Viele kennen es: Man liegt abends im Bett und weiß, es ist Zeit zum Schlafen, um am nächsten Tag fit zu sein – doch es klappt nicht. Wir haben mit Schlafforscherin Professorin Andrea Rodenbeck darüber gesprochen, wie sich die Klimakrise auf unseren Schlaf auswirkt, was die Folgen von Schlafmangel sind und wie man bessere Schlafbedingungen schaffen kann. Ein Interview.
Lässt uns die Klimakrise schlechter schlafen?
ÖKO-TEST: Steigende Temperaturen erschweren das Einschlafen und verkürzen den Schlaf. Ein deutsch-dänisches Forscherteam hat mithilfe von Trackingbändern von Zigtausend Personen aus 68 Ländern ermittelt, dass Menschen heute im Durchschnitt 44 Stunden Schlaf pro Jahr verlieren –Tendenz steigend. Raubt uns also die Klimakrise den Schlaf?
Andrea Rodenbeck: So pauschal würde ich das nicht sagen. Aber klar ist: Höhere Nachttemperaturen und weniger Abkühlung erhöhen unsere Körperkerntemperatur, sie erschweren das Einschlafen und verschlechtern die Schlafqualität. Heiße Sommernächte gab es natürlich schon immer. Aber man muss davon ausgehen, dass solche Sommernächte künftig häufiger auftreten und wir dadurch schlechter schlafen.
Welche Schlafphasen werden davon am meisten beeinträchtigt?
Rodenbeck: Vor allem das Einschlafen fällt schwerer. Auch der Tiefschlaf und damit die Schlafeffizienz nehmen ab. So wird die Zeit, die wir im Bett schlafen, generell kürzer. Nur der REM-Schlaf – also der Rapid-Eye-Movement-Schlaf, in dem drei Viertel des klassischen Träumens vorkommen – ist davon wenig berührt. Er nahm in Studien erst bei 35 Grad und 75 Prozent Luftfeuchtigkeit ab.
Warum wird bei höheren Temperaturen der Schlaf überhaupt gestört?
Rodenbeck: Einschlafen fällt uns leichter, wenn die Körpertemperatur sinkt. Das gelingt dem Körper dadurch, dass die Durchblutung der äußeren Hautschichten insbesondere an Händen und Füßen gesteigert wird. Damit geben wir Wärme an die Umgebung ab.
Wenn die Temperatur im Schlafraum zu hoch ist, kann dieser Mechanismus schlechter wirken und wir senken die Körpertemperatur nicht so gut ab. Damit wir besonders schön einschlafen können, sollte die Raumtemperatur im Schlafraum zwischen 16 und 18 Grad liegen.

Aber auch bei schwüler Luft fällt das Schlafen schwerer …
Rodenbeck: Eine höhere Luftfeuchtigkeit spielt tatsächlich eine große Rolle. Untersuchungen zeigen, dass sich eine hohe relative Luftfeuchtigkeit zusammen mit einer höheren Raumtemperatur negativ auf den Schlaf auswirkt. Denn wenn die Luftfeuchtigkeit der Umgebung höher ist, können wir ebenfalls weniger Wärme an die Umgebung abgeben. Das Schwitzen hat dann nicht mehr die gleiche Wirkung.
Das führt zu längeren Einschlaf- und Wachzeiten in der Nacht. Hinzu kommt noch ein anderes Problem, das man beim Klimawandel sehen kann: die Änderung der Lichtstärke.
Was Sonnenlicht mit unserem Schlaf zu tun hat
Inwiefern?
Rodenbeck: Die Lichtstärke verändert sich durch die Klimakrise zu unserem Nachteil, da sich auch die Bewölkung verändert. Aktuelle Modelle gehen davon aus, dass ihr Grad besonders in norddeutschen Bundesländern im Frühling und Sommer ab- und damit die Lichtstärke zunimmt, während die Bedeckung im Winter dichter wird. So erleben wir mehr Tage mit 100 Prozent Bewölkung, und auch die Zahl der auf einanderfolgenden Tage ohne Sonne nimmt zu. Das bedeutet eine größere biologische Dunkelheit.
Auch das macht etwas mit unserem Schlaf. Wir brauchen Sonnenlicht am Tag, um unseren inneren Rhythmus auf 24 Stunden zu halten. Wenn wir aber die Sonne mehrere Tage nicht sehen, wirkt sich das auf uns aus. In den westlichen Industrienationen leiden wir ja ohnehin unter einem sozialen Jetlag, weil wir früher aufstehen müssen, als es unserem inneren Rhythmus entspricht. Dieser Effekt kann sich durch veränderte Bewölkung verschlechtern.
Gibt es Bevölkerungsgruppen, die davon besonders betroffen sind?
Rodenbeck: Kinder leiden stärker unter der Wärme. Je jünger sie sind, umso schlechter können sie ihre Körpertemperatur selbst regulieren. Auch Schwangere, deren Schlaf sowieso nicht so gut ist, trifft es. Generell sind Frauen stärker betroffen als Männer, und Menschen über 65 Jahren sogar doppelt so stark.
Ältere trinken außerdem oft zu wenig, wenn es sehr warm ist, was ihre Temperaturregulation weiter erschwert. Aber auch bei Schichtarbeitern kommen die heißen Tage besonders zum Tragen. Wenn sie aus der Nachtschicht kommen und ein heißer Tag beginnt, ist es natürlich schwieriger, eine vernünftige Temperatur im Schlafraum zu halten.
Nächtliches Grübeln macht den Schlaf schlecht
Sehen Sie auch Unterschiede zwischen Stadt und Land?
Rodenbeck: In der Stadt gibt es größere Belastungen – etwa durch mehr Hitze und Lichtverschmutzung wie durch Straßenlaternen. Mehrere Studien haben festgestellt, dass Vögel in städtischen Gebieten mit starker Lichtverschmutzung etwa 50 Minuten länger am Tag singen als in dunklen Regionen. Auch die Temperatur ist
in der Stadt bis zu fünf Grad höher als im Umland.
Auf dem Dorf ist die Lichtverschmutzung zwar in der Regel deutlich geringer und die gute Durchlüftung der Häuser kein Problem. Aber dort gibt es andere Sorgen, zum Beispiel weil landwirtschaftliche Arbeiten sehr früh beginnen – das fängt morgens mit den Hühnern an. Kinder auf dem Land müssen oft früher zum Schulbus, und ihre Eltern haben eine längere Anfahrt zur Arbeit.
Rauben uns in Zeiten der Klimakrise auch psychische Faktoren den Schlaf?
Rodenbeck: Ja, natürlich. Angststörungen kennen wir ja schon lange, wie vielleicht früher die Angst vor einem Atomkrieg oder vor Arbeitslosigkeit. Die Angst vor den Folgen des Klimawandels, also die intensive Sorge, was aus der Menschheit und der Tierwelt auf unserem Planeten wird, ist neu hinzugekommen.
Es sind vor allem jüngere Menschen, die sich viele Gedanken darum machen, was mit unserer Natur und unserer Umwelt passiert. Es kann aber auch den Landwirt betreffen, der sich darum sorgt, wie er in der Klimakrise auf den Feldern und in der Tierhaltung noch wirtschaften kann. All das führt zu nächtlichem Grübeln und macht den Schlaf schlecht.
Die Folgen von Schlafmangel
Was bedeutet Schlafmangel gesundheitlich für uns – neben schlechter Laune am Morgen?
Rodenbeck: Schlafmangel führt tatsächlich zu höherer Reizbarkeit, gesteigerten Stresshormonen und Konzentrationsmangel, was Auswirkungen, etwa auf die Fahrtüchtigkeit oder das Bedienen von Maschinen, haben kann.
Ein Grund für die morgendliche Anspannung ist die Anstrengung, die Körpersysteme hochzufahren, die uns nach einer schlechten Nacht wach machen sollen. Wir versuchen ja aktiv zu überschreiben, dass wir eigentlich total müde sind. Viele Menschen reagieren darauf schon nach wenigen Nächten sehr sensibel. Folgen für das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel kommen dann nach einer Weile hinzu.
Was ist nach einer schlechten Nacht zu beachten?
Rodenbeck: Man muss aufpassen, nicht in einen Teufelskreis zu geraten, indem man am nächsten Abend den Schlaf erzwingen will oder Angst vor der Nacht oder Wut über das Nichtschlafenkönnen entwickelt. All das treibt während der Nacht unser Stresssystem hoch, und man schläft umso schlechter ein.
In heißen Sommernächten sollte man daher lieber versuchen, entspannt zu bleiben und negative Gedanken zu vertreiben. Man kann üben, sich negative Gedanken um den Schlaf bewusst zu machen und sie zu stoppen, sobald man sich dabei ertappt. Besser ist es, aufzustehen, etwas Entspannendes zu tun und es mit dem Schlafen später wieder zu versuchen.
Außerdem sollte man am Morgen nach einer schlechten Nacht rechtzeitig aufstehen. Man darf nicht den Fehler machen, länger zu schlafen, weil dann der Schlafdruck für die nächste Nacht fehlt. Unser Körper soll nicht lernen, dass das Bett mit Wachliegen verbunden ist.
Tipps: So schafft man bessere Schlafbedingungen
Was können wir außerdem tun, um für besseren Schlafbedingungen zu sorgen?
Rodenbeck: Wichtig ist eine ausreichende Verdunkelung, weil der Körper die Dunkelheit wirklich braucht, um vernünftig schlafen zu können. Nur dann wird Melatonin ausgeschüttet, also das Schlafhormon, das schlafregulierend wirkt, weil es dem Körper sagt: Es ist dunkel, tue bitte das, was du jetzt tun sollst!
Hilfreich ist es, an heißen Tagen das Fenster geschlossen zu halten und den Raum auch tagsüber zu verdunkeln, damit die Sonne und die warme Luft nicht hereinströmen. So bleibt das Schlafzimmer kühler. Durchlüften kann man abends vor dem Schlafengehen, ein Ventilator kann ebenfalls unterstützen. Auch kühleres Bettzeug und eine dünnere Sommerdecke können helfen.
Welche Rolle spielt für unseren Schlaf die nächtliche Handynutzung?
Rodenbeck: Die Mediennutzung abends im Bett ist meines Erachtens ein größeres Problem als die Lichtverschmutzung in den Städten. Bildschirme von Laptops und Handys strahlen viel mehr Blaulicht aus, das uns wach hält, als es früher Fernseher taten. Daher ist mein Appell: Ab 20 Uhr automatisch den Blaulichtfilter einschalten – oder das Gerät weglegen. Das wäre für unseren Schlaf und unsere innere Uhr eine große Hilfe.
Was können Politik und Gesellschaft tun, um unsere Schlafqualität zu erhalten?
Rodenbeck: Es gibt viele gute Ideen, wie wir uns anpassen können. Schlafräume sollten nach Norden ausgerichtet und ordentlich zu verdunkeln sein. Mehr Grünflächen und Schatten können die Hitze in den Städten abmildern. In Wohngebieten lässt sich die Lichtemission reduzieren, zum Beispiel durch smarte Straßenlaternen, die nur leuchten, wenn jemand vorbeigeht, und die wenig Blaulicht enthalten. Sie sollten auch nicht in alle Richtungen abstrahlen, sondern nur auf die Gehwege.
Manche Architekten und Stadtplaner achten bereits auf solche Aspekte. Auch Privatpersonen und Unternehmen können ihre helle Außenbeleuchtung reduzieren. Wenn sich die Gesellschaft darüber Gedanken macht, kann man diese Themen durchaus in den Griff bekommen.
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