Die Hoffnung ist groß, die Enttäuschung vorhersehbar, die Suche geht weiter: Die Geschichte der Pille gegen Übergewicht ist eine Geschichte der Misserfolge. Nicht etwa weil die Arzneimittel, in die man Hoffnungen setzte, nicht wirkten, sagt Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. "Die Nebenwirkungen waren aber bei allen so stark, dass die Einnahme als ‚nicht sicher' eingestuft werden musste."
So führten die Wirkstoffe Fenfluramin und Dexfenfluramin, die in einigen der ersten Schlankheitsmittel auf dem Markt steckten, zu Herzklappenproblemen. Die Einnahme des Appetitzüglers Sibutramin ging mit einem höheren Risiko für Herzinfarkte einher. Rimonabant schließlich markiert einen der dramatischsten Höhepunkte der erfolglosen Forschung: Psychische Nebenwirkungen wie Angstzustände und Depressionen führten in mehreren Fällen zum Suizid.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Den Wirkstoff Rimonabant hatten Forscher ursprünglich entwickelt, um Raucher von der Zigarette zu entwöhnen. Denn Rimonabant hemmt im Gehirn den Cannabinoid-1-Rezeptor, der bei Suchtverhalten eine Rolle spielt. Funktioniert hat das nicht. Eine Nebenwirkung des Präparats entpuppte sich als zweite Chance. Denn die Hemmung des Rezeptors führt auch zur Verringerung des Hungergefühls. Und so haben die Entwickler Rimonabant kurzerhand zum Appetitzügler umfunktioniert. Mit vier großen Studien, die den gewichtsreduzierenden Effekt nachgewiesen hatten, legte der Hersteller Sanofi-Aventis das Medikament Acomplia mit dem Wirkstoff Rimonabant in den USA und in Europa zur Zulassung vor. Die Europäische Arzneimittelagentur gab 2006 grünes Licht, die US-Food and Drug Administration (FDA) nicht. Zu stark seien die psychiatrischen Nebenwirkungen. Die FDA sollte recht behalten. Nur zwei Jahre später verlor Rimonabant auch in Europa seine Zulassung wieder. Der Grund: "ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis".
Aber was macht die Suche nach einem Medikament gegen Übergewicht so schwierig? Das Problem ist simpel: Wer über längere Zeit mehr Energie aufnimmt, als er verbraucht, nimmt zu. "Die Mechanismen, die bei der Nahrungsaufnahme im Körper ablaufen, sind sehr komplex und immer noch nicht ganz erforscht. Es gibt keine einfache Stellschraube, an der man drehen könnte, um mehr Energie zu verbrennen oder erst gar nicht so viel aufzunehmen", sagt Schubert-Zsilavecz. "Von einer wirksamen und sogleich sicheren medikamentösen Behandlung von Übergewicht sind wir sehr weit entfernt."
Die Nachfrage nach einer solchen Wunderpille ist aber groß. Immerhin sind laut 13. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung rund 60 Prozent der Männer und knapp 40 Prozent der Frauen in Deutschland übergewichtig. Viele Übergewichtige greifen zu Präparaten, die im Internet mit einer Reihe von großen Versprechungen verkauft werden. Professor Manfred Schubert-Zsilavecz hat in seiner Funktion als...