Essbare Schutzschicht für Obst: Viele Vorteile – aber auch Nachteile

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Essen und Trinken | 12.05.2020

Essbare Schutzschicht für Obst: Viele Vorteile – aber auch Nachteile
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / skeeze

Große Lebensmittelhändler testen derzeit eine innovative Schutzschicht, die die Früchte länger frisch halten soll. Die Hülle kann sogar bedenkenlos mitverzehrt werden. Verbraucherschützer sehen bei dem neuen Verfahren nicht nur Vorteile.

  • Die innovative Schutzschich (Coating) funktioniert bislang nur bei wenigen Sorten.
  • Die essbare Hülle kann Verpackungsmüll, Lebensmittelverschwendung und Treibhausgase reduzieren.
  • Verbraucherschützer sehen auch Nachteile der natürlichen Schutzhülle. 

    Kunststoffverpackungen für Obst und Gemüse stoßen bei den Kunden immer öfter auf Widerstand. Kommt die frische und empfindliche Ware aber ohne die schützende Plastikschicht in die Läden, vergammelt sie dafür schneller. Dann will sie keiner mehr haben – und die wertvollen Lebensmittel werden aussortiert und landen auf dem Müll.

    Aus diesem Dilemma könnte es jetzt einen Ausweg geben: Rewe und Edeka bieten mittlerweile in ausgewählen Märkten erstmals Früchte an, die mit einer neuartigen und innovativen Schutzschicht überzogen sind. 

    Zweite Haut schützt vor allem Tropenfrüchte

    Viele Lebensmittel, insbesondere tropische Früchte, haben einen weiten Weg hinter sich. Der Reifeprozess lässt sich in dieser Zeit nur verzögern, aber nicht aufhalten. 

    Die neue Idee von Lebensmitteltechnikern: Ein essbarer Überzug sorgt dafür, dass die Zellatmung reduziert wird und die Lebensmittel länger frisch bleiben. Der Clou: Die clevere und nachhaltige Folienalternative ist essbar und hat keinerlei Nebenwirkungen. Sie ist farblos, geruchs- und geschmacksneutral und gesundheitlich unbedenklich.

    Coating: Clever und nachhaltig

    Bei diesem sogenannten Coating wird auf Obst und Gemüse eine Schicht aufgespritzt oder aufgestrichen, die die Früchte länger frisch hält. Die Ummantelung soll den Wasserverlust stoppen und verhindern, dass Sauerstoff eindringt.

    Die Schicht besteht ausschließlich aus pflanzlichen Stoffen (Lipiden und Glycerolipiden), die aus Schalen, Samen und dem Fruchtfleisch von Früchten gewonnen werden, die wir bereits essen.

    Nur für bestimmte Sorten und nicht für Bio-Ware 

    Bislang wird die neuartige Beschichtung nur bei Früchten eingesetzt, deren Schale nicht verzehrt wird. Bei Bio-Lebensmitteln darf Coating generell nicht zum Einsatz kommen.

    Edeka: Zitrusfrüchte mit einer zweiten Haut

    Der Edeka-Verbund arbeitet dabei mit der "Apeel-Technologie" von ApeelSciences. Das Unternehmen hat bereits Ende vergangenen Jahres Avocados mit einem pflanzlichen Schutzmantel in ausgewählte Edeka- und Netto-Märkte gebracht. Anfang 2020 folgten im Pilotprojekt Orangen und Mandarinen.

    Verbraucher finden die mit dem Apeel-Logo gekennzeichneten Orangen und Mandarinen in ausgewählten Edeka-Märkten in Teilen von Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen sowie in Netto-Filialen zusätzlich in Teilen von Bayern, Baden-Württemberg und Nieder­sachsen. Eine bundesweite Einführung der länger haltbaren Produkte ist im Jahresverlauf 2020 geplant.

    Die Produkte mit Coating sind am Apeel-Logo zu erkennen.
    Die Produkte mit Coating sind am Apeel-Logo zu erkennen. (Foto: Edeka)

    ApeelSciences wurde im Jahr 2012 im Rahmen einer Schenkung von der Bill & Melinda Gates Foundation gegründet, um zu helfen, den Lebensmittelverlust nach der Ernte in Entwicklungsländern ohne Zugang zu Kühlanlagen zu reduzieren.

    Rewe: Schutzhülle für Avocados

    Rewe und Penny haben Ende Januar erstmals marokkanische Avocados, die mit einer Schutzhülle auf Fruchtzucker-Basis überzogen sind, in die Läden gebracht. Die Rewe-Group arbeitet dabei mit dem britischen Hersteller AgriCoat NatureSeal zusammen. Tests in den Läden hätten ergeben, "dass die Haltbarkeit von Avocados im Idealfall auf acht Tage verdoppelt werden kann", so die Rewe-Group in einer Mitteilung. Auch diese Schutzschicht soll essbar und gesundheitlich absolut unbedenklich sein.

    Marokkanische Avocado - dank Coating länger haltbar
    Marokkanische Avocado - dank Coating länger haltbar (Foto: Rewe-Group)

    Exotische Früchte: Seeweg statt Flugreise?

    Das Coatingverfahren könnte die Transportmöglichkeiten bei empfindlichen Früchten aus den Tropen verbessern, erläutert Andreas Krämer von der Rewe-Group: "Zusätzlich beschäftigen wir uns mit sensiblen exotischen Früchten, die bisher als Flugware zu uns kommen, um hier ausreichende Frische für einen nachhaltigeren Transport auf dem Seeweg ermöglichen zu können, ohne dabei Verluste in Geschmack und Frische der Produkte hinnehmen zu müssen."

    Künftig soll neben Avocados und Zitrusfrüchten auch Kernobst mit der Schicht behandelt werden. 

    Gute Perspektive für Coating

    Für das neue Verfahren sprechen einige Punkte:

    • Dank Coating kann die Menge Verpackungsmüll verringert werden.
    • Die Lebensmittelverschwendung kann reduziert werden, wenn Obst und Gemüse länger haltbar sind.
    • Sollte es möglich sein, exotische Früchte künftig per Schiff statt per Flugzeug zu transportieren, würde das große Mengen an Treibhausgasen sparen.

    Aus Sicht der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sei jedoch unbedingt zu klären, wie sich die Nährstoffgehalte durch die längere Lagerung verändern. "Denn so erscheinen die Produkte im Handel letztlich frischer als sie eigentlich sind".

    Kennzeichnungspflicht gefordert

    Die Verbraucherschützer fordern zudem eine "allgemein verpflichtende und deutliche Kennzeichnung" der Produkte. Gerade im Hinblick auf Allergiker wäre das wichtig.

    Derzeit gibt es keine grundsätzliche Kennzeichnungspflicht für Mono- und Diglyceride von Speisefetten als Überzugsmittel auf Obst. Ausnahme sind Zitrusfrüchte. Diese müssen gekennzeichnet werden, wenn sie nach der Ernte mit Konservierungsmitteln oder sonstigen chemischen Stoffen behandelt werden.

    Auch die Preispolitik der Supermärkte steht bei den Verbraucherschützern in der Kritik: Derzeit seien die behandelten Produkte etwa doppelt so teuer wie die ohne Coating. Für die höheren Kosten kommt bislang der Käufer und nicht der Supermarkt auf.

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