- Wir haben 30 Mal Paprika edelsüß im Labor auf Pestizide untersuchen lassen.
- Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Paprikapulver ist aus unserer Sicht so stark mit verschiedenen Pestizidrückständen belastet, dass sie mit "mangelhaft " oder "ungenügend" durch den Test fallen.
- Auffällig: Unter den gefundenen Pesitiziden befinden sich auch solche, die in der EU verboten sind.
- Dass Paprikagewürz auch ohne Spritzgifte geht, zeigen 15 "sehr gute" Produkte in unserem Test.
Aktualisiert am 30.10.2024 | Paprika gehört zu den Allroundern unter den Gewürzen und rangiert auf der Beliebtheitsskala der Deutschen noch immer auf Platz zwei hinter Pfeffer. Das aromatisch rote Pulver ist aber zugleich eines der am meisten mit Pestiziden belasteten Gewürze – das zeigten Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den vergangenen Jahren immer wieder.
Wir haben das zum Anlass genommen, beim Thema Spritzmittel einmal ganz genau hinzuschauen und haben 30 edelsüße Paprikapulver ausschließlich und umfassend auf Pestizide analysieren lassen. Das Ergebnis: Zur Hälfte Licht, zur Hälfte Schatten.
Paprikapulver im Test: Edelsüße Pestizid-Cocktails
Viele Paprikapulver haben in unseren Augen ein dickes Problem mit Pestiziden. 11 von 30 Gewürzen im Test sind glatt "ungenügend", vor allem wegen massiver Mehrfachbelastungen und zu hoher Rückstände von Glufosinat.
Bei den meisten der betroffenen Produkte liegen die gemessenen Werte über dem Grenzwert für das – in der EU verbotene – Breitbandherbizid. Drei Pulver überschreiten den Wert auch abzüglich Messunsicherheit, so dass sie nach unserer Einschätzung gar nicht hätten verkauft werden dürfen. Auch der Grenzwert für den Wachstumsregulator Mepiquat wird zweimal im Test gerissen.
Glufosinat seit 2019 in der EU verboten
Doch was ist das Problem mit diesen Spritzgiften? Die Antwort zu Mepiquat ist schnell gegeben: Mepiquat wirkt sich laut Europäischer Chemikalienagentur ECHA schädlich auf Wasserorganismen aus. Bei Glufosinat müssen wir weiter ausholen.
Dass das verbotene Breitbandherbizid nun reihenweise in den von uns getesteten Paprikagewürzen auftaucht, ist schon skandalös. Denn die Bedenklichkeit von Glufosinat ist nicht einmal umstritten: Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stuft den Stoff als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B ein.
Das bedeutet, er steht im Verdacht, die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen und das ungeborene Kind zu schädigen. Nicht umsonst ist der Einsatz des Unkrautvernichters auf europäischen Feldern seit 2019 verboten.
Die meisten Paprikagewürze im Test stammen aus China
Allerdings kommen die Paprikapulver mit auffälligen Glufosinatgehalten auch höchstens teilweise aus Europa. Wenn überhaupt. Bei manchen Anbietern mussten wir mehrmals nachhaken, um die Herkunft der in ihren Gewürzen vermahlenen Paprika zu erfahren, andere machten von Anfang an keinen Hehl daraus: Mit Abstand am häufigsten nannten sie uns als Herkunft China, weit abgeschlagen erst Spanien, Peru und Brasilien.
Das ist plausibel, denn China ist laut Außenhandelsstatistik das Lieferland Nummer eins für Paprikagewürz. Dass Glufosinat auf Paprikafeldern in China versprüht wird, ist dort auch legal. Zum Teil werden glufosinathaltige Spritzmittel aus Deutschland in außereuropäische Länder exportiert – unter anderem vom deutschen BASF-Konzern. Diese Doppelstandards – oder besser Doppelmoral – kritisieren wir und viele NGOs seit Jahren.
Besonders bedenkliche Pestizide
Aber Glufosinat ist in diesem Test nur die Spitze des Eisbergs. Vielmehr: des Pestizidbergs. Denn beim Auswerten der Laborberichte haben wir extreme Mehrfachbelastungen gezählt: Spitzenreiter sind 23 Pestizide auf einmal.
Nachgewiesen hat das Labor darunter zahlreiche Spritzmittel, die wir als besonders bedenklich für Mensch oder Umwelt einordnen – darunter der Unkrautvernichter Glyphosat, bei dem umstritten ist, ob er als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wird oder nicht.
Darum sind die Paprikapulver oft so stark belastet
Warum gerade in Paprikapulver solche üppigen Pestizidcocktails stecken? Paprika wächst in der Regel in Monokulturen und benötigt im Anbau sowohl hohe Temperaturen als auch vergleichsweise viel Wasser, teilte uns das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit. Unter diesen Bedingungen könnten sich Krankheiten stark vermehren und entsprechend hoch könne "der Bedarf an Pflanzenschutzmaßnahmen" ausfallen.
Außerdem ist Paprikapulver ein Gewürz, das aus getrockneten und anschließend vermahlenen Paprikafrüchten hergestellt wird. Aber nicht aus der Paprikafrucht, wie sie bei uns an der Gemüsetheke liegt, sondern aus speziell dafür angebauten Gewürzpaprika.
Je nachdem welche Sorten und wie viel von den scharfen Kernen mitvermahlen sind, unterscheiden sich die fertigen Gewürzpulver in ihrem Aroma, dem Schärfegrad und der Farbe. Paprika edelsüß enthält zum Beispiel kaum Scharfstoffe, Rosenpaprika umso mehr. Beim Abmischen des fertigen Gewürzpulvers fließt häufig Rohware aus ganz unterschiedlichen Anbauregionen ein. Das sagen uns viele konventionelle Anbieter dieses Tests und nennen uns als Herkunftsländer ihrer Paprika an erster Stelle China, gefolgt von Brasilien.
"Da kommt in einer Gewürz-Charge die Rohware zahlreicher Erzeuger zusammen, die jeweils andere Pestizide eingesetzt haben. Das ist der Grund dafür, dass wir am Ende ein richtiges Sammelsurium an Pestiziden in den Paprikapulvern finden", erklärt Marc Wieland vom CVUA Stuttgart. Das Untersuchungsamt hatte 2019 Paprikapulver untersucht und bis zu 32 verschiedene Pestizide in einer Probe gefunden.
Sind die Pestizidspuren gefährlich?
Akut gesundheitsschädlich sind diese einzelnen Pestizidgehalte, von denen wir die meisten als Spuren einordnen, erst einmal nicht. Denn die Paprikapulver landen ja nicht in riesigen Mengen im Gulasch oder Obazda. Mit dem Argument der geringen Verzehrmengen schließt das BVL ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher selbst dann aus, wenn ein Paprikapulver über Grenzwert mit Pestiziden belastet ist.
Was wir allerdings sehr viel kritischer sehen, ist die Vielzahl von Pestizidspuren wie hier in diesem Test. Denn diese Mehrfachbelastungen addieren sich, und mögliche Wechselwirkungen der Pestizide untereinander sind nach unserer Auffassung noch viel zu wenig erforscht.
Bereits 2020 hatte das BVL Importeure und Hersteller von Paprika- und Chilipulvern aufgefordert, ihre Eigenkontrollen zu verstärken, nachdem diese Gewürze den Überwachungsbehörden immer wieder wegen überhöhter Pestizidbelastungen aufgefallen waren. Unser Test zeigt: Hier bleibt nach wie vor viel zu tun.
15 Paprikapulver im Test mit Bestnote
Was dieser Test ebenso zeigt: Paprikaanbau ohne Pestizide – das geht! In fast der Hälfte der getesteten Pulver hat das beauftragte Labor nämlich null Spritzmittel oder nur ein einzelnes im niedrigen Spurenbereich nachgewiesen. Dementsprechend schneiden auch 15 von 30 Produkten mit "sehr gut" ab.
Würzen mit Paprikapulver: Tipps
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Paprika kann bei allzu großer Hitze bitter werden. Deshalb am besten erst zum Ende der Garzeit ins Gericht geben.
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Paprikapulver trocken, kühl und vor allem dunkel lagern – sonst verliert es schnell sein Aroma
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 05/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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