Rohrzucker im Test: Bio bedeutet noch nicht fair gehandelt

Magazin Oktober 2021: Zucker | Autor: Christine Throl/Birgit Hinsch/Meike Rix/Cordula Posdorf | Kategorie: Essen und Trinken | 30.09.2021

Rohrzucker im Test: Bio bedeutet noch nicht fair gehandelt
Foto: ÖKO-TEST

Im Zuckerrohranbau arbeiten Menschen teils unter unwürdigen Bedingungen. Wir haben 45 Rohrzucker unter anderem auf genau diese Bedingungen untersuchen lassen. Erschreckend: Viele Zuckeranbieter konnten nicht belegen, dass sie sich um die Einhaltung von Menschenrechten in den Herkunftsländern bemühen.

  • Gerade einmal 14 von 45 Produkten im Test konnten bei Anbau und Transparenz ein "sehr gut" holen. Drei Bio- sowie fast die Hälfte der konventionellen Zucker fallen dagegen durch.
  • Positiv: Fast alle der 45 getesteten Rohrzucker können bei den Inhaltstoffen überzeugen.
  • Interessant zu wissen: Rohzucker und einfacher Haushaltszucker sind chemisch identisch.

Rohrzucker wird häufig beim Backen verwendet oder er begegnet einem abends in der Cocktailbar, wenn man einen Mojito bestellt. Rohrzucker ist häufig dunkler als Haushaltszucker, wirkt dadurch exotisch. Aber ist er auch gesünder als der Zucker aus den Zuckerrüben?

Rohrzucker im Test: Alle Ergebnisse im ePaper

Ist Rohrzucker gesünder als herkömmlicher Zucker?

Nein, Vollrohr- und Rohrohrzucker haben gegenüber raffiniertem Haushaltszucker keine gesundheitlichen Vorteile. Sie gehen genauso schnell ins Blut, enthalten nicht weniger Kalorien und fördern Zahnkaries in gleicher Weise. Die wenigen enthaltenen Mineralstoffe sind auch kein Grund, braunen Zucker für gesünder zu halten oder extra viel davon zu sich zu nehmen.

Zucker aus Rüben und aus Zuckerrohr sind chemisch identisch. Sie bestehen beide aus Saccharose. Saccharose ist ein Zweifachzucker aus Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fructose).

Weil in (Roh-)Rohrzucker und Vollrohrzucker anders als in Haushaltszucker meist der Zuckersirup Melasse enthalten ist, sind die Produkte aber cremefarben bis bräunlich statt strahlend weiß. Zudem schmecken sie dann auch stärker nach Karamell.

(Foto: ÖKO-TEST)

Wir haben 45 Rohrzucker, 31 Bio- und 14 konventionelle Produkte, getestet. Auffällig dabei: Leider hat das Geschäft mit Zucker bittere Seiten. Kleinbauern bekommen zu wenig Geld für ihren Rohstoff. Erntearbeiter können von ihren Löhnen nicht leben. Die Natur wird zerstört, weil der Anbau von Zuckerrohr immer mehr Fläche verschlingt.

Stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt guten, sozial verträglichen Rohrzucker? 

Schlechte Produktionsbedingungen bei Rohrzucker

Beim Testergebnis Anbau und Transparenz, darunter fallen zum Beispiel der Nachweis von Lieferketten oder das Verbot hochgefährlicher Pestizide, gibt es erhebliche Unterschiede. Gerade einmal 14 von 45 Produkten punkten hier mit "sehr gut". Drei Bio- sowie fast die Hälfte der konventionellen Zucker fallen dagegen durch - zum Teil mit "mangelhaft" und in einem Fall sogar mit "ungenügend".

Synthetische Pestizide dürfen Landwirte im Bio-Anbau nicht einsetzen. Bei Fairtrade-Produkten stehen immerhin etliche, besonders gefährliche Stoffe, auf einer Verbotsliste. Auch wenn hier einige Stoffe fehlen, die wir kritisch sehen, ist das besser als die Gleichgültigkeit der Anbieter einiger herkömmlicher Zuckermarken, die keine Standards vorgeben und nur auf lokale Gesetze verweisen.

Lieferkettengesetz Anfang 2023 geplant

Produktionsbedingungen, insbesondere in ärmeren Ländern, können sich nur verbessern, wenn diejenigen Firmen, die große Mengen an Produkten von dort beziehen, dafür auch Verantwortung übernehmen.

Erst ab Januar 2023 wird das Lieferkettengesetz gerade einmal die 900 größten Unternehmen in Deutschland ein Stück weit in die Pflicht nehmen. Die Möglichkeit, sich mit einem "davon wussten wir nichts, wir kennen doch nur den Zwischenhändler" aus der Affäre zu ziehen, soll dann entfallen.

Die Auswertung der Rückmeldungen auf unseren aktuellen, umfangreichen Fragebogen zum Rohrzucker zeigt: 15 Mal wissen die Anbieter über ihre Lieferkette genau Bescheid. Sie konnten alle Stationen von der von uns im Laden gekauften Charge des fertigen Produkts bis zurück zum Produzenten transparent machen und durch Dokumente belegen. Ein erster, wichtiger Schritt.

Für Vollrohzucker pressen die Hersteller das Zuckerrohr aus, klären und filtern den Saft, kochen ihn zu Sirup ein. Dieser wird dann abkühlt und gemahlen.
Für Vollrohzucker pressen die Hersteller das Zuckerrohr aus, klären und filtern den Saft, kochen ihn zu Sirup ein. Dieser wird dann abkühlt und gemahlen. (Foto: Piyawat Nandeenopparit /Shutterstock)

Bei Siegeln zum fairen Handeln gibt es externe Kontrollen

Für die besten Rohrzucker im Test zeigten die Anbieter darüber hinaus ihre Bemühungen für gute Bedingungen im Zuckerrohranbau, unter anderem durch Zertifizierungen aus dem Bereich des fairen Handels.

Denn hinter Fairtrade, Hand in Hand, Fair for Life und dem Branchenstandard Bonsucro stehen nicht nur Absichtserklärungen und Kriterienkataloge, sondern auch Kontrollen durch externe Prüfer. Darunter beispielsweise das Prüfen konkreter Maßnahmen zugunsten der Farmarbeiter und Kleinbauern, wie die Bereitstellung von Schutzausrüstung, Schulungen oder Gewerkschaftsfreiheit.

Problem: Schlechte Löhne beim Anbau von Rohrzucker

Brasilien beutet Menschen und Umwelt im Zuckerrohranbau im größten Maßstab aus. Aber nicht nur in Brasilien, sondern auch in den anderen Anbauländern wie zum Beispiel Kolumbien, Paraguay oder Costa Rica gilt: Die Einkommen der Zuckerrohrbauern sind in der Regel nicht existenzsichernd.

Doch nur solche Einkommen würden den Familien neben Nahrung und Unterkunft auch die Teilhabe an Bildung und Gesundheitsversorgung sichern. Sie würden zudem ermöglichen, auch für unerwartete Ereignisse vorzusorgen.

Die Standards Fairtrade und Fair for Life geben wenigstens eine schrittweise Annäherung der Löhne an ein existenzsicherndes Niveau vor. Das ist besser als die bloße Ankündigung, sich um dieses Thema kümmern zu wollen.

Rohrzucker im Test: Keine Schadstoffe gefunden

Eine gute Nachricht zum Schluss: Im Zucker hat das beauftragte Labor keine Pestizide nachgewiesen. Auch darüber hinaus waren die Laborergebnisse für alle 45 Rohrzucker erfreulich: Sie enthielten allenfalls Spuren von Schwermetallen oder Mineralölbestandteilen.

In ein paar wenigen Fällen kritisieren wir aber die Präsentation der Nährwerte auf der Verpackung. Zucker als "natürliche Eisenquelle" oder "reich an Vitaminen und Mineralstoffen" anzupreisen geht in die falsche Richtung. 

Die Testsieger, die Testtabelle sowie das gesamte Ergebnis im Detail lesen Sie im ePaper.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 45 Vollrohr- und Rohrzucker eingekauft. Dabei haben wir von den einzelnen Marken, wenn vorhanden, jeweils bevorzugt die Variante aus fairem Handel und/oder biologischem Anbau ausgewählt. In spezialisierten Laboren ließen wir die Zucker auf Pestizidrückstände, Schwermetalle und Verunreinigungen mit Mineralöl untersuchen. Auch das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid Glyphosat war Teil des Prüfprogramms.

Außerdem ging es uns um die Anbaubedingungen und die Transparenz: Können die Anbieter ihre Lieferkette nachvollziehen und offenlegen? Fordern sie in einem Verhaltenskodex von ihren Zulieferern das Verbot von Kinderarbeit, von Zwangsarbeit und Diskriminierung ein? Und wird das durch unabhängige Dritte überprüft? Können die Unternehmen konkrete Maßnahmen für Farmarbeiter und Kleinbauern belegen, wie Gewerkschaftsfreiheit, die Möglichkeit zu Beschwerden, die Bereitstellung von Schutzausrüstung und Schulungen? Können sie Schritte in Richtung existenzsichernder Löhne belegen? Dazu haben wir mit der Control Union Certifications Germany einen umfangreichen Fragebogen entwickelt.

Bewertungslegende

Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

Bewertung Testergebnis Zuckerrohranbau und Transparenz: Das Testergebnis Zuckerrohranbau und Transparenz beruht auf einer maximalen Punktzahl von 31 Punkten für Lieferkette für getestete Charge belegt, unternehmerische Sorgfaltspflicht belegt, Konkrete Maßnahmen für Farmarbeiter und Kleinbauern belegt, existenzsichernde Löhne und Verbot hochgefährlicher Pestizide. Bei 26 bis 31 Punkten lautet das Testergebnis Zuckerrohranbau und Transparenz "sehr gut"; bei 21 bis 25 Punkten "gut", bei 16 bis 20 Punkten "befriedigend"; bei 11 bis 15 Punkten "ausreichend"; bei 6 bis 10 Punkten "mangelhaft; bei 1 bis 5 Punkten "ungenügend".

Lieferkette von der Produktcharge bis zu den Produzenten: belegt ("ja") = 3 Punkte; teilweise belegt ("teilweise") = 2 Punkte; keine Belege oder/und keine Angabe ("nein") = 0 Punkte.

Unternehmerische Sorgfaltspflicht belegt: belegt ("ja") = 9 Punkte; "überwiegend" belegt = 5 bis 8 Punkte; "teilweise" belegt = 1 bis 4 Punkte; Fragen nicht beantwortet ("nein") oder gar nicht geantwortet ("keine Angabe") = 0 Punkte. Darin enthalten: a) im Rahmen des Tests anerkannte Zertifizierungen und/oder Code of Conduct für Zulieferer vorhanden: nachgewiesen = 3 Punkte; teilweise nachgewiesen = 2 Punkte; im Fragebogen mit "ja" angegeben, aber nicht nachgewiesen = 1 Punkt; keine Antwort / keine Angabe = 0 Punkte. b)

Überwachung des Code of Conduct: Externe Überwachung = 3 Punkte; interne Überwachung = 2 Punkte; Unterschrift des Zulieferers erforderlich = 1 Punkt; keine Antwort/keine Angabe = 0 Punkte. c) Unternehmensrichtlinie des Inverkehrbringers vorhanden: nachgewiesen = 3 Punkte; teilweise nachgewiesen = 2 Punkte; im Fragebogen mit "ja" angegeben, aber nicht nachgewiesen = 1 Punkt; keine Antwort / keine Angabe = 0 Punkte.

Konkrete Maßnahmen für Farmarbeiter und Kleinbauern: belegt ("ja") = 12 Punkte; "überwiegend" belegt = 6 bis 11 Punkte; "teilweise" belegt = 1 bis 5 Punkte; Fragen nicht beantwortet ("nein") oder gar nicht geantwortet ("keine Angabe") = 0 Punkte. Darin: Beschwerdemechanismen auf Farmebene, Bereitstellung von Schutzausrüstung, Schulungen und Gewerkschaftsfreiheit: nachgewiesen = jeweils 3 Punkte; teilweise nachgewiesen = jeweils 2 Punkte; im Fragebogen mit "ja" angegeben, aber nicht nachgewiesen = jeweils 1 Punkt; keine Antworten/ keine Angabe = 0 Punkte.

Existenzsichernde Löhne: bereits erreicht = 4 Punkte; in der Umsetzung ("in Umsetzung") = 2 Punkte; in der Planung ("in Planung") = 1 Punkt; keine Schritte erkennbar oder keine Antwort ("nein")/keine Angabe = 0 Punkte.

Verbot hochgefährlicher Pestizide: "ja" = 3 Punkte; laut den Verbotslisten von Fairtrade und Bonsucro ("weitgehend") = 2 Punkte; wenn keine Verbotslisten vorhanden sind, aber auf die Einhaltung von EU-Recht verwiesen wird ("teilweise") = 1 Punkt; keine einzuhaltende Vorgaben beim Code of Conduct und/oder Verweis auf das Einhalten der gesetzlichen Anforderungen im Anbauland/Branche und/oder keine Belege für das Verbot hochgefährlicher Pestizide ("nein") = 0 Punkte. Bei der Beurteilung haben wir uns an der Liste für Highly Hazardous Pesticides von August 2021 des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN Germany) orientiert.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Packungsangaben auf einem Zuckerprodukt, die suggerieren, das Produkt enthalte relevante Nährstoffgehalte und habe dadurch gesundheitliche Vorteile ("hier: Er ist eine natürliche Eisenquelle" oder "Natürlich reich an Vitamin B6 und den Mineralien Eisen, Kalium, Magnesium, Zink und Calcium"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Überflüssige Angabe von Vitamin- und/oder Mineralstoffgehalten in der 100-g-Nährwerttabelle auf einem Zuckerprodukt, sofern nicht schon um vier Noten für Packungsangaben, die gesundheitliche Vorteile suggerieren, abgewertet wurde; b) überflüssige Angabe von prozentualen Nährstoffbezugswerten bzw. Referenzmengen für Kohlenhydrate und Zucker.

Gesamturteil: Das Gesamturteil beruht zu je 50 Prozent auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe und dem Testergebnis Zuckerrohranbau und Transparenz. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe nicht. Das Gesamturteil kann höchstens eine Note besser sein als das Testergebnis Zuckerrohrproduktion und Transparenz.

Preisberechnung basiert auf der kleinsten, angebotenen Verpackungseinheit.

Testmethoden

Pestizide: Pestizidscreening mit GC-MS und LC-MS/MS. Glyphosat, Glufosinat, AMPA: LC-MS/MS. Mineralölbestandteile (MOSH/MOSH-Analoga/MOAH: DIN EN 16995:2017 mod. Die Modifikation betrifft die Verseifung und eine andere Matrix. Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Elementbestimmung mittel ICP-MS. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: April bis Juni 2021.

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