Christoph Kolumbus war einer, Vasco da Gama ebenfalls, und in gewisser Weise kann auch Dr. Urs Hauri zu den Entdeckern gezählt werden. Der Schweizer ist Chemiker am Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt. Er hat zwar keine neue Welt entdeckt, aber sein Labor war es, das gemeinsam mit zwei weiteren Kantonslaboren erstmals krebserregende Nitrosamine in Nagellacken nachwies. Gesucht hatten sie nicht danach. Vielmehr handelte es sich um einen Zufallsbefund, wie Hauri erzählt. Im Rahmen einer Untersuchung von Kinderkosmetik stießen sie auf die Nitrosamine N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) und N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in Nagellacken. Besonders überraschend war dabei der NDMA-Fund. Während NDELA bereits in anderen kosmetischen Mitteln gefunden wurde, etwa in Wimperntuschen und Haarfärbemitteln, war NDMA bis dahin eher als Verunreinigung in Gummiartikeln bekannt.
Es folgten weitere Untersuchungen, die die Ergebnisse bestätigten. Auch in Deutschland wurden nun Nagellacke getestet. Insgesamt zehn Proben hat das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) untersucht, allerdings nur auf NDELA und nicht auf weitere Nitrosamine. Die Hälfte der untersuchten Nagellacke hat das Landesamt beanstandet.
Im Frühjahr 2017 veröffentlichte das Kantonslaboratorium Basel die Ergebnisse seiner neuesten Untersuchung von insgesamt 104 Nagelprodukten, davon 63 klassischen Nagellacken, auf Nitrozellulosebasis. Wieder wurden die Schweizer fündig. Noch ist nicht geklärt, wie die Nitrosamine in den Nagellack kommen. "Wir vermuten Nitrozellulose als Ursache", berichtet Hauri. Nitrozellulose ist deklariert und in Nagellacken als Filmbildner enthalten. Auffällig war allerdings bei unseren eigenen Untersuchungen, dass in allen farbigen Lacken, in denen Nitrozellulose deklariert war, auch Nitrosamine gefunden wurden. In vier von sechs farblosen Topcoats allerdings war zwar ebenfalls Nitrocellulose deklariert, hier hat unser Labor aber keine Nitrosamine darin nachgewiesen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung ordnet ein: "Nitrosamine sind genotoxische Kanzerogene, für die kein sicherer toxikologischer Schwellenwert existiert. Für solche Verbindungen gilt das Minimierungsgebot, die Aufnahme über alle Quellen sollte möglichst gering sein." Darin liegt das Problem: Nitrosamine können nicht nur in Kosmetik enthalten sein, sie werden auch mit der Nahrung aufgenommen, insbesondere durch Lebensmittel wie gepökeltes oder geräuchertes Fleisch und geräucherten Fisch. Auch (Passiv-)Rauch ist eine Quelle.
Nitrosamine sind keine gezielt eingesetzten Inhaltsstoffe, sondern entstehen als Reaktionsprodukte.
Nitrosamine sind laut Kosmetikverordnung in der EU verboten. Allerdings werden geringe Mengen toleriert, wenn sie bei "guter Herstellungspraxis" "technisch unvermeidbar" und "für die menschliche Gesundheit" sicher sind.
Doch wie hoch ist die technisch unvermeidbare Menge für Nitrosamine in Nagellacken? Da sie ...