Orangen im Test: Pestizide in jeder zweiten Frucht

ÖKO-TEST Februar 2019: Titelthema Zucker | Autor: Birgit Hinsch/Kai Thomas | Kategorie: Essen und Trinken | 31.01.2019

Orangen im Test: Pestizide in jeder zweiten Frucht
Foto: ÖKO-TEST; Egor Rodynchenko/Shutterstock

Wie stark sind Orangen aktuell mit Chemie belastet? Gibt es Missstände auf Plantagen in der Europäischen Union? Das wollten wir herausfinden und haben 25 Packungen getestet. Ergebnis: In etlichen konventionellen Orangen stecken bedenkliche Pestizide. Die Hälfte der eingekauften Früchte können wir aber empfehlen.

Orangen sind gerade in der kalten Jahreszeit besonders beliebt. Schon zwei mittelgroße Orangen decken den Tagesbedarf an Vitamin C. Das bringt die Abwehrkräfte auf Trab, stärkt unser Bindegewebe.

Orangen im Test: Früchte von Granini, Alnatura, Rewe, Aldi, Lidl, Valensina und Co. im Vergleich

Doch die Früchte machen immer wieder negative Schlagzeilen. Zum einen, weil unliebsame Chemie in ihnen stecken soll und zum anderen wegen Missständen auf den Plantagen, beispielsweise in Spanien. Um herauszufinden, inwieweit das aktuelle Angebot in den Supermärkten betroffen ist, haben wir Orangen aus Europa getestet.

Im Test: Insgesamt haben wir 25 Früchte-Packungen eingekauft, darunter acht Bio-Marken und drei von Direktversendern.

Das Ergebnis: Insgesamt können wir die Hälfte der Orangen empfehlen. Vor allem der Nachweis besonders bedenklicher Pestizidrückstände zieht allerdings etliche Noten nach unten. Als besonders bedenklich bewerten wir Pestizide, die internationale Organisationen etwa als krebserregend, schädlich für das Hormonsystem oder stark bienengiftig einstufen. In nahezu allen konventionellen Orangen fand das Labor einen oder mehrere dieser besonders gefährlichen Stoffe. Die Bio-Orangen sind immerhin gar nicht oder nur gering belastet.

Konventionelle Orangen enthalten oft Pestizide und krebsverdächtiges Konservierungsmittel

Konventionelle Orangen sind fast immer mit dem Konservierer Imazalil behandelt. Das Pilzbekämpfungsmittel sorgt dafür, dass die Früchte auf dem Transport und in den Läden nicht frühzeitig verderben. Imazalil gilt als krebsverdächtig. Unschön, denn geringe Mengen dieser Substanz können beim Aufschneiden, Schälen oder Auspressen im essbaren Anteil landen. Positive Beispiele: Ein Anbieter im Test konserviert mit unbedenklichem Kaliumsorbat. Ein weiterer konventioneller Anbieter verzichtet ganz auf eine Konservierung.

Chlorpyrifos wird während des Anbaus gespritzt. Das Insektizid soll die Früchte vor der Mittelmeerfliege schützen. Das Insektengift zählt zu den hormonell wirksamen Pestiziden. Es steht zudem im Verdacht, sich negativ auf die Hirn­entwicklung von Kindern auszuwirken. Gut untersucht ist bislang Chlorpyrifos-Ethyl, es steckt in der Lidl-Orange. Bei den anderen Laborfunden handelt es sich um die weniger gut untersuchte, aber chemisch ähnliche Substanz Chlorpyrifos-Methyl. Ihr werden ebenfalls hormonschädliche Effekte nachgesagt.

Pestizide über Grenzwert: Getestete Orangen von orangesonline.net sind nicht verkehrsfähig

Die getesteten Orangen von Direktversender orangesonline.net sind aus unserer Sicht nicht verkehrsfähig. Sie enthalten zwei Pestizide, deren Gehalte die gesetzlichen Grenzwerte deutlich überschreiten. Einer dieser Stoffe ist in der EU sogar verboten. Die beiden Pestizide sind überdies als besonders gefährlich einzustufen. Da sich Anbieter Orangesonline noch nicht einmal zum Testergebnis äußerte, ist zu befürchten, dass er die Tragweite nicht im Blick hat. Klares Fazit: nicht kaufen.

Produktion und Transparenz: von "sehr gut" bis "ungenügend". Die meisten Anbieter schickten uns Auditberichte zu den Arbeitsbedingungen und zum Umgang mit Pestiziden. Für die Berichte überprüften externe Zertifizierungsorganisationen, ob die Orangenbetriebe grundlegende ILO-Kernarbeitsnormen einhalten und Pflücker und Angestellte nach den gesetzlichen Mindeststandards bezahlen. Wir legen die Audits für unsere Bewertung zugrunde. Insgesamt gab es nur kleinere Missstände zu bemängeln. Hinweise auf illegale Beschäftigung haben wir nicht gefunden.

Orangen im Test: Nur kleinere Misstände bei den Arbeitsbedingungen in Europa zu bemängeln

Da die Direktvermarkter als zum Teil kleine Familienbetriebe nicht nach übergeordneten Standards zertifiziert sind, konnten sie die Arbeitsbedingungen für ihre Pflücker nur unzureichend belegen. Das schmälert die teilweise guten Ergebnisse unter den Inhaltsstoffen. Fast alle Anbieter belegen, dass Pestizide sicher ausgebracht werden. Kein einziger verbietet jedoch alle nach unserer Einschätzung besonders gefährlichen Pestizide und zieht sich meistens auf EU-Regelungen zurück.

Die Testsieger, die Testtabelle und das gesamte Ergebnis im Detail lesen Sie im ePaper.

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Testverfahren

Dieses Mal sollten ausschließlich europäische Orangen in den Test. Sie waren ab November in den Läden erhältlich. Insgesamt kauften wir 25 Früchte, darunter acht Bio-Orangen und drei Orangen von Direktversendern. Im Labor untersuchten Spezialisten die Proben auf mehr als 600 verschiedene Pestizide. Mit dieser Analyse konnten sie auch feststellen, ob die Schalen mit Konservierungsmitteln behandelt sind. Bei konventionellen Orangen ist das fast immer der Fall. Wir befragten die Hersteller außerdem zu den Arbeitsbedingungen auf den Orangenplantagen. Die Antworten sollten sie durch unabhängige Nachweise, etwa Auditberichte oder Zertifikate, belegen können.

Das Gesamturteil basiert vorrangig auf den Ergebnissen der Pestizidanalysen.Überschreitet ein Gehalt den gesetzlichen Grenzwert, lautet das Urteil "ungenügend". Auch für besonders bedenkliche Pestizide haben wir Abzüge vorgenommen. Das Testergebnis Produktion und Transparenz kann das Gesamturteil nur verschlechtern. Wir kritisieren unter anderem fehlende oder unzureichende Belege.