Paprikapulver in der Pestizidanalyse: Viele gleich mehrfach belastet

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2025 | Autor: Sarah Becker/Birgit Hinsch/Heike Baier/Lena Wenzel | Kategorie: Essen und Trinken | 30.10.2024

Pestizide in Paprikagewürzen: Viele Marken fallen durch.
Foto: xlibes/Shutterstock

23 verschiedene Pestizidrückstände in ein und demselben Paprikapulver: Das ist der traurige Rekord in diesem Test. 12 Produkte fallen in der Pestizidanalyse durch, viele davon reißen gültige Grenzwerte. Es gibt aber auch Paprikapulver, die mit Bestnote abschneiden. 

  • Wir haben 30 Mal Paprika edelsüß im Labor auf Pestizide untersuchen lassen. 
  • Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Paprikapulver ist aus unserer Sicht so stark mit verschiedenen Pestizidrückständen belastet, dass sie mit "mangelhaft " oder "ungenügend" durch den Test fallen.
  • Auffällig: Unter den gefundenen Pesitiziden befinden sich auch solche, die in der EU verboten sind.
  • Dass Paprikagewürz auch ohne Spritzgifte geht, zeigen 15 "sehr gute" Produkte in unserem Test.

Aktualisiert am 30.10.2024 | Paprika gehört zu den Allroundern unter den Gewürzen und rangiert auf der Beliebtheitsskala der Deutschen noch immer auf Platz zwei hinter Pfeffer. Das aromatisch rote Pulver ist aber zugleich eines der am meisten mit Pestiziden belasteten Gewürze – das zeigten Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den vergangenen Jahren immer wieder.

Wir haben das zum Anlass genommen, beim Thema Spritzmittel einmal ganz genau hinzuschauen und haben 30 edelsüße Paprikapulver ausschließlich und umfassend auf Pestizide analysieren lassen. Das Ergebnis: Zur Hälfte Licht, zur Hälfte Schatten.

Paprikapulver im Test: Edelsüße Pestizid-Cocktails

Viele Paprikapulver haben in unseren Augen ein dickes Problem mit Pestiziden. 11 von 30 Gewürzen im Test sind glatt "ungenügend", vor allem wegen massiver Mehrfachbelastungen und zu hoher Rückstände von Glufosinat.

Bei den meisten der betroffenen Produkte liegen die gemessenen Werte über dem Grenzwert für das – in der EU verbotene – Breitbandherbizid. Drei Pulver überschreiten den Wert auch abzüglich Messunsicherheit, so dass sie nach unserer Einschätzung gar nicht hätten verkauft werden dürfen. Auch der Grenzwert für den Wachstumsregulator Mepiquat wird zweimal im Test gerissen.

In mehr als der Hälfte der getesteten Bio-Paprikagewürze wurden nicht einmal Spuren von Pestiziden gefunden.
In mehr als der Hälfte der getesteten Bio-Paprikagewürze wurden nicht einmal Spuren von Pestiziden gefunden. (Foto: New Africa/Shutterstock)

Glufosinat seit 2019 in der EU verboten

Doch was ist das Problem mit diesen Spritzgiften? Die Antwort zu Mepiquat ist schnell gegeben: Mepiquat wirkt sich laut Europäischer Chemikalienagentur ECHA schädlich auf Wasserorganismen aus. Bei Glufosinat müssen wir weiter ausholen. 

Dass das verbotene Breitbandherbizid nun reihenweise in den von uns getesteten Paprikagewürzen auftaucht, ist schon skandalös. Denn die Bedenklichkeit von Glufosinat ist nicht einmal umstritten: Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stuft den Stoff als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B ein.

Das bedeutet, er steht im Verdacht, die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen und das ungeborene Kind zu schädigen. Nicht umsonst ist der Einsatz des Unkrautvernichters auf europäischen Feldern seit 2019 verboten.

Paprika edelsüß im Test: Jetzt Ergebnisse als ePaper kaufen

Die meisten Paprikagewürze im Test stammen aus China

Allerdings kommen die Paprikapulver mit auffälligen Glufosinatgehalten auch höchstens teilweise aus Europa. Wenn überhaupt. Bei manchen Anbietern mussten wir mehrmals nachhaken, um die Herkunft der in ihren Gewürzen vermahlenen Paprika zu erfahren, andere machten von Anfang an keinen Hehl daraus: Mit Abstand am häufigsten nannten sie uns als Herkunft China, weit abgeschlagen erst Spanien, Peru und Brasilien.

Das ist plausibel, denn China ist laut Außenhandelsstatistik das Lieferland Nummer eins für Paprikagewürz. Dass Glufosinat auf Paprikafeldern in China versprüht wird, ist dort auch legal. Zum Teil werden glufosinathaltige Spritzmittel aus Deutschland in außereuropäische Länder exportiert – unter anderem vom deutschen BASF-Konzern. Diese Doppelstandards – oder besser Doppelmoral – kritisieren wir und viele NGOs seit Jahren.

Besonders bedenkliche Pestizide

Aber Glufosinat ist in diesem Test nur die Spitze des Eisbergs. Vielmehr: des Pestizidbergs. Denn beim Auswerten der Laborberichte haben wir extreme Mehrfachbelastungen gezählt: Spitzenreiter sind 23 Pestizide auf einmal.

Nachgewiesen hat das Labor darunter zahlreiche Spritzmittel, die wir als besonders bedenklich für Mensch oder Umwelt einordnen – darunter der Unkrautvernichter Glyphosat, bei dem umstritten ist, ob er als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wird oder nicht.

Darum sind die Paprikapulver oft so stark belastet

Warum gerade in Paprikapulver solche üppigen Pestizidcocktails stecken? Paprika wächst in der Regel in Monokulturen und benötigt im Anbau sowohl hohe Temperaturen als auch vergleichsweise viel Wasser, teilte uns das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit. Unter diesen Bedingungen könnten sich Krankheiten stark vermehren und entsprechend hoch könne "der Bedarf an Pflanzenschutzmaßnahmen" ausfallen. 

Außerdem ist Paprikapulver ein Gewürz, das aus getrockneten und anschließend vermahlenen Paprikafrüchten hergestellt wird. Aber nicht aus der Paprikafrucht, wie sie bei uns an der Gemüsetheke liegt, sondern aus speziell dafür angebauten Gewürzpaprika.

Je nachdem welche Sorten und wie viel von den scharfen Kernen mitvermahlen sind, unterscheiden sich die fertigen Gewürzpulver in ihrem Aroma, dem Schärfegrad und der Farbe. Paprika edelsüß enthält zum Beispiel kaum Scharfstoffe, Rosenpaprika umso mehr. Beim Abmischen des fertigen Gewürzpulvers fließt häufig Rohware aus ganz unterschiedlichen Anbauregionen ein. Das sagen uns viele konventionelle Anbieter dieses Tests und nennen uns als Herkunftsländer ihrer Paprika an erster Stelle China, gefolgt von Brasilien.

(Foto: ÖKO-TEST )

"Da kommt in einer Gewürz-Charge die Rohware zahlreicher Erzeuger zusammen, die jeweils andere Pestizide eingesetzt haben. Das ist der Grund dafür, dass wir am Ende ein richtiges Sammelsurium an Pestiziden in den Paprikapulvern finden", erklärt Marc Wieland vom CVUA Stuttgart. Das Untersuchungsamt hatte 2019 Paprikapulver untersucht und bis zu 32 verschiedene Pestizide in einer Probe gefunden.

Sind die Pestizidspuren gefährlich?

Akut gesundheitsschädlich sind diese einzelnen Pestizidgehalte, von denen wir die meisten als Spuren einordnen, erst einmal nicht. Denn die Paprikapulver landen ja nicht in riesigen Mengen im Gulasch oder Obazda. Mit dem Argument der geringen Verzehrmengen schließt das BVL ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher selbst dann aus, wenn ein Paprikapulver über Grenzwert mit Pestiziden belastet ist.

Was wir allerdings sehr viel kritischer sehen, ist die Vielzahl von Pestizidspuren wie hier in diesem Test. Denn diese Mehrfachbelastungen addieren sich, und mögliche Wechselwirkungen der Pestizide untereinander sind nach unserer Auffassung noch viel zu wenig erforscht.

Bereits 2020 hatte das BVL Importeure und Hersteller von Paprika- und Chilipulvern aufgefordert, ihre Eigenkontrollen zu verstärken, nachdem diese Gewürze den Überwachungsbehörden immer wieder wegen überhöhter Pestizidbelastungen aufgefallen waren. Unser Test zeigt: Hier bleibt nach wie vor viel zu tun.

15 Paprikapulver im Test mit Bestnote 

Was dieser Test ebenso zeigt: Paprikaanbau ohne Pestizide – das geht! In fast der Hälfte der getesteten Pulver hat das beauftragte Labor nämlich null Spritzmittel oder nur ein einzelnes im niedrigen Spurenbereich nachgewiesen. Dementsprechend schneiden auch 15 von 30 Produkten mit "sehr gut" ab.

Würzen mit Paprikapulver: Tipps

  • Paprika kann bei allzu großer Hitze bitter werden. Deshalb am besten erst zum Ende der Garzeit ins Gericht geben.

  • Paprikapulver trocken, kühl und vor allem dunkel lagern – sonst verliert es schnell sein Aroma

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 05/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Paprika edelsüß ist nach unseren Recherchen die beliebteste Paprikavariante hierzulande. Wir haben 30 verschiedene Produkte eingekauft, 16 davon mit Bio-Siegel.

In Super- und Drogeriemärkten, beim Discounter, im Reformhaus, Bio-Laden oder Onlinehandel bezahlten wir für 50 Gramm Paprikapulver zwischen 79 Cent und 5,21 Euro. In den vergangenen Jahren beanstandete die amtliche Lebensmittelüberwachung immer wieder Paprikapulver wegen auffälliger Pestizidgehalte. Das hat uns veranlasst, diesem Thema einen eigenen Test zu widmen.

Wir haben die Paprikapulver ausschließlich auf Pestizide untersuchen lassen. Ein spezialisiertes Labor analysierte die Gewürzproben in unserem Auftrag auf ein umfassendes Spektrum von rund 700 Pestiziden, darunter auch der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat, dessen Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) sowie Glufosinat. Auf dem Prüfplan standen ebenfalls Wachstumsregulatoren wie Chlormequat, Mepiquat und Etephon, die zum Beispiel eingesetzt werden, um Standfestigkeit oder Reifeprozesse von Pflanzen zu beeinflussen.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Bestimmungsgrenze der jeweiligen Testmethode.

Da die gesetzlichen Grenzwerte ausschließlich für frische Paprika gelten, rechneten wir die in den Pulvern gemessenen Pestizidgehalte mit Hilfe eines Trocknungsfaktors von zehn auf den Gehalt in den frischen Früchten zurück. Das entspricht der gängigen Praxis der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Nur für Verbindungen, deren Rückstandsgehalt eingedenk des Trocknungsfaktors noch über 0,01 mg/kg lag, zogen wir unter den bedenklichen und verbotenen Pestiziden Extrapunkte ab, denn bei diesen Rückständen gehen wir von einem aktiven Einsatz auf dem Feld aus. Als besonders bedenklich werden Pestizide eingestuft, wenn sie PAN-gelistet sind (in Gruppe 2 oder als bienentoxisch), nach EU-Datenbank oder ECHA kanzerogen oder reproduktionstoxisch sind, hier: Bifenthrin, Chlorantraniliprol, Glufosinat, Lambda-Cyhalothrin. Von der EU verboten oder nicht mehr zugelassen, hier: Bifenthrin, Glufosinat.

Bewertung Testergebnis Pestizide: Unter dem Testergebnis Pestizide führt zur Abwertung um fünf Noten: ein gemessener Pestizidgehalt, der den entsprechenden EU-Rückstandshöchstgehalt überschreitet (in der Tabelle: "über Grenzwert"), hier: Glufosinat (Summe aus Glufosinat, seinen Salzen 3-[Hydroxy(methyl)phosphinoyl]propionsäure (MPP) und N-Acetyl-glufosinat (NAG), ausgedrückt als Glufosinat) oder Mepiquat. Zur Abwertung um vier Noten führt: ein Mehrfachrückstand von 15 oder mehr Pestiziden. Zur Abwertung um drei Noten führt: ein Mehrfachrückstand von 11 bis 14 Pestiziden. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Mehrfachrückstand von 7 bis 10 Pestiziden; b) ein gemessener Pestizidgehalt, der den entsprechenden EU-Rückstandshöchstgehalt zu mehr als 50 bis 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle: "erhöht"), hier: Glufosinat (Summe aus Glufosinat, seinen Salzen 3-[Hydroxy(methyl)phosphinoyl]propionsäure (MPP) und N-Acetyl-glufosinat (NAG), ausgedrückt als Glufosinat) oder Glyphosat; c) 3 bis 4 besonders bedenkliche Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Mehrfachrückstand von 2 bis 6 Pestiziden; b) 1 bis 2 von der EU verbotene oder nicht mehr zugelassene Pestizide in gemessenen Gehalten von jeweils mehr als 0,01 mg/kg ; c) 1 bis 2 besonders bedenkliche Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg.

Testmethoden 

Glyphosat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA)/Glufosinat; Ethephon: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).Chlormequat / Mepiquat: § 64 LFGB L 00.00-76 : 2008-12; mod. Modifikation: auch Anwendung auf fetthaltige pflanzliche und auf tierische Produkte; Einwaage
Pestizid-Screening: GC-MS/MS (DIN EN 15662:2019); LC-MS/MS (§ 64 LFGB L 00.00-113 : 2015-03, mod. Modifikation: Einwaage, Miniaturisierung Reinigung, auch Anwendung für Futtermittel); Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen.

Einkauf der Testprodukte: Januar 2024 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 05/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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