Nagellack im Test: Nur ein Lack ist "sehr gut"

Ratgeber Kosmetik 2018 | Autor: ÖKO-TEST Redaktion | Kategorie: Kosmetik und Mode | 30.06.2018

Nagellack im Test
Foto: CC0 / Unsplash.com / rashid khreiss

Nagellacke sind schön, aber sind sie auch schadstoffrei? Wir haben 23 farbige Nagellacke und Klarlacke auf krebserregende Nitrosamine und weitere Schadstoffe untersuchen lassen. Fast überall wurden wir fündig. Im Ergebnis sind nur fünf Lacke zu empfehlen, davon nur einer mit "sehr gut".

  • Wir haben 17 farbige Nagellacke und sechs Klarlacke untersuchen lassen, davon ein Naturkosmetik-Produkt.
  • Unter den (Klar-)Lacken waren Produkte von Alterra, Chanel, Dior, H&M, Logona, L'Oréal, Manhattan, Maybelline, Yves Rocher und anderen bekannten Marken.
  • In fast allen Nagellacken stecken krebserregende Nitrosamine in unterschiedlich hoher Konzentration, das Labor fand außerdem zahlreiche andere bedenkliche Inhaltsstoffe.

Der Schweizer Chemiker Urs Hauri hat erstmals krebserregende Nitrosamine in Nagellacken nachgewiesen – durch Zufall. Im Rahmen einer Untersuchung von Kinderkosmetik stießen Schweizer Labore auf die Nitrosamine N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) und N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in Nagellacken. Während NDELA bereits in anderen kosmetischen Mitteln aufgefallen war – etwa bei Wimperntusche-Tests und in Haarfarben –, war NDMA eher als Verunreinigung in Gummiartikeln bekannt.

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Krebserregende Nitrosamine in Nagellack

2017 veröffentlichte das Kantonslaboratorium Basel die Ergebnisse seiner neuesten Untersuchung von insgesamt 104 Nagelprodukten, davon 63 klassische Nagellacke auf Nitrozellulosebasis. Wieder waren die Schweizer fündig geworden: Fast alle klassischen Lacke enthielten Nitrosamine.

Warum könnte das ein Problem sein? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ordnet ein: "Nitrosamine sind genotoxische Kanzerogene, für die kein sicherer toxikologischer Schwellenwert existiert. Für solche Verbindungen gilt das Minimierungsgebot, die Aufnahme über alle Quellen sollte möglichst gering sein." Auf Deutsch: Nitrosamine sind krebserregend, und wir sollten so wenig wie möglich davon aufnehmen.

Laut EU-Kosmetikverordnung sind Nitrosamine deshalb in Kosmetika verboten. Allerdings werden geringe Mengen toleriert, wenn sie bei "guter Herstellungspraxis" "technisch unvermeidbar" und "für die menschliche Gesundheit" sicher sind, so die Verordnung. Nitrosamine können aber nicht nur in Kosmetik enthalten sein, sie werden auch mit der Nahrung aufgenommen, insbesondere durch Lebensmittel wie gepökeltes oder geräuchertes Fleisch und geräucherten Fisch. Auch (Passiv-)Rauch von Zigaretten & Co. ist eine Quelle.

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    Nagellack im Test: Nitrozellulose im Verdacht

    Noch ist auch nicht geklärt, wie die Nitrosamine überhaupt in den Nagellack kommen. Sie sind keine gezielt eingesetzten Inhaltsstoffe, sondern entstehen durch chemische Reaktionen.

    "Wir vermuten Nitrozellulose als Ursache", berichtet Hauri. Nitrozellulose, eine geruch- und geschmackslose Masse, ist in Nagellacken als sogenannter 'Filmbildner' enthalten, also als ein Stoff, der dafür sorgen soll, dass der Nagellack einen zusammenhängenden (Farb-)Film bildet. Eine Alternative dazu ist Schellack, eine harzige Substanz, die aus den Ausscheidungen von Schildläusen gewonnen wird.

    Auch bei unseren Untersuchungen fiel auf, dass zumindest in allen farbigen Lacken, in denen Nitrozellulose deklariert war, auch Nitrosamine gefunden wurden. Bei den farblosen Klarlacken sah es hingegen anders aus: In vier von sechs Topcoats war zwar ebenfalls Nitrocellulose deklariert, das Labor wies aber keine Nitrosamine nach.

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    Nagellack im Test: Nur jeder fünfte ist für die Gesundheit unbedenklich.
    Nagellack im Test: Nur jeder fünfte ist für die Gesundheit unbedenklich. (Foto: CC0 / Unsplash.com / Analia Baggiano)

    Wie viele Nitrosamine sind tolerierbar?

    Es bleibt die Frage: Wie hoch darf die Menge an Nitrosaminen in Nagellack sein, die toleriert werden muss, weil sie "technisch unvermeidbar" (EU-Verordnung) ist? Da Nitrosamine erst seit Kurzem ein Thema sind, und bisher, wenn überhaupt, nur auf NDELA untersucht wurde, konnte uns keines der angefragten Untersuchungsämter für die anderen Nitrosamine einen konkreten Orientierungswert nennen.

    Das Baseler Kantonslaboratorium hat aufgrund seiner eigenen Untersuchungen Gehalte von 466 Mikrogramm pro Kilogramm als technisch vermeidbar eingestuft, da 90 % der Produkte Gehalte unterhalb dieses Wertes aufwiesen. Nagellacke, die mehr als diesen Wert aufwiesen, wurden verboten.

    Solange es keinen deutschlandweit festgelegten Orientierungswert gibt, werden die deutschen Untersuchungsämter nach demselben Verfahren vorgehen. Es ist davon auszugehen, dass je nach Auswahl der Proben mit höheren oder niedrigeren Werten für die technische Vermeidbarkeit zu rechnen ist.

    Nagellack im Test: Nur ein klarer Sieger

    ÖKO-TEST hat selbst 17 Farblacke und sechs Klarlacke (Topcoats) ins Labor geschickt, um sie auf Nitrosamine und andere Schadstoffe zu prüfen. Von "sehr gut" bis "ungenügend" ist alles dabei. Ein Nagellack ist klarer Sieger, den gemeinsamen zweiten Platz erreichen immer noch vier Produkte. Mit "befriedigend" schneiden drei Produkte ab, 15 (Klar-)Lacke sind nur "ausreichend" oder sogar schlechter.

    Wo sehen wir Probleme? In vier Nagellacken haben wir krebserregende Nitrosamine in Mengen gefunden, die über der Schwelle liegen, die die Chemiker aus Basel errechnet haben (siehe oben). Damit wären sie 'technisch vermeidbar' und laut EU-Kosmetik-Verordnung verboten. In weiteren 13 Nagellacken hat das von uns beauftragte Labor ebenfalls Nitrosamine nachgewiesen, allerdings unterhalb dieser Grenze.

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    Nagellack-Test: Weitere kritische Inhaltsstoffe

    Diese Stoffe sind uns in den getesteten Nagellacken außerdem negativ aufgefallen:

    • In vielen Nagellacken stecken bedenkliche UV-Filter. Die Hersteller setzen sie ein, um die Lacke in ihren Glasfläschchen vor Sonnenlicht zu schützen. Einige Filter stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein. Der Filter Benzophenon-1 zeigte seine hormonelle Wirksamkeit im Tierversuch.
    • Für den Filter Octocrylen – den wir auch in Sonnencremes für Babys und Kinder kritisieren – und Etocrylen liegen Hinweise auf eine hormonelle Wirkung aus Zellversuchen vor.
    • Früher steckten Phthalate, die als fortpflanzungsgefährdend eingestuft sind, als Weichmacher in Nagellacken, um sie dehnbarer zu machen. Inzwischen hat der Ersatzweichmacher Acetyltributylcitrat diese Rolle übernommen – noch ist aber nicht geklärt, wie sich Ersatzweichmacher auf die Gesundheit auswirken.
    • Punktabzug gibt es für erhöhte Mengen des bedenklichen Lösungsmittels Styrol, das beim Einatmen gesundheitsschädlich ist.
    • Die phosphororganische Verbindung Triphenylphosphat und Acrylate können Allergien auslösen.
    • In einem Nagellack steckt Benzophenon, das die Internationale Agentur für Krebsforschung als "möglicherweise krebserregend" einstuft. Aus Sicht der Europäischen Agentur für Chemikalien ist die Frage der Kanzerogenität auch nach Tierversuchen nicht abschließend geklärt. Wir nehmen aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes trotzdem Punktabzug vor.

    Nagellack & Klarlack: Das rät ÖKO-TEST

    • Wer es bunt liebt, aber Nitrosamine meiden mochte, kann unter den von uns getesteten Produkten nur zur Naturkosmetik greifen. In allen anderen Farblacken stecken zumindest Spuren von Nitrosaminen.
    • Klarlacke (Topcoats) schneiden in unserem Test tendenziell besser ab. Auch ohne Farbe lassen sich damit Akzente setzen.
    • Öfter mal eine Pause machen: Nagellack und Nagellackentferner trocknen die Nagel aus. Deshalb Erholungsphasen einlegen und die Nagel in dieser Zeit immer mal wieder einfetten, zum Beispiel mit Handcreme.

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    Wir haben diese Produkte für Sie getestet

    Testverfahren

    Der Einkauf: Vorbei die Zeiten, in denen Frauen vor allem Rottöne und Klarlack gekauft haben. Inzwischen gibt es keine Farbe mehr, die es nicht gibt: von dezent bis knallig, von matt bis metallic oder mit Glitzerpartikeln. Unsere Einkaufsabteilung hat sich im Einzelhandel und in Onlineshops umgesehen. Immer mehr Marken haben Gel-Nagellacke für Endverbraucher im Angebot. Da Hersteller diese häufig als Zweiphasenprodukte verkaufen, haben wir bei einigen sowohl Farblack als auch Topcoat erworben. Auch die Preisspanne ist groß: zwischen 1,50 Euro und 26,99 Euro. Damit die Preise sich leichter vergleichen lassen, haben wir alle Preise umgerechnet, auf je zehn Milliliter.

    Die Inhaltsstoffe: Die Nagellacke haben wir in verschiedenen Laboren untersuchen lassen. Dabei wollten wir wissen: Enthalten sie krebserregende Nitrosamine, umstrittene Weichmacher, halogenorganische Verbindungen oder krebsverdächtiges Formaldehyd? Wie sieht es mit problematischen Lösungsmitteln und bedenklichen UV-Filtern aus?

    Die Weiteren Mängel: Manche Hersteller geben die Inhaltsstoffe ihrer Produkte in sogenannten May-contain-Deklarationen an. Die Hersteller führen erst einmal alles auf, was in einem Produkt enthalten sein könnte - für jeden möglichen Farbton. Wir haben nachgefragt, weil wir es genau wissen wollten. Wer darauf nicht geantwortet hat, bekommt Punktabzug.

    Die Bewertung: Für problematische Inhaltsstoffe, wie krebserregende Nitrosamine, hormonell wirksame UV-Filter oder phosphororganische Verbindungen, von denen manche möglicherweise krebserregend sind, gibt es, wie bei ÖKO-TEST üblich, zum Teil empfindliche Abzüge.

    Testmethoden: N-Nitrosodiethanolamin (NDELA): LC-MS/MS. Nitrosamine in kosmetischen Produkten: GC-MS/MS. Formaldehyd/-abspalter: saure Wasserdampfdestillation, Derivatisierung mit Acetylaceton, Ausschütteln mit n-Butanol, Bestimmung mittels Fotometrie. Halogenorganische Verbindungen: Extraktion mit Heptan. Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom. Microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Weichmacher, phosphororganische Verbindungen sowie weitere Substanzen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. TVOC-Verbindungen: GC/MS nach Extraktion. Phenolische Verbindungen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung und HPLC-FLD nach Extraktion. Acrylate und Styrole: GC/MS nach Extraktion und Headspace-GC/MS. Anilin/aromatische Amine: Methode: DIN EN 14362-1: 2012-04; DIN EN 14362-3: 2012-09; § 64 LFGB B 82.02-2: 2013-01; § 64 LFGB B 82.02-15:2013-01. Steht bei Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Nachweisgrenze" der jeweiligen Testmethode.

    Testlegende: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung urn vier Noten: ein Nitrosamingehalt von mehr als 466 µg/kg. Zur Abwertung urn jeweils zwei Noten führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) der bedenkliche UV-Filter Benzophenon-1; c) ein stark erhohter Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg phosphororganische Verbindungen (hier: Triphenylphosphat). Zur Abwertung urn jeweils eine Note fuhren: a) Benzophenon und/oder die bedenklichen UV-Filter Etocrylen und/oder Octocrylen, wenn nicht bereits wegen bedenklicher UV-Filter um zwei Noten abgewertet wurde; b) ein erhöhter Gehalt von mehr als 100 mg/kg Acrylat (hier: Butylmethacrylat); c) ein erhöhter Gehalt von mehr als 10 mg/kg bis 100 mg/ kg Styrol; d) mehr als 1.000 mg/kg eines Ersatzweichmachers (hier: Acetyltributylcitrat), falls nicht schon wegen Triphenylphosphat abgewertet wurde. Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe.

    Einkauf der Testprodukte: März/April 2017.

    Bereits veröffentlicht: ÖKO-TEST Magazin 08/2017. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben, sofern sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder ÖKO-TEST neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt hat.

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