da es bei Risikolebensversicherungen vor allem um den Preis geht, machte der günstige Direktversicherer Cosmos mit, der teurere Serviceversicherer schwieg.

Bei einigen Themen verweigert sich schon mal die Mehrheit der Anbieter. So im Test Ratenzahlungszuschläge. 15 der 26 angeschriebenen Unternehmen wollten dazu nichts sagen, denn es könnte um viel Geld gehen. "Rein rechnerisch", so Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg, stehen "15 Milliarden Euro" im Feuer. Der Grund sind die Kosten für die Versicherten, die ihre Beiträge für Auto-, Lebens-, Renten- und viele andere Versicherungen nicht jährlich, sondern monatlich, viertel- oder halbjährlich zahlen. Die Höhe der tatsächlichen Mehrkosten sei unklar gewesen, monierte das Landgericht Coburg. Verbraucherschützer fordern daher, dass die Versicherungen zumindest einen Teil der Zuschläge zurückerstatten.

Dass es in der Branche, die immerhin angetreten ist, einen sehr großen Teil der Risiko- und Altersversorgung der Deutschen zu leisten, viel zu verbessern gibt, zeigt auch ein Blick in die jährliche Beschwerdestatistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). In dieser werden die Beschwerden eines Jahres veröffentlicht - aufgeschlüsselt nach Versicherungsarten und Unternehmen. Für das Jahr 2009 mussten allein 12.056 Beschwerden über Versicherer bearbeitet werden.

Auch die Ferienzeit muss als Absagegrund herhalten

Einige der Gesellschaften fahren eine andere Strategie: Fürchten sie die Offenlegung der Schwächen ihrer Angebote, versuchen sie vorab, unsere Testkriterien zu erfahren. So schrieb uns die Münchener Verein zu Risikolebensversicherungen 2008: Wir konnten "von Ihnen keine ausführliche Verfahrensbeschreibung erhalten. Ihre Anbietervorinformation lässt vermuten, dass andere Kapitalstärke-Ratings wieder in Ihr Verfahren mit einfließen werden. Dies erscheint uns gerade im Zusammenhang mit einem Risikolebensversicherungs-Rating wenig sinnvoll und aussagekräftig". Auch die Stuttgarter Lebensversicherung erteilte uns 2008 zum Test Direktversicherungen eine Absage: "Da bei uns derzeit Ferienzeit herrscht (...), können wir aus Kapazitätsgründen dieses Mal leider nicht teilnehmen." Das klang eine Woche zuvor noch so: "Allerdings geht aus" Ihrem Schreiben "nicht hervor, wonach beurteilt und vor allem gewichtet wird. Würden Sie uns bitte deshalb noch (baldmöglichst) Ihre Bewertungskriterien und deren Gewichtung mitteilen."

Die Absagegründe werden von den meisten Versicherern je nach Belieben formuliert. Die Ausnahme sind Versicherer, die sich überhaupt keiner Bewertung durch externe Vergleichstests stellen wollen. So beteiligt sich Die Continentale nach einem Beschluss ihres Vorstands weder an Ratings noch an anderen Untersuchungen. "Wir halten weder die Beurteilung von Unternehmen noch die von Tarifen für den Kunden für hilfreich", so Conti-Sprecher Bernd Goletz. Eine entscheidende Schwäche von Testbeurteilungen sei das Fehlen einheitlicher Standards. Dies führe immer wieder dazu, dass dasselbe Angebot unterschiedlich bewertet würde. Der Kunde erhalte so in keiner Weise Orientierung, argumentiert Die Continentale.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Kunden, die Vergleichstests nutzen, verfügen über eine bessere Kenntnis von Produktalternativen und -eigenschaften und sie wechseln bei Unzufriedenheit eher die Marke. Auch für Versicherungsvermittler gelten verbraucherorientierte Informationen und Tests als wichtige Beratungshilfe. Die völlige Abstinenz der Continentalen ist unter anderem auf einen Streit mit der Stiftung Warentest zurückzuführen. "Keinerlei Kompetenz bei diesem Thema", so die Continentale-Krankenversicherung an die Adresse der Zeitschrift Finanztest anlässlich eines Vergleichs privater Krankenversicherer. Die Entscheidung für eine Versicherung könne nur aufgrund ausführlicher persönlicher Beratung getroffen werden, so die Conti.

Dass die Assekuranzen bei der Konstruktion ihrer Vorsorgeprodukte bisher Markttransparenz verhinderten, indem sie beispielsweise Gesetze zur Kostenoffenlegung der Riester-Rente völlig uneinheitlich umsetzten, stinkt mittlerweile jener kleinen Schar von Versicherern, die in Sachen Verbraucher ihre Hausaufgaben machen, wie die Debeka. Deren Chef Uwe Laue forderte kürzlich Kostentransparenz bei den Lebensversicherern. Ansonsten fürchtet er politischen Druck auf die gesamte Branche. Wenn die Versicherer die Vorgaben des Gesetzgebers wie zur Riester-Rente lediglich mit einer Salamitaktik umsetzen, hat das nämlich zur Folge, dass gute Versicherungstests für alle Marktteilnehmer noch unentbehrlicher werden.