Hormonell wirksame Stoffe in Lebensmitteln & Co.: Wo sie überall zu finden sind

Autor: Katja Tölle | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 24.08.2025

Dosenmais, Gesichtcremes und viele weitere Alltagsprodukte können Chemikalien enthalten, die wie Hormone wirken
Foto: New Africa/Shutterstock; AlenKadr/Shutterstock

Chemikalien wie BPA und einige UV-Filter können unser Hormonsystem stören – trotzdem stecken sie in vielen Alltagsprodukten wie beispielsweise Sonnencremes, Mundspülungen und Dosenmais. Wie die Umweltgifte auf den Körper wirken und warum sie nicht einfach verboten werden. 

Ob Sonnencremes, Bodysprays, Energydrinks oder Dosentomaten: Viele Kosmetika und Lebensmittel enthalten hormonell wirksame Chemikalien – oder zumindest solche, die im Verdacht stehen, wie ein Hormon zu wirken. Und das, in den meisten Fällen, völlig legal. Denn etliche dieser Chemikalien sind erlaubt.

Aber von vorn. Was bedeutet "hormonell wirksam" überhaupt? Das bedeutet, dass diese Stoffe in unser natürliches Hormonsystem eingreifen und es verändern können. Unser Hormonsystem, auch endokrines System genannt, kann man sich als ein Netzwerk von Drüsen vorstellen, das wichtige Prozesse wie den Hormonspiegel und die Ausschüttung von Hormonen im Körper steuert.

Hormone sind chemische Botenstoffe, die für den Ablauf vieler Funktionen im Körper verantwortlich sind – für den Stoffwechsel, den Schlaf, die Stimmung, das Wachstum und die Entwicklung. Das Zusammenspiel der Hormone ist hochkomplex und viele wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu fehlen noch. Klar ist aber, dass bereits geringe Mengen eines Hormons bestimmte Wirkungen im Körper auslösen können.

Die Forschung macht diese "endokrinen Disruptoren", übersetzt Hormonstörer, etwa dafür verantwortlich, dass die Pubertät von Kindern durchschnittlich früher einsetzt. Auch dafür, dass die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern und Frauen abnimmt. Für Übergewicht und Diabetes. Und dafür, dass Krankheiten wie Brust- und Hodenkrebs zunehmen.

Welche Lebensmittel können hormonell wirksame Chemikalien enthalten?

Das Problem, für Verbraucherinnen und Verbraucher, Forschung und Gesetzgebung gleichermaßen: Es gibt unzählige dieser Stoffe. In Lebensmitteln etwa können das bestimmte Pestizide sein oder einige Weichmacher, die über Kunststoffverpackungen in Lebensmittel übergehen können. Zudem hat die Chemikalie Bisphenol A (BPA), die etwa aus den Beschichtungen von Dosen oder aus Altpapier stammen kann, hormonell wirksame Eigenschaften.

So haben wir etwa in fast jedem Energydrink BPA nachgewiesen – klar, das mag jetzt nicht das einzige Problem sein, dass Hardcore-Energydrinktrinker haben, aber doch ein zusätzliches. BPA haben wir auch in etlichen anderen Lebensmitteln aus Dosen nachgewiesen: so etwa in allen (!) Dosentomaten und in Dosenmais.

Zudem steckte BPA sogar in einigen Obstbreien für Babys; woher die Verunreinigung hier stammte, konnte sich kein Hersteller erklären. Auch in fast allen von uns getesteten Pizzakartons wies das von uns beauftragte Labor BPA nach – hier stammt es aus dem Altpapierkreislauf, weil BPA beim Bedrucken etwa von Kassenbons eingesetzt wird. Unser Test zeigte aber leider: BPA steckt nicht nur in den Kartons, es geht auch in die Pizza über.

Kosmetika: Bedenkliche UV-Filter teilweise noch erlaubt

Auch etliche Kosmetika enthalten hormonwirksame Stoffe – oder solche, die unter dem Verdacht stehen, wie ein Hormon zu wirken. Ganz vorn auf der Liste: bestimmte chemische UV-Filter, die in einigen Sonnencremes, Gesichtscremes und, völlig unnötigerweise, sogar in manchen Bodysprays stecken. Immerhin verzichten immer mehr Hersteller auf diese chemischen UV-Filter, zu denen etwa Octocrylen oder Homosalat gehören.

In älteren Tests steckten diese Filter noch in rund der Hälfte der von uns getesteten Sonnenschutzmittel – auch der für Kinder. Aktuell enthalten noch einige wenige Sonnencremes Octocrylen; Homosalat ist inzwischen in fast allen Sonnenschutzmitteln verboten.

In fast allen? Ja, und das zeigt auch, was für kuriose Blüten Gesetzgebung treiben kann: Homosalat, ein völlig verzichtbarer chemischer UV-Filter, der in Verdacht steht, hormonell wirksam zu sein, ist seit Juli 2025 in Sonnenschutzmitteln für den gesamten Körper verboten, bleibt aber, auf eine Konzentration von exakt 7,34 Prozent begrenzt, in Sonnenschutzmitteln für das Gesicht erlaubt.

Eins zu null für die Legislative, die hier gegen den gesunden Menschenverstand antritt. Gut, dass es inzwischen etliche Sonnencremes ohne bedenkliche UV-Filter gibt. Das zeigen unsere Tests:

Bodysprays mit hormonell wirksamen UV-Filtern

Doch es geht noch absurder. Denn immerhin schützen diese UV-Filter in Sonnencremes vor Hautkrebs. In Bodysprays hingegen ist ihre Konzentration so gering, dass sie diese wichtige Schutzfunktion nicht einmal ausüben können. Trotzdem enthielten in unserem Test von Bodysprays einige Produkte chemische UV-Filter, die eine mögliche hormonelle Wirksamkeit haben: Benzophenon-3, Octocrylen, Homosalat und Ethylhexylmethoxycinnamat.

Die Hersteller wollen hier gar nicht uns vor Sonnenbrand schützen, sondern ihr Produkt: Denn die Produkte steckten in durchsichtigen Flaschen. Die UV-Filter sollten entsprechend verhindern, dass die Produkte schlecht werden – Düfte etwa können bei zu viel Licht kippen. Okay, ja, aber eine dunkle Flasche wäre keine Option…? Dann lieber chemische UV-Filter, die in unser Hormonsystem eingreifen können…?

Welche Konservierungsstoffe unter Hormonverdacht stehen 

Etliche Kosmetika in unseren Tests enthalten auch immer noch Konservierungsstoffe, die unter Hormonverdacht stehen – etwa Butylparaben oder Propylparaben. Diese Stoffe sind erlaubt, zumindest in bestimmten Konzentrationen. In einem Rouge wiesen wir allerdings mehr Propylparaben nach als erlaubt – auch das kommt vor.

Da es genügend nicht-hormonwirksame Alternativen gibt, kritisieren wir auch bereits erlaubte Mengen dieser Stoffe – etwa in Mundspülungen, Wimperntuschen und Gesichtscremes. Auch in unserem Test Schmerzsalben steckten diese Konservierungsstoffe in einigen Produkten, hinzu kam Salicylsäure – ein Stoff, der in der EU als fruchtbarkeitsschädigend eingestuft ist und im Verdacht steht, wie ein Hormon zu wirken.

Unübersichtlich viele hormonwirksame Stoffe

Klar, wir nehmen in der Regel nur geringe Mengen dieser Stoffe auf und klar, die Dosis macht das Gift – aber was dieser Hormoncocktail, also diese vielen verschiedenen geringen Mengen von vielen verschiedenen hormonwirksamen Stoffen, in unserem Körper bewirkt? Dazu fehlen uns noch wichtige Erkenntnisse – und ob wir diese jemals haben werden, ist fraglich. Denn dafür gibt es einfach zu viele hormonwirksame Stoffe und es kommen immer neue dazu.

Nehmen wir das Beispiel Bisphenol A: Die Chemikalie ist inzwischen in fast allen Materialien mit Lebensmittelkontakt (außer Papier, auch hier unterliegt der gesunde Menschenverstand bisher der Legislative) verboten. Doch wird ein kritischer Stoff verboten, dauert es meist nicht lang, bis ein anderer, neuer kritischer Stoff den verbotenen ersetzt. Im Fall von Bisphenol A ist das Bisphenol S. Ähnlicher Name, ähnliche Eigenschaften für die Industrie. Und: vermutlich ähnliche Eigenschaften auf unser Hormonsystem.

Aber bis das erforscht ist, bis das gesetzlich reglementiert ist, mischt die Industrie den Stoff in ihre Produkte – und darf das auch. Und wenn Bisphenol S in zehn, in 15 Jahren dann gesetzlich reglementiert sein sollte, haben wir bereits zehn, 15 Jahre lang den Stoff aufgenommen. Mit all den möglichen Auswirkungen auf unser Hormonsystem.

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