Balsamico im Test: Hersteller tricksen bei den Zutaten

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2022 | Autor: Johanna Michl/Heike Baier/Lena Wenzel | Kategorie: Essen und Trinken | 14.10.2021

Balsamico im Test: Dunkles und helles Balsamico im Vergleich. Wie schneiden die Produkte ab?
Foto: New Africa/Shutterstock

In Italien hat Aceto Balsamico eine lange Tradition, inwischen ist die Essigspezialität auch in Deutschland heimisch geworden. Unser Test zeigt: Die weißen Condimenti bieten im Vergleich zu den dunklen Balsamicos im Durchschnitt weniger Geschmack. Und die meisten schummeln auf der Zutatenliste.

  • Mit exzellenter Qualität und Geschmacksvielfalt heben sich vier "sehr gute" Produkte im Test vom Rest ab. 
  • In der Sensorikprüfung schneiden die dunklen Balsamicos im Durchschnitt besser ab als die hellen. 
  • Ärgerlich: Viele helle Balsamicos werben mit Traubenmost auf der Zutatenliste und verschweigen, dass sie daraus häufig nur den extrahierten Zucker verwenden.

Aktualisiert am 14.10.2021 | Aceto Balsamico war einst eine Delikatesse für Herzöge und Kaiser – Er reifte im Norden Italiens schon vor Jahrhunderten auf heißen Dachböden. Heute ist Balsamico zum Massenprodukt geworden, das in der ganzen Welt über den berühmten Capresesalat geträufelt wird.

Balsamico im Test: Vier Produkte sind "sehr gut"

Während der dunkle Aceto Balsamico di Modena speziellen gesetzlichen Standards unterliegt, gilt das nicht für das Pendant aus hellen Trauben, dem Condimento Bianco. Wie schneiden hell und dunkel im Vergleich ab? Wir haben 19 Marken geprüft.

Auffällig: Drei helle und ein dunkles Produkt ragen mit exzellenter Qualität und Geschmacksvielfalt deutlich heraus: Sie sind "sehr gut". Problemstoffe haben wir in keinem überprüften Produkt gefunden. 

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Was steckt in Balsamico-Essig? 

Aber von vorn. Eigentlich klingt die traditionelle Balsamicoherstellung denkbar simpel: Konzentrierter oder eingekocher Traubenmost reift gemeinsam mit Weinessig bis zum guten Tropfen – fertig. Doch welche Trauben hineinkommen, auf welche Weise ihr Saft eingedickt wird, wie lange und in welchen Fässern das Ganze zum Balsamico reift – dazwischen liegen Welten.

Faustregel: Je mehr Traubenmost ein Balsamico enthält und je stärker dieser konzentriert ist, desto mehr Potenzial hat er für einen runden und vielfältigen Geschmack. Schließlich ist es der Anteil an Frucht, aus dem sich bei der Reifung Aromen entwickeln. Wir haben die Produkte deshalb nicht nur verkosten lassen, sondern auch über die Bestimmung spezieller Inhaltsstoffe Rückschlüsse auf die Qualität gezogen.

Aceto Balsamico gehört zur mediterranen Küche. Er kann viel mehr als nur Tomaten verfeinern.
Aceto Balsamico gehört zur mediterranen Küche. Er kann viel mehr als nur Tomaten verfeinern. (Foto: Richard Semik/Shutterstock)

Helles Balsamico: Hersteller schummeln mit Zutaten

Dabei ist im Labor eines aufgefallen: In fünf hellen Condimenti passt der niedrige Gehalt an organischen Säuren und Mineralstoffen nicht zur Zuckermenge. Der Verdacht: Anstelle des im Zutatenverzeichnis deklarierten konzentrierten Traubenmosts ist rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK) eingesetzt: Das entspricht in etwa aus Traubenmost isoliertem, weitgehend geschmacksneutralem Zucker.

Wir fragten bei den Herstellern nach, und bis auf ein Hersteller räumten alle den Einsatz des hochkonzentrierten Zuckersirups ein. Teilweise ersetzen sie das deklarierte Traubenmostkonzentrat sogar komplett damit. Die Erklärung: Das sei marktüblich und entspreche der Verbrauchererwartung nach einem leichteren, klaren Produkt.

Isolierter Zucker statt Traubenmost in Condimenti

Es stimmt: Die aus Weißweinessig und hellen Trauben hergestellten Condimenti würden mit einem eingedickten Most vielleicht dunkler und trüber. Auch richtig: Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat ist im Condimento nicht verboten – schließlich gelten für ihn ja kaum gesetzliche Vorgaben.

Allerdings: Dass, ausgenommen von einer Firma, keiner der betroffenen Hersteller das rektifizierte Traubenmostkonzentrat auf die Zutatenliste schreibt, geht aus unserer Sicht zu weit und grenzt an Verbrauchertäuschung. Wer "konzentrierter Traubenmost" liest, erwartet etwas anderes als isolierten Zucker.  

(Foto: ÖKO-TEST )

Es gibt Standards für Aceto Balsamico di Modena

Und die Dunklen? Als Aceto Balsamico di Modena müssen sie alle von vornherein die von der EU festgeschriebenen Standards einhalten. Denn: Aceto Balsamico di Modena ist eine geschützte Bezeichnung.

So dürfen nur dunkle Balsamicos heißen, bei denen mindestens 20 Prozent konzentrierter Traubenmost mit einem Anteil an über zehn Jahre altem Essig sowie mindestens zehn Prozent Weinessig vermischt und eingedickt werden. Das Ganze muss mehr als 60 Tage in Holzfässern reifen.

Der Zusatz g. g. A. (synonym: I. G. P.) mit dem blau-gelben Label garantiert, dass ein maßgeblicher Schritt bei der Herstellung in der norditalienischen Provinz Modena oder Reggio Emilia erfolgt ist. Die zugelassenen Rebsorten müssen jedoch nicht von dort stammen. Trägt der Balsamico den Zusatz "gereift" muss er mindestens drei Jahre reifen.  

In einer anderen Liga spielt übrigens der ebenfalls geschützte Aceto Balsamico Tradizionale di Modena mit Zusatz g. U.: Er ist ausschließlich aus Trauben der Region hergestellt und reift mindestens zwölf Jahre nach traditionellen Vorgaben. Den sirupartigen Tropfen mit Halbliterpreisen ab 250 Euro gibt man tröpfchenweise über Parmesan oder Früchte.

Die Herstellung: Balsamico reift in Fässern.
Die Herstellung: Balsamico reift in Fässern. (Foto: Gua/Shutterstock)

Dunkles Balsamico im Test ist aromareicher 

Diese Mindestanforderungen schaffen alle zehn Balsamicos im Test. Die dunklen Essige sind geschmacklich im Vorteil, weil die darin verwendeten roten Trauben von Natur aus mehr Extrakte – das sind zum Beispiel Phenole oder Proteine – haben.

Im Gegensatz zu den Condimenti machen die Balsamicos zudem einen Reifungsprozess durch. Deshalb haben wir die Messlatte bei den Qualitätsparametern hier höher gelegt. Und dennoch überflügeln sie die Condimenti im Sensoriktest: Die Dunklen sind im Durchschnitt aromareicher.  

Unser Tipp: Je mehr Traubenmostkonzentrat im dunklen Balsamico ist, desto mehr Geschmack hat er: Steht diese Zutat ganz vorn in der Liste, ist das ein Indiz für Qualität.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 7/2021 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Jahrbuch für 2022 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

In unserem Einkaufskorb landeten die Essigvariationen Aceto Balsamico di Modena und sein helles Pendant Condimento Bianco. Uns interessierte, wie diese Produkte im Vergleich abschneiden. Ihre Qualität bewerteten wir anhand der Gehalte von Zucker, zuckerfreiem Extrakt und Asche: Je höher, desto besser. Die Condimenti mussten für die gleiche Note dabei fast ein Drittel weniger Gehalt als Aceto Balsamico di Modena aufweisen, da helle Trauben von Natur aus extraktärmer sind und Condimento in der Regel nicht gereift wird.

Ergänzend zu den genannten Qualitätsparametern ließen wir die Produkte zudem von geschulten Prüfern sensorisch verkosten. Neben der Qualität wurden die Balsamessige auf Gärungsnebenprodukte wie Methanol oder Aceton untersucht. Zudem ließen wir prüfen, ob ein Hinweis auf Fremdzuckereinträge oder eine Verwässerung vorliegt. Die Condimenti prüften wir zusätzlich noch auf eine Reihe organische Säuren und Mineralstoffe.

Bewertungslegende 

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent vorliegender C4-Zuckerzusatz. Dies wird festgemacht an einem signifikant angereicherten d13C-Isotopenwert, der außerhalb von mehreren verglichenen Referenzen liegt; b) ein von uns als "niedrig" angesehener Gehalt der Qualitätsparameter Zucker, zuckerfreier Extrakt und Asche. Die im Labor ermittelten Gehalte (g/L) der einzelnen Parameter wurden dazu wie folgt addiert: Zucker + (zuckerfreier Extrakt*3) + (Asche*20). Die Einstufung als "niedrig" erfolgte bei Aceto Balsamico di Modena ab einem "Qualitäts"- Wert von < 460 g/L. Bei dem von Natur aus tendenziell extraktärmeren Condimento Bianco erfolgte die Einstufung "niedrig" ab einem Wert von < 331 g/L (entspricht circa 28 Prozent weniger als bei Aceto Balsamico di Modena).Zur Abwertung um eine Note führt: ein von uns als "mittel" angesehener Gehalt der Qualitätsparameter Zucker, zuckerfreier Extrakt und Asche. Die Einstufung als "mittel" erfolgte bei Aceto Balsamico di Modena bei "Qualitäts"-Werten (Berechnung des Wertes siehe oben) von ≤ 560 bis ≥ 460 g/L. Bei dem von Natur aus tendenziell extraktärmeren Condimento Bianco erfolgte die Einstufung "niedrig" bei Werten von ≤ 403 bis ≥ 331 g/L (entspricht circa 28 Prozent weniger als bei Aceto Balsamico di Modena).

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um drei Noten: ein Gesamteindruck "sehr wenig" (ausgedrückt als Körper, Fülle, Vielfalt). Zur Abwertung um zwei Noten führt: ein Gesamteindruck "wenig" (ausgedrückt als Körper, Fülle, Vielfalt). Zur Abwertung um eine Note führt: ein Gesamteindruck "durchschnittlich" (ausgedrückt als Körper, Fülle, Vielfalt).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein fragliches Zutatenverzeichnis. Begründet ist dies in auffällig niedrigen Gehalten an einzelnen oder mehreren der folgenden Parameter: Asche, Äpfelsäure, Zitronensäure, Weinsäure, Kalzium, Kalium, Magnesium und/oder Phosphor im Vergleich zum durchschnittlichen Zuckergehalt (Fruktose + Glukose) von circa 180 g/L in Traubensaft (nach AIJN Reference Guidlines for Grape Juice durchschnittlich 160 g/L; da es sich teils um Trauben aus Italien mit tendenziell höheren Zuckergehalten handelt, wurde hier mit 180 g/L gerechnet). Eine mögliche Erklärung ist der Einsatz von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat ohne dessen explizite Kennzeichnung. Es handelt sich hierbei um eine nach Anhang VII Teil II Nr. 14 der VO (EU) Nr. 1308/2013 eigenständige Zutat, welche nach Art. 18 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1169/2011 im Zutatenverzeichnis aufzuführen ist; b) ein in der Rezeptur verändertes Produkt in alter Verpackung mit nicht mehr aktuellem Zutatenverzeichnis.Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) die fehlende Angabe des Säuregehalts auf dem Produkt, welches die Verkehrsbezeichnung "Essigkomposition aus Weinessig und aromatischem Traubenmost" trägt. Die Deklaration des Säuregehalts ist bei einem Gärungsessig nach § 4 Absatz 3 der deutschen Essigverordnung vorgeschrieben und sollte unserer Meinung nach auch bei einem Produkt mit Weinessig als primäre Zutat deklariert werden; b) eine Abweichung zwischen dem deklarierten und dem im Labor ermittelten Zuckergehalt von mehr als ± 20 Prozent bei deklarierten Zuckergehalten von 100 bis 400 g/L. Die Bewertung erfolgt in Anlehnung an den Leitfaden für zuständige Behörden in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte; c) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel oder Sensorik, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um jeweils eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel oder Sensorik, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.   

Testmethoden 

Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): Glukose, Fruktose, Glycerin: in Anlehnung an die Methode OIV-MA-AS311-03 (geändert durch OIV-OENO 552/2016, mittels HPLC/RI). Gesamttrockenextrakt: in Anlehnung an die Methode OIV-OENO 57/2000. Asche: in Anlehnung an die Methode OIV-¬OENO 58/2000. Gärungsnebenprodukte: in Anlehnung an die Methode OIV-¬OENO 70/2000 (Headspace-GC/FID). Gesamtschwefeldioxid: in Anlehnung an die Methode OIV-MA-AS323-04A (Destillation bei Siedehitze). Äpfelsäure, Weinsäure, Zitronensäure, Chlorid, Sulfat: in Anlehnung an die Methode OIV-MA-AS313-04 (ionenchromatografisch). Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium: in Anlehnung an die Methode OIV-MA-AS322-03B (Flammen-AAS). Sensorik: in Anlehnung an Methode L 00.90-22 der ASU, beschreibendes sensorisches Profil. Zuckerfreier Extrakt und Gesamtzucker: jeweils aus den anderen Parametern berechnet. Isotopenanalyse: In Anlehnung an DIN EN 16466: 2013 1-3. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: März 2021 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 7/2021 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Jahrbuch für 2022 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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