Beginnen wir doch zur Abwechslung einmal mit einem fiktiven Ratespiel:
Wissen Sie, was Seidenproteine sind? Schon mal gelesen, aber keine Ahnung, was dahintersteckt. Ein asiatischer Leckerbissen aus gerösteten Raupen vielleicht?
Hydrofaktoren - kennen Sie die? Klingt irgendwie nach einem Fachbegriff aus der Meteorologie ..
Und wie steht es mit Mizellen? Auch das hört sich bekannt an. Ein Tipp: Mit Myzelien, also Pilzgeflechten, hat es nichts zu tun.
Tatsächlich stammen die genannten Schlagworte alle aus der Kosmetikwerbung. Und sie lesen sich herrlich wissenschaftlich und innovativ. Dennoch würden die Antworten der meisten Verbraucher wohl ähnlich schwammig ausfallen. Warum das so ist, weiß Diplom-Psychologe Florian Becker, Professor an der Rosenheim University of Applied Sciences und Bereichsvorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft in München: "In der Werbung finden sich Begriffe, die sich mehr nach Weltraumtechnik anhören als nach Kosmetik. Alles, was mit dem Thema Kosmetik und Pflege zu tun hat, ist für den Laien nicht wirklich leicht einzuschätzen. Kunden suchen deshalb nach bestimmten Vertrauensreizen." Sie halten also gezielt Ausschau nach Schlüsselworten, die verlässliche Informationen zur Wirksamkeit liefern. Diesem Verlangen kommen Hersteller und Marketingexperten nach, indem sie wissenschaftlich klingende Begriffe verwenden, sich auf Studien berufen oder "jemanden im weißen Kittel, am besten einen Doktor Irgendwas" für sich sprechen lassen, so Becker. "Dabei ist es gar nicht so wichtig, welche Qualität ein Produkt wirklich hat." Funktioniert die Werbung bei einem Hersteller, springen häufig andere auf und vermarkten ihre Produkte mit vergleichbaren Wirkversprechen. Ein Trend ist geboren.
Wie Kunden auf neue Produkte reagieren, testen Marketingfachleute unter anderem auf den zukunftsweisenden, sogenannten Lead Markets (Leitmärkte). "Zum Beispiel bei Technologieprodukten in modernen asiatischen Großstädten, wo die Menschen technikaffiner sind als anderswo auf der Welt und bestimmte Dinge früher nutzen", weiß Wirtschaftspsychologe Becker. "Um zu merken, ob ein Trend entsteht oder sich ändert, muss man Kontakte pflegen und mit ‚High involvement'-Personen ins Gespräch kommen." Das können Verbraucher sein, die sich intensiv mit einem bestimmten Thema beschäftigen und durch eigene Ideen und Kreationen die Trends aktiv mitgestalten. In der Automobilindustrie ist es zum Beispiel die Tuningszene, in der Kosmetik- und Modebranche geben seit einigen Jahren Beautyblogger die Marschrichtung vor. Deren Erfahrungsberichte empfinden viele Verbraucher als unvoreingenommen und nicht von der Werbung beeinflusst - was sie empfehlen, wird gekauft. Das wissen auch die Hersteller und stellen den Bloggern gerne kostenlose Testpakete und Produktproben zur Verfü...