Radioaktiv belastet: Paranüsse sind mit Vorsicht zu genießen

Spezial Vegetarisch und Vegan 2023 | Autor: Bianca Puff/Annette Dohrmann/Lena Wenzel | Kategorie: Essen und Trinken | 02.11.2023

Wir haben 21 verschiedene Paranuss-Produkte im Labor prüfen lassen.
Foto: ÖKO-TEST

Gerne würden wir Paranüsse als gesunde Knabberei empfehlen. Schließlich könnten vor allem Veganerinnen und Veganer damit ihre Selenzufuhr natürlich abdecken. Doch leider haben die Nüsse aus dem südamerikanischen Regenwald ein Problem mit Radioaktivität. Und das ist nicht der einzige Kritikpunkt in unserem Test.

  • Wir haben geschälte, ganze Paranüsse getestet. Im Einkaufskorb landeten 21 Produkte, davon tragen acht ein Bio-Siegel. 
  • Der Test zeigt: Paranüsse haben ein Problem mit radioaktivem Radium, zu viel Barium und Perchlorat. 
  • Unserer Meinung nach sind Paranüsse nicht zur vollständigen Deckung des Selenbedarfs zu empfehlen. 
  • 12 von 21 geprüften Produkten fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch. 

Aktualisiert am 2.11.2023 | Was könnte man alles Gutes über Paranüsse schreiben: Sie enthalten wertvolle Inhaltsstoffe wie herzgesunde Fettsäuren, Vitamine sowie Ballast- und Mineralstoffe. Überdies gehören sie zu den ergiebigsten Lieferanten für Selen, das als kritisches Spurenelement für Menschen gilt, die sich vegan ernähren.

Und bislang widersetzen sich Paranussbäume den Versuchen, sie massenhaft auf Plantagen zu kultivieren. Denn um zu gedeihen, brauchen sie ein intaktes Öko-System wie im Amazonas-Regenwald, wo Kleinbauern die Früchte in Wildsammlung ernten. Paranüsse wären also ideal für Veggies, um ihre Selenzufuhr über ein pflanzliches Lebensmittel abzudecken.

Paranüsse reichern radioaktive Stoffe an 

Doch die südamerikanische Kapselfrucht hat einen Knackpunkt: Paranüsse reichern deutlich mehr radioaktive Stoffe an als andere Lebensmittel. Denn die oft sehr alten, bis zu 60 Meter hohen Bäume haben ein weit verzweigtes Wurzelwerk, über das sie im Boden vorkommende Substanzen – darunter Radium – in besonders hohen Konzentrationen aufnehmen.

In Paranüssen steckt von Natur aus viel Selen. Das könnte sie zu einer guten pflanzlichen Quelle für das Spurenelement machen.
In Paranüssen steckt von Natur aus viel Selen. Das könnte sie zu einer guten pflanzlichen Quelle für das Spurenelement machen. (Foto: Amarita/Shutterstock)

Strahlenbelastung auch durch die Ernährung

Die natürliche Strahlenbelastung im Jahr beträgt in Deutschland pro Person durchschnittlich etwa 2.100 Mikrosievert (µSv). Davon entfallen laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) jährlich etwa 300 µSv auf unsere Ernährung.

Mit dem Verzehr von zwei Paranüssen pro Tag kämen laut Behörde 160 µSv und damit rechnerisch noch mal gut die Hälfte dazu. Bei einer Strahlenbelastung in dieser Höhe müsse aber niemand mit negativen gesundheitlichen Folgen rechnen. Auf Anfrage von ÖKO-TEST raten die Strahlenexperten aber dazu, Selen lieber über Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen – als strahlungsfreie Alternative.

Die in unserem Test im Labor gemessenen Radiumwerte sind vergleichbar hoch und ergeben bei zwei Paranüssen am Tag im Jahr eine effektive Dosis zwischen 84 und 188 µSv. Zum Vergleich: Ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück schlägt mit etwa 100 µSv zu Buche.

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Warum ist Selen für den Körper wichtig?

Selen unterstützt den Körper beim Schutz der Zellen vor freien Radikalen und regelt die Schilddrüsenfunktion. Sein Gehalt in Pflanzen schwankt und hängt vor allem vom Anbaugebiet ab – auch bei den getesteten Paranusskernen variiert er.

"Nimmt man durchschnittliche Selengehalte aus diesem Test, decken Veganer mit zwei Paranüssen etwa ein Viertel ihres täglichen Selenbedarfs", sagt Veganexperte Dr. Markus Keller, der unseren Test wissenschaftlich begleitet hat. Mehr wäre gut, sei aber aufgrund der Strahlenbelastung nicht ratsam.

(Foto: ÖKO-TEST)

In einigen Paranüssen im Test steckt zu viel Barium 

Neben Radium nehmen Paranussbäume viel Barium auf – zusammen mit chemisch sehr ähnlichem Calcium, mit dem sie ihre Rinde stabilisieren. Viel Barium kann beim Menschen zu Bluthochdruck führen und die Funktion der Nieren beeinflussen. Neun gemessene Werte sehen wir als "erhöht" an, einen sogar als "stark erhöht".

Kritik an Perchlorat in getesteten Paranüssen

Was ist ansonsten aufgefallen? In 14 Produkten im Test kritisieren wir die gemessenen Gehalte an Perchlorat. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Paranüsse oft mit Wasserdampf behandelt oder eingeweicht werden, um die äußerst harte Schale knacken zu können. Perchlorat kann entstehen, wenn Wasser zur Desinfektion gechlort wird.

Das Problem? Auf Dauer kann es die Jodaufnahme hemmen und zeitweilig den Schilddrüsenhormonspiegel verändern.

Übrigens: Paranüsse sind sehr anfällig für den Befall mit Schimmelpilzen. In diesem Test sind Aflatoxine kein Problem, dennoch sollten Sie Paranusskerne entsorgen, die bitter oder ranzig schmecken. Denn Aflatoxine können das Erbgut schädigen.

Wie schmecken die Paranusskerne?

Bleibt die Frage: Wie schmecken die Paranüsse im Test? Für ein paar Kritikpunkte sorgten Aussehen und Geschmack der Paranüsse. Das Labor, das für uns die Sensorik prüfte, bemängelte etwa Bruch- und Stoßstellen.

Vier Packungen fielen negativ auf, weil sie mehr ranzig, bratig, muffig oder chemisch schmeckende Kerne enthielten als ein Qualitätsstandard für Paranusskerne toleriert.

Diesen Test haben wir zuletzt im Jahrbuch für 2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Spezial Vegetarisch & Vegan sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben geschälte Paranüsse getestet und uns dabei auf ganze Kerne beschränkt. Im Einkaufskorb landeten 21 Produkte, acht davon tragen ein Bio-Siegel.

Akkreditierte Labore haben die Paranüsse in unserem Auftrag umfangreichen Prüfungen unterzogen. Da bekannt ist, dass Paranüsse deutlich mehr radioaktive Stoffe enthalten als andere Lebensmittel, ließen wir die Kerne auf ihre Strahlenbelastung untersuchen, genauer: auf Radium 226 und 228. Ein weiteres Labor bestimmte die in den Nüssen enthaltenen Elemente. Besonders interessierten uns Magnesium, Phosphor, Barium und Selen. Paranüsse gehören zu den ergiebigsten Lieferanten des Spurenelements Selen, dessen Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln jedoch – abhängig von Region und Böden – stark variiert. Ferner ließen wir Bromid analysieren, das natürlicherweise im Boden vorkommt, jedoch auch ein Hinweis auf eine mögliche Behandlung mit dem Begasungsmittel Methylbromid sein kann. Weltweit ist der Einsatz von Methylbromid seit 2015 verboten, allerdings bleibt Bromid als Altlast zum Teil noch jahrelang nachweisbar.

Ebenfalls in unserem Testportfolio: Perchlorat. Die Substanz kann beispielsweise über Wasser in Lebensmittel gelangen, das zur Desinfektion mit chlorhaltigen Mitteln behandelt wurde. Wir ließen die Paranüsse zudem auf Aflatoxine untersuchen – das sind Schimmelpilzgifte, die sich vor allem bei Wärme und Feuchtigkeit bilden. Darüber hinaus ließen wir prüfen: Sind die Kerne mikrobiologisch einwandfrei oder enthalten sie Schimmel und krankmachende Keime wie Salmonellen oder E.coli? Ist der Weichmacher DEHP nachweisbar, der für die Verpackung fetthaltiger Lebensmittel verboten ist, jedoch auch in der Umwelt vorkommen kann? Finden sich Mineralölrückstände wie MOSH und MOAH in den Kernen? Schließlich bewerteten Sensorikexperten den Geruch, Geschmack, Konsistenz und das Aussehen der Paranusskerne.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um vier Noten: ein gemessener Gehalt an Barium, der – ausgehend von einer 30-g-Portion täglich und einem 60 kg schweren Erwachsenen sowie einer Bioverfügbarkeit des enthaltenen Bariums von 12 % (Quelle: Goncalves A., Fernandes K., Ramos L., Cavalheiro É., Nóbrega J.; J. Braz. Chem. Soc. 2009, Vol. 20, No. 4, 760-769) – zu einer Überschreitung der von der EU-Kommission festgelegten tolerablen täglichen Aufnahmemenge (TDI) von 0,2 mg/kg Körpergewicht führt (in Tabelle: "Barium stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein gemessener Gehalt an Barium, der den TDI zu mehr als 50 bis 100 % ausschöpft; Annahmen wie oben (in Tabelle: "Barium erhöht"); b) ein gemessener Gehalt an DEHP über dem für diesen Weichmacher festgelegtem Spezifischen Migrationslimit (SML) von 1,5 mg/kg; c) gemessene Gehalte an Radium-226 / Radium-228 von mindestens 29 / 30 Bq/kg, die in der Summe – ausgehend von einer 30-g-Portion täglich – zu mehr als einer Verdoppelung der durchschnittlichen jährlichen Strahlenbelastung durch Nahrung (= 300 µSv; Quelle: BfS) führen (in der Tabelle: "erhöht"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein gemessener Gehalt an Perchlorat, der – ausgehend von einer 30-g-Portion täglich und einem 60 kg schweren Erwachsenen – den von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegten TDI von 0,3 µg/kg Körpergewicht zu mehr als 25 bis 50 % ausschöpft (in Tabelle: "leicht erhöht"); b) ein gemessener Gehalt an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH und MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 1 bis 2 mg/kg (in Tabelle: "MOSH leicht erhöht"). In der Tabelle als "sehr hoch", "hoch" oder "mittel" bezeichnete gemessene Gehalte an Selen führen – ausgehend von einer 30-g-Portion täglich – zu einer Aufnahme von mehr als 70µg, mehr als 35µg bis 70µg bzw. weniger als 35 µg Selen pro Tag. 70 µg/Tag ist der von der EFSA abgeleitete Wert für eine angemessene Aufnahmemenge (Adequate Intake) für 15- bis 17-jährige Jugendliche sowie Erwachsene. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um zwei Noten: Mängel in Aussehen und Geschmack (hier: viel Bruch- und Stoßstellen, Fehlgeschmack bei mehr als 3 % der Nüsse). Zur Abwertung um eine Note führt: Mangel im Geschmack (hier: Fehlgeschmack bei mehr als 3 % der Nüsse oder Bruch- und Stoßstellen erkennbar). Diese Bewertung erfolgt in Anlehnung an den UNECE STANDARD DDP-27 Brazil Nut Kernels, Class II.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) ein fehlender Warnhinweis zum Erstickungsrisiko für Kleinkinder durch Nüsse (basierend auf der BfR-Stellungnahme Nr. 050/2009); b) ein gemessener Gehalt an Mineralstoff, der vom jeweils deklarierten Gehalt um mehr als +45 % bzw. –35 % abweicht. Diese Bewertung basiert auf dem EU-Leitfaden für Toleranzen zur Nährwertdeklaration für die Lebensmittelüberwachung.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Sensorik und/oder ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Sensorik und/oder ein Testergebnis Weitere Mängel, das "sehr gut" oder "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Mineralölbestandteile: nach DIN EN 16995:2017 mod.; die Modifikation betrifft die Verseifung und eine andere Matrix; Messung mittels LC-GC/FID.

Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Bestimmung mittels ICP-MS.

Radium: Gammaspektrometrie: nach DIN ISO 11929:2021-11.

Aflatoxine: nach DIN EN 14123:2008-03 mod.; die Modifikation betrifft eine Teilautomatisierung (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen); Messung mittels HPLC-FLD.

Weichmacher: GC-MS/MS.

Gesamtkeimzahl aerob: nach DIN EN ISO 4833-2:2014-05 (Koloniezählverfahren)

Enterobacteriaceae: nach ASU L 00.00-133/2:2019-12 (Koloniezählverfahren)

E. coli: nach ASU L 00.00-132/2:2021-03 (Koloniezählverfahren)

Schimmelpilze: nach ISO 21527-2:2008-07 (Koloniezählverfahren)

Salmonellen in 125g: nach ASU L 00.00-20:2021-07 (P/A-Test)

Sensorik: einfach beschreibende Prüfung nach § 64 LFGB L 00.90-06:2015-06Bromid: ICP-MS.

Einkauf der Testprodukte: November - Dezember 2022 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 3/2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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