Wunde Brustwarzen: Was Müttern bei Stillproblemen helfen kann

Spezial Schwangerschaft 2024 | Autor: Marieke Mariani | Kategorie: Kinder und Familie | 04.04.2024

Bei wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen sollten sich Frauen frühzeitig Hilfe suchen.
Foto: Krakenimages.com/Shutterstock

Ist uns das Stillen in die Wiege gelegt? Nein, sagt Stillberaterin Madlen Storch. Stillen braucht Übung – und manchmal auch etwas Hilfe von außen. Wir haben mit ihr über Symptome und Ursachen von Stillschwierigkeiten, fehlende Vorbilder und das Bauchgefühl gesprochen.

  • Gut zu wissen: Ehrenamtliche Stillberaterinnen stehen Schwangeren und Müttern bei jeglichen Fragen rund ums Stillen zur Seite. 
  • In vielen Fällen sind Stillprobleme auf eine nicht optimale Anlegetechnik zurückführen. Somit lassen sie sich meist schnell in den Griff bekommen.
  • Neben speziellen Salben können bei wunden Brustwarzen zum Beispiel Kühlpacks, Quarkwickel, Heilwolle und sogenannte Donuts helfen.
  • Wichtig: Frauen sollten nicht im Stillen leiden, sondern sich frühzeitig Hilfe suchen.

Ihr Haar liegt perfekt, ein sanftes Lächeln umspielt die Lippen, keine Spur von Müdigkeit in ihren Gesichtszügen – das Baby nuckelt proper und rosig mit strahlenden Augen an der Brust. Das Idealbild der stillenden Mutter, die ihr Kind glückselig im Wiegegriff hält, ist allgegenwärtig. Im Internet, in Broschüren, auf Produktverpackungen, in Zeitschriften und im Fernsehen werden Frauen ständig damit konfrontiert.

Dabei vermittelt es vor allem eines: einen verklärten Blick auf die Mutterschaft und das Stillen. Ein realistisches Bild von dem, was sie im Wochenbett und danach erwartet, können Frauen sich heute nur noch schwer verschaffen, sagt Madlen Storch. Sie ist Stillberaterin und Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins La Leche Liga (LLL) Deutschland.

Sie stellt bei ihrer Arbeit immer wieder fest, dass das Stillen stark ins Private gerückt ist. Was vor einigen Generationen in der Großfamilie zumindest im Kreise der weiblichen Familienangehörigen noch ganz normal war, findet heute oft nur noch hinter verschlossenen Wohnungstüren statt.

Fehlende Vorbilder für stillende Frauen

"Wir haben keine Vorbilder mehr, die früher ganz selbstverständlich da waren. Ich stelle die Frage gern in der Stillgruppe: Wann habt ihr bewusst eine stillende Mama wahrgenommen, außerhalb eurer eigenen Mutterschaft? Die meisten sagen: Gar nicht. Nirgends."

Viele würden noch lange über die Frage nachdenken, berichtet die Stillberaterin. Aber sie könnten sich nicht an eine Situation erinnern, in der sie einem stillenden Baby zugesehen haben. "Vielleicht mal ganz kurz. Oder sie haben sich nicht getraut, weiter hinzuschauen."

Probleme beim Stillen sind weitverbreitet, aber ein Tabuthema. Betroffene sollten sich allerdings nicht schämen und etwa bei wunden Brustwarzen still vor sich hin leiden, sondern Hilfe in Anspruch nehmen.
Probleme beim Stillen sind weitverbreitet, aber ein Tabuthema. Betroffene sollten sich allerdings nicht schämen und etwa bei wunden Brustwarzen still vor sich hin leiden, sondern Hilfe in Anspruch nehmen. (Foto: Oksana Shufrych/Shutterstock)

Probleme beim Stillen sind ein Tabuthema

In gleichem Maße sind auch Stillschwierigkeiten zum Tabuthema geworden. Kaum jemand redet offen darüber, wenn es nicht klappt; Mütter leiden mit wunden Brustwarzen und schmerzenden Brüsten still vor sich hin. Also Zähne zusammenbeißen und aushalten? Das ist nicht die Lösung.

"Dieser Weg führt meist ins Abstillen", betont Storch, "weil man Schmerzen eben nicht wochenlang aushalten kann." Hier kommen die Expertinnen ins Spiel. Die LLL-Stillberaterinnen stehen stillenden Müttern ehrenamtlich zur Seite und helfen ganz individuell – auch schon vor dem eigentlichen Stillstart.

"In Geburtsvorbereitungskursen wird das Thema Stillen oft nur gestreift. Klar, da geht es hauptsächlich um die Geburt", sagt die Stillberaterin. Deshalb bietet La Leche Liga eigene Stillvorbereitungskurse an, seit der Coronapandemie auch verstärkt online.

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Richtig stillen: Stillvorbereitungskurse für Schwangere

Dort werden bereits in der Schwangerschaft die Grundlagen des Stillens vermittelt, und es wird mit Vorurteilen aufgeräumt. Außerdem stärken die Stillberaterinnen das Selbstbewusstsein der Mütter, damit sie schon im Krankenhaus ihre Wünsche und Vorstellungen klar kommunizieren können.

Denn nach der anstrengenden Geburt ist es im Taumel der Hormone und Gefühle oft nicht leicht, einen klaren Gedanken zu fassen. "Wir wollen mit unseren Stillvorbereitungskursen dafür sorgen, dass Mütter gestärkt in diese Situation gehen. Gerade beim ersten Kind sind sie oft verunsichert, wenn es nicht auf Anhieb klappt und im Krankenhaus plötzlich vom Zufüttern mit der Flasche gesprochen wird. Sie wollen ja das Beste für ihr Kind", sagt Storch.

Stillvorbereitungskurse können das Selbstbewusstsein der Frauen stärken.
Stillvorbereitungskurse können das Selbstbewusstsein der Frauen stärken. (Foto: tativophotos/Shutterstock)

Bei Unsicherheiten eine Stillberaterin kontaktieren

Darüber hinaus hat nicht jedes Krankenhaus geschultes Personal für Stillfragen, und oft bleibt eine ausführliche Beratung im eng getakteten Klinikalltag schlicht aus Zeitmangel auf der Strecke. Da hilft es, die eigenen Grenzen genau zu kennen und auf ein beruhigendes Basiswissen zurückgreifen zu können.

Zum Beispiel, dass der Magen eines Neugeborenen am Anfang ohnehin nur wenige Milliliter Nahrung fasst und die Vormilch – das sogenannte Kolostrum – bis zum Milcheinschuss völlig ausreicht. Dass es ganz normal ist, wenn ein Baby nach der Geburt erst einmal ein wenig Gewicht verliert.

Oder eben, dass verunsicherte Mütter auch schon zu diesem frühen Zeitpunkt telefonisch Kontakt zu einer Stillberaterin aufnehmen können, um sich eine zweite Meinung einzuholen. Vor allem dann, wenn sie keine Nachsorgehebamme haben, die ihnen in dieser Situation zur Seite steht.

"Mama ist Expertin für das Kind"

Madlen Storch bestärkt Mütter aber auch, auf ihre Instinkte zu vertrauen. "Mama ist die Expertin für das Kind – schon vom ersten Moment an, selbst wenn sie sich unzulänglich und ausgepowert fühlt. Sie ist 24 Stunden bei ihrem Kind, keine Person kennt es besser. Und wenn sie das Gefühl hat, hier ist etwas nicht in Ordnung, oder sie einfach eine Bestärkung braucht, dass sie genau so weitermachen soll, dann kann sie sich diese holen. Sie ist nicht allein."

Die Probleme, mit denen Mütter und Babys beim Stillstart in den ersten Tagen und Wochen konfrontiert sein können, sind vielfältig. Für die meisten gibt es eine Lösung. Wunde und schmerzende Brustwarzen gehören fast zwangsläufig dazu – doch sie sind oft nur ein Symptom, das sich auf Dauer erst in den Griff bekommen lässt, wenn die Ursache behoben ist.

"Es ist natürlich wichtig, die Symptome zu behandeln. Aber wichtiger ist es, dass Frauen sich schnell Hilfe holen, wenn sie das Gefühl haben, hilflos zu sein, und wenn die Schmerzen unerträglich sind."

Mütter sollten sich bei wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen Hilfe suchen und sich etwa eine zweite Meinung einholen. Es gilt aber auch, auf die eigenen Instinkte zu vertrauen. Schließlich sind es die Mütter, die ihr Kind am besten kennen.
Mütter sollten sich bei wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen Hilfe suchen und sich etwa eine zweite Meinung einholen. Es gilt aber auch, auf die eigenen Instinkte zu vertrauen. Schließlich sind es die Mütter, die ihr Kind am besten kennen. (Foto: shurkin_son/Shutterstock)

Bei Stillproblemen wie wunden Brustwarzen gezielt Hilfe suchen

Statt ziellos in den Weiten des Internets herumzusuchen, empfiehlt Storch deshalb, gezielt Personen anzusprechen, die die Informationen einordnen und sortieren können. "Es gibt viele Infos im Internet, aber eben auch viele falsche. Eine Stillberaterin kann helfen, aus dieser Flut das herauszupicken, was der Mutter wirklich nutzt, und dann mit ihr in die selbstbestimmte Lösungssuche gehen."

Die meisten Fälle ließen sich gut per Telefon oder E-Mail lösen, berichtet Storch. Manchmal kommt die Stillberaterin auch zu den betroffenen Frauen nach Hause. Egal auf welchem Weg, sie hört zuerst einmal zu, beobachtet und fragt nach. Denn die Lösung ist meist so einzigartig wie das Problem.

"Wir schauen gemeinsam aufs Anlegen und auf die individuelle Situation. Ist das Kind vielleicht schon zu überdreht, hat es schon zu großen Hunger, ist es müde oder hat gar nicht genug Kraft? Ist die Brust zu prall? Welche Stillposition passt am besten für Mama und Baby? Wir fragen auch nach den Geburtsumständen. Unser Ziel ist es, die Mutter ganzheitlich abzuholen."

Veränderte Anlegetechnik kann Müttern helfen

80 Prozent der Stillprobleme seien auf nicht optimales Anlegen zurückzuführen und ließen sich schnell in den Griff bekommen.

"Macht das Kind den Mund richtig weit auf und liegt mit Kinn und Nase nah an der Brust, nimmt es viel Brustwarzengewebe in den Mund. Dann landet die Brustwarzenspitze ganz hinten am weichen Gaumen. Dabei wird das Gewebe zwar gedehnt, aber es sollte nichts schmerzen. Nimmt das Kind die Brustwarze aber nicht weit genug in den Mund, und sie reibt vorn am harten Gaumen, wird sie schnell wund", erklärt Storch.

Eine leicht veränderte Anlegetechnik, bei der das Baby die Brustwarze besser zu fassen bekommt, kann also bereits den entscheidenden Unterschied machen.

Stillprobleme haben selten körperliche Ursachen

Für viele sei eine zurückgelehnte Haltung, in der Mama und Kind Bauch an Bauch liegen und das Baby selbstbestimmt zur Brust findet, ein Gamechanger. "Diese Position spricht alle Sinne des Babys an und gibt der Mutter eine große Portion Vertrauen in die natürlichen Prozesse zurück."

Die wenigen Fälle, in denen körperliche Ursachen wie ein zu kurzes Zungenbändchen oder andere anatomische Veränderungen im Mundraum des Babys der Grund für die Stillschwierigkeiten sind, ließen sich meist interdisziplinär gut lösen, sagt die Stillberaterin.

Hausmittel können bei wunden Brustwarzen helfen

Als erste Hilfe bei wunden Brustwarzen kommen einige Hausmittel infrage. Neben den klassischen Brustwarzensalben empfiehlt Madlen Storch Müttern, Muttermilch auf den Brustwarzen zu verreiben, um ihre heilungsfördernden Eigenschaften zu nutzen.

"Zu Hause sollten Mütter dafür sorgen, dass nichts reibt und zusätzlich reizt. Viel Luft und auch Sonnenlicht am Fenster, sofern das mit der Nachbarschaft möglich ist, sind gut für die gereizte Haut. Manche Frauen sagen, dass es ihnen hilft, wenn sie den Milchspendereflex schon vorher auslösen und ein wenig Milch ausstreichen, weil das Kind eine weichere Brust besser erfassen kann."

Coolpacks, Heilwolle, "Donuts" & Co. ausprobieren

Wärme vor dem Stillen kann den Milchfluss anregen, einige Frauen empfinden nach dem Stillen ein Coolpack auf den Brüsten als angenehm. Je nach persönlichen Vorlieben können auch Quarkwickel oder Heilwolle einen lindernden Effekt haben.

Sogenannte Donuts – Polster mit Loch in der Mitte – sorgen in den BH eingelegt dafür, dass der Stoff nicht auf den gereizten Brustwarzen reibt. Diese Polster sollten, wie auch Stilleinlagen, regelmäßig gewechselt werden, um Staunässe und Keimbildung zu vermeiden.

Darüber hinaus rät die Expertin: Die Mutter sollte das Stillen an der weniger stark betroffenen Seite beginnen und schon beim Anlegen schauen, ob sie das Kind animieren kann, den Mund etwas weiter zu öffnen.

Stillprobleme: Was tun bei Milchstau?

Ist die Brust an manchen Stellen verhärtet und druckempfindlich, kann ein Milchstau vorliegen. Dann ist ein Milchgang blockiert, und die Milch kann nicht richtig abfließen. "Ein Milchstau kann in jeder Stillbeziehung vorkommen – nach zwei Jahren genauso wie nach einem Monat oder in der ersten Woche", weiß die Stillberaterin.

Auch wenn es schmerzt, sollten Mütter das Anlegen dann nicht hinauszögern und konsequent weiterstillen, um die Blockade aufzulösen. Besonders gut kann die Milch abfließen, wenn die Mutter sich über das auf dem Rücken liegende Baby beugt und im Vierfüßlerstand stillt. Dabei macht sie sich die Schwerkraft zunutze. Auch hier kann Wärme vor dem Anlegen den Milchfluss fördern.

Kühlen nach dem Stillen ist ebenfalls eine Option – wenn die Frau es als angenehm empfindet. Linderung verschafft es auch, zwischen den Mahlzeiten etwas Milch auszustreichen und die Brüste zu massieren, um sie zu entlasten. Vor allem aber sollten sich Mütter in dieser Zeit Ruhe und Entspannung gönnen.

Bei wunden Brustwarzen und anderen Problemen früh Hilfe suchen

Schmerzt die Brust stark, ist sie zunehmend gerötet und kommt sogar Fieber dazu, sollten Mütter spätestens nach 24 Stunden einen Arzt aufsuchen. Möglicherweise liegt dann eine Brustentzündung (Mastitis) vor, die sich unbehandelt im schlimmsten Fall zum Brustabszess auswachsen kann. Ein Arzt wird dann entscheiden, ob zur Behandlung der Entzündung ein Antibiotikum nötig ist. 

"Es dauert länger zu helfen, je länger das Problem schon besteht", resümiert Storch. Sie rät Müttern daher, sich möglichst frühzeitig Hilfe zu suchen, "damit sich die Probleme nicht einschleifen und zu einem riesengroßen Berg werden, den ich irgendwann nicht mehr bezwingen kann. Wenn ich mich auf eine Wanderung begebe, dann nehme ich einen Weg auf mich, von dem ich weiß, dass ich ihn bewältigen kann. Aber mit einem Baby kann der Berg auf einmal viel größer sein als vermutet. Wenn dann noch Probleme dazukommen, alle Welt Druck macht und man nur noch Probleme sieht, ist es ganz schwer durchzuhalten. Dabei ist es so lohnenswert und bereichernd. Mit ein bisschen Hilfe muss der Berg nicht noch größer werden."

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