Titandioxid in Sonnencreme: Kommt das Aus für den UV-Filter?

Magazin Juni 2023: Mineralwasser | Autor: Annette Dohrmann | Kategorie: Kosmetik und Mode | 30.05.2023

Titandioxid wird in Kosmetik unter anderem als UV-Filter eingesetzt.
Foto: Me dia/Shutterstock

In Lebensmitteln ist Titandioxid bereits verboten – hat der Stoff bald auch in Kosmetik ausgedient? Die Naturkosmetikbranche reagiert jedenfalls erstaunlich gelassen darauf, dass ihr möglicherweise bald ein wichtiger mineralischer Lichtschutzfilter wegbrechen könnte.

  • Das Farbpigment Titandioxid ist seit August 2022 in Lebensmitteln verboten. Eine Neubewertung für die Verwendung in Kosmetik wird für 2024 erwartet.
  • Besonders relevant ist die Neubewertung für Naturkosmetikhersteller, die Titandioxid aktuell als mineralischen UV-Filter in Sonnencremes einsetzen.
  • Einige Hersteller reagieren bereits jetzt und verzichten in ihren Sonnencremes auf den Stoff.

Es ist ein Stoff in der Warteschleife: Während Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E171) seit vergangenem August verboten ist, da es möglicherweise das Erbgut verändert, ist das Pigment in Kosmetikprodukten weiterhin erlaubt. Oder besser: noch erlaubt. Denn anders als bei oraler Aufnahme gilt die Anwendung von Titandioxid auf der Haut bislang als sicher – doch das könnte sich eventuell bald ändern. Schließlich steckt Titandioxid auch in Kosmetikprodukten wie Zahncremes oder Lippenpflege, die potenziell verschluckt werden.

Derzeit wartet die Branche daher gespannt auf die Stellungnahme des für Kosmetikprodukte zuständigen Expertengremiums SCCS der EU-Kommission, das Titandioxid neu bewerten soll. Doch die lässt auf sich warten. Ursprünglich für März 2023 angekündigt, verzögert sich die abschließende Neubewertung nun wohl bis 2024.

Titandioxid gehört, wie auch Zinkoxid, zu den mineralischen UV-Filtern.
Titandioxid gehört, wie auch Zinkoxid, zu den mineralischen UV-Filtern. (Foto: asife/Shutterstock)

Titandioxid in Kosmetik: Bald verboten? 

Einschneidend wäre ein mögliches Verbot von Titandioxid in Kosmetika vor allem für Naturkosmetikanbieter von Sonnenschutzmitteln. Denn die dürfen in ihren Cremes, Lotionen oder Fluids ausschließlich die mineralischen UV-Filter Titandioxid und Zinkoxid einsetzen. Die Pigmente reflektieren das Sonnenlicht auf der Haut wie ein Spiegel und bilden darauf sozusagen eine Art Sonnenschirm, der vor Hautkrebs schützen soll.

Doch was wäre, wenn? Chemisch-synthetische UV-Filter sind jedenfalls keine Alternative, wenn es zu einem Aus für Titandioxid käme. Denn die sind für Naturkosmetika tabu. Wie also bereiten sich Hersteller von Sonnencremes, die mineralische UV-Filter verwenden, auf den Fall der Fälle vor? Das haben wir die betreffenden Anbieter, darunter auch einige konventionelle, aus unserem Test Sensitive Sonnencremes gefragt.

Wie reagieren Hersteller auf ein mögliches Verbot?

Die Reaktionen fallen durchweg verhalten aus. So teilt uns etwa Laverana mit, die Diskussionen und Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, da ihnen bewusst sei, "dass es Bedenken hinsichtlich des Einsatzes von Titandioxid als UV-Filter gibt". Mit anderen Worten: Man wartet ab. Auch Naturkosmetikanbieter Eco Cosmetics plant nicht mit anderen Filtern, da "die vorhandene Kombination aus Titandioxid und Zinkoxid eine optimale Kombi" sei.

Zum Hintergrund: Zinkoxid bietet einen Breitbandschutz sowohl gegen kurzwellige UVB-Strahlung, die für Sonnenbrände verantwortlich ist, als auch gegen langwellige UVA-Strahlung, die tief in die Haut eindringt, dort das Kollagen im Bindegewebe schädigt und sie letztlich vorzeitig altern lässt. Dagegen schützt Titandioxid hauptsächlich vor UVB-Strahlung, weshalb Sonnencremehersteller den mineralischen Filter häufig mit anderen UV-Filtern kombinieren.

Titandioxid für einige Anbieter vorerst kein Problem

Das ist im Test sensitive Sonnencremes auch beim Dm-Produkt Sundance Sensitiv Sonnenbalsam 30 der Fall, das Titandioxid zusammen mit chemischen UV-Filtern wie "Ethylhexyl salicylate" einsetzt – und daran nach eigener Auskunft vorläufig auch nichts ändern werde, da "Titandioxid für die Produktrange Sonnencremes und Sonnenmilchen ein zugelassener und sicher bewerteter UVA/UVB-Filter" sei. Wortgleich äußert sich die Drogeriemarktkette auch zu ihrer Naturkosmetikeigenmarke Alverde, die in ihrer sensitiven Sonnenmilch ausschließlich auf Titandioxid setzt.

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Im Gegensatz dazu hat Pierre Fabre, von dem das Apothekenprodukt Avène Mi­neralische Sonnenmilch 50+ stammt, das Thema Titandioxid offenbar still und leise abgehakt. Auf unsere Anfrage hin schwärmt das Unternehmen zwar von seinem neuen "ganz besonders wirksamen Filtersystem" für seine Avène-Sonnenschutzlinie, verliert aber kein Wort zur Zukunft von Titandioxid.

Stattdessen teilt uns Pierre Fabre mit, seine mineralische Sonnenmilch im Spätsommer aus dem Sortiment zu nehmen. Kein Wunder: Anders als Naturkosmetikhersteller ist das Unternehmen beim Sonnenschutz nicht auf mineralische UV-Filter beschränkt.

Einige Sonnencreme-Hersteller reagieren bereits

Doch es gibt auch einige Naturkosmetikanbieter, für die Titandioxid in Sonnencremes trotz begrenzter Alternativen schon jetzt keine Option (mehr) ist und die für ihr Sonnenschutzsortiment ausschließlich auf Zinkoxid setzen. Dazu gehören in unserem Test etwa Das Boep, Speick oder I+M. Das Boep schreibt uns, bewusst kein Titandioxid einzusetzen, da Zinkoxid als alleiniger mineralischer Filter "vollkommen ausreicht" und man außerdem sehr zufrieden damit sei. Das trifft auch auf den Anbieter der Siriderma Sun Sonnencreme Sensitiv 30 zu, der Zinkoxid zudem eine "sehr gute Hautverträglichkeit" bescheinigt.

Titandioxid in Kosmetik: So bewertet ÖKO-TEST

Trotz der Hängepartie rund um die Neubewertung von Titandioxid werten wir den mineralischen UV-Filter in Sonnencremes derzeit nicht ab, da er – auf der Haut angewendet – bislang als sicher gilt. Anders bei Kosmetika wie Lippenpflege oder Zahncremes, bei denen Anwenderinnen und Anwender das Pigment potenziell verschlucken können. Hier bewerten wir aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes deutlich strenger und ziehen zwei Noten ab, wenn Titandioxid enthalten ist. Selbstverständlich behalten wir die Entwicklung im Blick und passen unsere Bewertung den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen an.

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