Die Geschichte von Chicken Nuggets ist global. Und wenn man sie aufschreiben will, ist es das Schwierigste, den Fokus zu setzen. Sollen wir uns mit dem Leid der Hühner in den engen Ställen befassen, in denen sie in weniger als 40 Tagen auf mehr als zwei Kilo hochgemästet werden? Sollen Antibiotika das Thema sein, die die Hühner massenhaft bekommen, weil diese Haltungsbedingungen sie krank machen? Oder befassen wir uns mit den antibiotikaresistenten Keimen, die sich deswegen entwickeln und die über das Fleisch der Tiere auch auf unseren Tellern landen? Aber was ist dann mit dem Irrsinn, dass in unseren Chicken Nuggets Fleisch aus Thailand, Brasilien und der Ukraine steckt, weil Fleisch dort noch billiger ist als unser Billigfleisch? Oder sollte unser Thema sein, dass wir selbst in Chicken Nuggets nur Brustfleisch essen und unser Hunger auf dieses Brustfleisch Kleinbauern in Afrika die Existenz zerstört, weil unser "Fleischmüll" - Flügel, Hälse, Schenkel, Innereien - als Noch-billigeres-Billigfleisch in die ärmsten Länder der Welt verschifft wird, um dort mit skrupellosen Dumpingpreisen die lokalen Märkte kaputt zu machen? Wo fangen wir an, wo hören wir auf?
Die Geschichte der Hühner ist eine Geschichte globaler Qual. Wir wollen sie erzählen - anhand eines Chicken Nuggets aus "reinem Hähnchenbrustfleisch". In diesem, unserem, Chicken Nugget steckt Formfleisch, also sehr stark zerkleinertes, vermischtes und dann in Form gepresstes Fleisch. Nichts Schlimmes, aber eben von der Fleischqualität her auch kein Filet. Im Grunde wäre es völlig egal, ob in diesem Formfleisch nur Brustfleisch steckt, oder ob auch Flügel und Schenkel verarbeitet würden. Aber dann könnte der Hersteller nicht mehr "aus reinem Brustfleisch" auf die Verpackung schreiben - was fettarm und gesund wirkt. Angesichts der fetten Panade, die das Fleisch umgibt, natürlich eine Farce, die aber offenbar zieht.
Das Brustfleisch für unser Chicken Nugget bezieht der Hersteller gerne von dort, wo er es am billigsten bekommt. Natürlich ist die "Produktion" der "Ware", also das Aufziehen, Schlachten und Zerlegen von Hühnern, in Europas Massentierhaltung billig. Aber in Brasilien, der Ukraine oder Thailand ist sie eben noch billiger. Weil die Menschen in den Schlachthöfen noch schlechter bezahlt werden und noch länger arbeiten. Und weil die Gesetze zur Tierhaltung in vielen Ländern noch lascher sind oder weniger kontrolliert werden. Denn, so häufig wir die Massentierhaltung in der EU auch kritisieren: Dieser niedrige Standard ist nach dem der Schweiz der höchste.
In unserem Chicken Nugget steckt nun also Brustfleisch von brasilianischen und deutschen Hühnern. Die brasilianischen Hühner leben sogar tatsächlich oft in offenen Ställen mit Tageslicht und haben mehr Platz, einfach weil die klimatischen Bedingungen höhere Besatzdichten nicht zulassen. Die Tendenz geht aber auch in Brasilien immer mehr zu "geschlossenen Systemen", wie Paola Rueda, Agrarexpertin von der Tiers...