Liebeskugeln im Test: Nur 5 von 16 sind "sehr gut"

ÖKO-TEST August 2018 | Autor: Stephan Kümmel | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 26.07.2018

Liebeskugeln im Test: Wir haben 16 Produkte getestet.
Foto: Olha Solodenko/Shutterstock

Liebeskugeln sollen den Beckenboden der Frau trainieren und sexuell stimulieren. Manche sorgen aber wegen bedenklicher Inhaltsstoffe eher für Unbehagen im Intimbereich. Unser Test zeigt, welche Kugeln Lust auf mehr machen.

Liebeskugeln trainieren den Beckenboden. Die rotierenden Kugeln, getragen in der Vagina, sorgen durch leichte Vibrationen für Muskelkontraktionen, gleichzeitig für eine sanfte Stimulation. Richtig angewendet können sie mithelfen, einer drohenden Inkontinenz vorzubeugen.

Im Fokus der Lifestyleprodukte, die es in Sexshops und Drogeriemärkten zu kaufen gibt, steht aber der sexuelle Mehrwert. Liebeskugeln versprechen, durch spielerisches Muskeltraining die Empfindsamkeit und die Orgasmusfähigkeit zu steigern.

Ganz ohne sind die Spielzeuge aber nicht. "Fehlende Hygiene sehen wir als großes Problem", sagt Dr. Susanne Kramarz vom Berufsverband der Frauenärzte. "Viele Liebeskugeln haben kleine Nähte oder Rillen. Dort können sich Keime festsetzen."

Frau könne noch so intensiv mit Wasser und Seife schrubben, echten Schutz vor Bakterien biete nur konsequentes Abkochen. Das aber ist nicht bei allen Produkten möglich. Entstehen durch die Nähte und Rillen Mikroverletzungen in der Schleimhaut, sind Entzündungen möglich.

Liebeskugeln im Test: Wie steht es um Schadstoffe?

Im Material der Liebeskugeln stecken bisweilen weitere Gefahren: So verwenden einige Hersteller Kunststoffe, in denen zinnorganische Verbindungen stecken. Als Antioxidantien verhindern sie während der Kunststoffproduktion das Entstehen von Salzsäure. Als Stabilisatoren machen sie Plastik hitze- und lichtbeständig, in der Silikonherstellung dienen sie als Katalysatoren.

Das Problem: Im Tierversuch erwies sich Dibutylzinn als hormonell wirksam. Das könnte auch beim Menschen der Fall sein. Zudem reichern sich zinnorganische Verbindungen in der Umwelt an und sind schwer abbaubar. In Liebeskugeln, die im empfindlichen Vaginalbereich zum Einsatz kommen, haben diese Stoffe nichts verloren.

Auf diese und weitere problematische Substanzen hat ÖKO-TEST 16 Liebeskugeln testen lassen.

Nur fünf Liebeskugeln sind "sehr gut"

Das Ergebnis: Unter den 16 getesteten Liebeskugeln schneiden nur fünf Produkte mit Bestnote ab. Von fünf Produkten raten wir ab, weil sie mit "ungenügend" beziehungsweise "mangelhaft" durchfallen.

In fast allen getesteten Kugeln wies das von uns beauftragte Labor zinnorganische Verbindungen nach, in den meisten jedoch nur in geringen Spuren, die wir nicht abwerten. Vier Liebeskugelpaare sprengen unsere Abwertungsgrenzen aber deutlich. Sie enthalten jeweils hohe Gehalte an Dibutylzinn.

In einem Produkt steckt zudem Dioktylzinn, in einem anderen Tributylzinn. Zwar halten alle vier Produkte den gesetzlichen Grenzwert ein, ÖKO-TEST ist aber deutlich anspruchsvoller. Zumal etliche Kugeln zeigen: Es geht besser. Doch zinnorganische Verbindungen sind nicht das einzige Problem.

Nickel in Liebeskugeln im Test

Das Schwermetall Nickel kann Allergien auslösen. Metallteile, die mit der Haut in Berührung kommen, sollten deshalb möglichst nickelfrei sein. Ein Liebeskugelpaar aus Metall hält sich daran nicht. Der im Labor gemessene Nickelgehalt schöpft mehr als die Hälfte des in der Gebrauchsgegenständeverordnung geregelten Grenzwerts aus.

Muss nicht rein: In vereinzelten Produkten steckt das im Tierversuch krebserregende und womöglich erbgutschädigende Naphthalin in einer Menge, die wir abwerten. Auch in den anderen Produkten fanden wir den Stoff – allerdings nur in geringen Spuren.

Labor findet weitere bedenkliche Stoffe in Liebeskugeln 

Was ist außerdem im Liebeskugel-Test aufgefallen? In einem Produkt entdeckte das von uns beauftragte Labor das Lösungsmittel Isophoron. Es gilt als reizend, ist als krebsverdächtig eingestuft und hat an den empfindlichen Schleimhäuten im Intimbereich nichts zu suchen.

In einem anderen Liebeskugelpaar steckt Acetophenon, in einem weiteren Produkt haben die Labore 2-Phenyl-2-propanol nachgewiesen. Die beiden Nebenprodukte aus der Kunststoffherstellung können möglicherweise allergische Reaktionen und Hautreizungen hervorrufen.

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Liebeskugeln sollten sich abkochen lassen

Wichtig: Was den empfindlichen Schleimhäuten im Intimbereich so lange so nahe kommt wie Liebeskugeln, sollte sauber sein. Dafür müssen Anwenderinnen die Kugeln regelmäßig abkochen. Doch nicht jedes Produkt ist dafür geeignet.

Tatsächlich erlauben nur drei Produkte das heiße Reinigen. Alle anderen bergen das Risiko, dass sich an ihnen Bakterien einnisten. Produkte, die sich nicht abkochen lassen oder deren Anbieter dazu auch auf Nachfrage keine Angaben machen, erhalten deshalb unter dem Testergebnis Weitere Mängel Notenabzug.

Last und Lust: trainieren und stimulieren

Anbieter von Liebeskugeln versprechen, dass die Produkte den Beckenboden trainieren, für mehr Empfindsamkeit sorgen und Inkontinenz verhindern. Tatsächlich verliert der Beckenboden im Alter an Elastizität. Schwangerschaft und Geburt belasten die Muskulatur, in den Wechseljahren verändert sich das Gewebe.

Ein geschwächter Beckenboden kann zu einer Belastungsinkontinenz führen. Hier gibt der Körper beim Lachen, Husten oder schweren Heben ungewollt Urin, aber auch Stuhl ab. Liebeskugeln können vorbeugend helfen, den Beckenboden zu trainieren und zu stärken. Sobald aber die ersten Symptome auftreten, reichen die vibrierenden Kugeln nicht mehr aus.

"Die Belastungsinkontinenz ist Folge einer Bindegewebsschwäche", sagt Dr. Rainer Lange, Gynäkologe aus Alzey, der in seiner Praxis viele Patientinnen langfristig bei der Behandlung begleitet. Muskeltraining mithilfe von Liebeskugeln sei ein kleiner Baustein unter vielen: "Nur Liebeskugeln zu verwenden wäre, als versuchten Sie durch reines Krafttraining Tennis spielen zu lernen."

Beckenbodentraining: Erfolg ist nicht garantiert

Es bedürfe einer spezialisierten Krankengymnastik. "Zuerst steht die präzise Diagnostik, anschließend eine auf die Patientin zugeschnittene Therapie. Dabei können mitunter auch Liebeskugeln zum Einsatz kommen." Der Erfolg ist nicht garantiert. "Tatsächlich führt auch gezielte Krankengymnastik bei bestehender Belastungsinkontinenz nur in etwa 30 Prozent der Fälle zum gewünschten Erfolg", sagt Lange.

Wer in Eigenregie trainiert, sollte umsichtig sein: "Bei Eigentherapie kann es zu Verspannungen der Muskulatur kommen mit weiteren nicht auszuschließenden Beschwerden, etwa Rückenschmerzen", sagt der Gynäkologe.

Und was ist mit der möglichen erfüllenden Stimulation durch Liebeskugeln? Ob sie eintritt, muss jede Frau selbst ausprobieren. Der Gynäkologe sagt dazu: "Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu Liebeskugeln sind mir nicht bekannt."

Tipps zu Liebeskugeln

  • Wenn Sie Ihren Beckenboden trainieren wollen, tragen Sie die Kugeln anfangs höchstens zehn Minuten pro Tag. Sonst droht Muskelkater.
  • Modelle aus einem Guss sind leichter zu reinigen, können meist abgekocht werden und sind somit deutlich hygienischer als verspielte Toys.
  • Liebeskugeln mit elektrischer Vibration sollen besonders stimulierend wirken. Abkochen ist allerdings nicht drin.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf: Wir haben 16 Liebeskugeln in Sexshops und Drogeriemärkten eingekauft. Drei haben Kugeln aus Metall, fünf sind elektrisch. Diese Produkte legen den Fokus eher auf die Steigerung des Lustempfindens denn auf nüchternes Beckenbodentraining. Das günstigste mechanische Set kostet 2,90 Euro, die teuersten Liebeskugeln mit elektrischer Vibration und Fernbedienung schlagen mit 139,99 Euro zu Buche.

Die Inhaltsstoffe: Kunststoffteile und Silikon enthalten mitunter umstrittene Verunreinigungen aus der Produktion, etwa Dibutylzinn, Naphthalin oder Phthalate. Metallkugeln können mit allergisierendem Nickel belastet sein.

Die Weiteren Mängel: Sofern es nicht schon auf der Packung steht, haben wir bei den Herstellern nachgefragt, ob ihre Produkte – aus hygienischen Gründen – abgekocht werden dürfen. Außerdem achteten wir auf umweltschädliche chlorierte Verbindungen und bei elektrischen Geräten auf bromierte Flammschutzmittel auf den verbauten Platinen.

Die Bewertung: Unsere jahrelange Erfahrung zeigt: Sexspielzeug kann schadstofffrei sein. Wenn nicht: Zinnorganische Verbindungen, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Nickel und weitere bedenkliche und umstrittene Stoffe führen zu Notenabzügen. Hygienemängel, umweltschädliche chlorierte Verbingungen und den Nachweis von Brom auf der Platine werten wir unter den Weiteren Mängeln ab.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: mehr als 1000 μg/kg der zinnorganischen Verbindung Dibutylzinn. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) mehr als 100 µg/kg der krebsverdächtigen PAK-Einzelverbindung Naphthalin; b) eine Nickelabgabe aus Metallteilen von mehr als 50 Prozent des gesetzlichen Grenzwertes (0,5 μg/cm²/Woche); c) mehr als 6 mg/kg Isophoron in der Migration; d) mehr als 100 bis 1000 μg/kg der zinnorganischen Verbindung Tributylzinn oder Dioktylzinn, wenn nicht bereits wegen Dibutylzinn um vier Noten abgwertet wurde. Zur Abwertung um eine Note führt: mehr als 50 mg/kg 2-Phenyl-2-propanol und/oder Acetophenon.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) ein Produkt, das nicht abgekocht werden kann oder dessen Hersteller keine Angabe zum möglichen Abkochen macht; b) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt und/oder in der Verpackung; c) Brom auf der Platine.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Brom auf der Platine, Elemente, PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt / in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse. Nickel: Probenvorbereitung: Elution der Proben mittels saurer Schweißlösung. Elutionsdauer eine Woche. Analyse: Elementbestimmung mittels ICP-MS. Phthalate, sonstige Weichmacher, weitere Substanzen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe: GC-MSD (getestet auf 25 polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe nach EU/EPA/JECFA; untersucht wurde eine Mischprobe aus allen Materialien mit Hautkontakt). Zinnorganische Verbindungen: NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-ICP-MS. Isophoron: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung; Migration in Anlehnung an DIN EN 71-10:2006, Messung mittels HPLC-FLD

Einkauf der Testprodukte: März/April 2018.

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