Babyschlaf: Sechs Mythen im Check

Spezial Schwangerschaft 2024 | Autor: Theresa Horbach | Kategorie: Kinder und Familie | 04.04.2024

Rund um das Thema Babyschlaf ranken sich viele Mythen.
Foto: polkadot_photo/Shutterstock

Wer ein Kind bekommt, erhält oft nicht nur Glückwünsche, sondern muss sich auch mit ungebetenen Ratschlägen herumschlagen. Besonders oft drehen die sich um den Babyschlaf. Doch welche Tipps sind hilfreich, welche nur Mythen? Wir haben mit einer Schlafmedizinerin gesprochen.

Immer wieder sorgt das Thema Babyschlaf für Diskussionen – nicht nur unter den Eltern. Kein Wunder: Rund um das Ein- und Durchschlafen ranken sich viele Mythen. Grund genug, einige von ihnen einmal unter die Lupe zu nehmen. 

Mythos 1: Babys brauchen ein festes Ritual, um einzuschlafen

Gerade hat das Kind noch gespielt, dann heißt es: "Ab ins Bett!" Und der Protest beginnt. Manche Kinder überrascht es immer wieder, dass der Tag jetzt vorbei sein soll – auch wenn sie hundemüde sind. "Rituale können Kindern dabei helfen, diesen Übergang zu bewältigen", sagt Schlafmedizinerin Barbara Schneider vom Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut. "Denn Übergänge können Angst machen."

Das trifft ganz besonders auf den vom Wachen ins Schlafen zu, bei dem die Kinder Kontrolle abgeben müssen. Besonders frustrierend ist das für Babys, die sich bereits ein gewisses Maß an Kontrolle über ihre Umgebung erarbeitet haben.

Babyschlaf: Abendrituale am besten zur selben Zeit

Auch Kinder, die sich mit Wechseln generell schwertun und sich zum Beispiel lautstark beschweren, wenn der Spielplatzbesuch plötzlich endet, können von einem Abendritual profitieren. "Ein Ritual kann Kindern dabei helfen, sich auf den Schlaf einzustellen. Es signalisiert, dass es jetzt Richtung Bett geht und es nicht zu erwarten ist, dass noch etwas Spannendes passiert."

Im Idealfall ist das Ritual dann auch richtig langweilig: "Je weniger Action, desto besser", rät Schneider. Es beginnt jeden Abend in etwa zur gleichen Zeit. Auf die pendelt sich mit der Zeit nämlich der Biorhythmus des Babys ein: Rückt die Schlafenszeit näher, schaltet der Körper "wie von selbst" einen Gang zurück, und das Kind kann sich besser regulieren. 

Feste Rituale können dem Baby beim Ein- und Durchschlafen helfen.
Feste Rituale können dem Baby beim Ein- und Durchschlafen helfen. (Foto: ANNA GRANT/Shutterstock)

Mythos 2: Babys schlafen von alleine ein, wenn sie richtig müde sind

Niemand kann ewig wach bleiben, auch Babys nicht. Die allerwenigsten schlafen allerdings einfach beim Spielen ein. Manche schaffen es, wenn man sie – müde und satt – in ein abgedunkeltes Zimmer legt.

Andere fangen dann an zu weinen und können erst recht nicht einschlafen. Der Grund: Viele Kinder sind verunsichert, wenn sie müde werden, erklärt Schlafmedizinerin Barbara Schneider. "Sie können mit dem Gefühl nichts anfangen und brauchen Unterstützung dabei, die Situation einzuordnen. Jemanden der ihnen sagt: Das passt schon, du kannst die Augen zumachen."

Wie viel Begleitung ein Baby beim Einschlafen braucht, hängt davon ab, wie gut es sich schon selbst regulieren kann. "Das ist eine Typsache", meint Schneider.

Äußere Reize auf ein Minimum reduzieren

Kinder, die generell sehr offen für äußere Reize sind, tun sich oft schwerer damit abzuschalten. Umso wichtiger ist es, dass die Eltern ruhig bleiben: "Die Kinder reagieren sehr stark auf ihre Bezugsperson, weil sie von ihr abhängig sind." Ist die besorgt, gestresst oder gar wütend, fällt es dem Kind noch schwerer, zur Ruhe zu kommen.

Oft hilft es, die Situation kurz zu verlassen, sich zu beruhigen und dann einen neuen Anlauf zu nehmen. Grundsätzlich gilt laut der Expertin: "Babys brauchen von den Eltern oft nicht viel." Singen, Wippen, Tragen – all diese Dinge funktionierten vor allem deshalb, weil von ihnen ein starker Reiz ausgeht.

Und der ist zunächst stärker als die Unruhe, die viele Babys mit zunehmender Erschöpfung plagt. Verschwindet der Reiz jedoch, fängt das Kind oft wieder an zu weinen. Schneiders Rat lautet daher: Die äußeren Reize auf ein Minimum reduzieren und dem Kind stattdessen immer wieder versichern, dass die Situation in Ordnung ist – mit Geduld, Zuwendung und liebevollen Worten. 

Mythos 3: Je weniger das Baby tagsüber schläft, desto besser schläft es nachts

Unruhige Nächte – aber drei Stunden Mittagsschlaf? Für viele Eltern liegt es da nahe, die Schläfchen am Tag zu verkürzen, in der Hoffnung, dass das Kind nachts besser schläft. "Tatsächlich können Kinder bis zum Ende des dritten Lebensjahres über 24 Stunden hinweg Schlaf ansammeln und müssen nicht zwingend länger am Stück schlafen, um ausgeschlafen zu sein", sagt Schneider.

Haben die Kinder einen großen Teil ihres Schlafbedürfnisses tagsüber erfüllt, sinkt die Schlafdauer in der Nacht. Sind die Nächte unruhig, kann es deshalb sinnvoll sein, das Kind tagsüber früher zu wecken. Je kleiner das Baby ist, desto mehr Schlaf wird es jedoch am Tag noch brauchen.

Nachts nicht mit dem Baby spielen

Eine Erfolgsgarantie gibt es ohnehin nicht. Denn nächtliche Wachphasen können viele Gründe haben: Etwa wenn die ganz Kleinen Hunger haben. Daran ändert auch der verkürzte Mittagsschlaf nichts. Größere haben den Unterschied zwischen Tag und Nacht vielleicht noch nicht verinnerlicht und erwarten, dass nach dem nächtlichen Aufwachen gespielt wird – ist tagsüber ja auch so.

Ist das der Fall, rät Schneider, nächtliche Wachphasen so ruhig wie möglich zu gestalten: "Keine Festbeleuchtung. Licht ist ein Wachmacher. Beim Wickeln nicht kitzeln und keine Spiele." Bleiben Sie stattdessen mit dem Kind liegen und erklären ihm, dass es wieder einschlafen kann. 

Mythos 4: Das Baby sollte sich nicht daran gewöhnen, an der Brust einzuschlafen

Einschlafen an Mamas Brust ist für viele Babys das Nonplusultra: Nähe, Nuckeln, Mamas Duft und ab und zu ein Schluck Milch. Das Problem: Wir alle – auch Babys – wachen nachts immer wieder auf, um abzuchecken, ob alles in Ordnung ist. Ist dem so, schlafen wir einfach weiter. Stimmt etwas nicht, werden wir richtig wach.

Und wenn ein Kind merkt, dass die Rundumversorgung plötzlich weg ist, dann stimmt aus Babysicht eine ganze Menge nicht. Es verlangt dann lautstark nach Mama. Und die kann es auf Dauer vielleicht nicht leisten, alle 45 bis 90 Minuten dem Kind beim Einschlafen zu helfen.

 "Es ist ungünstig, wenn ein Kind gelernt hat, dass Einschlafen nur mit einem bestimmten elterlichen Hilfsmittel funktioniert", erklärt Schneider. "Das muss nicht unbedingt das Stillen sein, es kann auch der Pezziball sein, der Kinderwagen oder das Herumfahren im Auto."

Stillen sollte nicht dauerhaftes Einschlafritual sein

Kennt ein Kind keinen anderen Weg, in den Schlaf zu finden, führt das oft zu unruhigen Nächten – weil es nicht nur abends, sondern auch beim nächtlichen Aufwachen immer wieder nach dem Standardprogramm verlangt.

Ab einem Alter von etwa sechs Monaten – wenn das Baby von seiner körperlichen Entwicklung her mehrere Stunden am Stück schlafen kann – lohnt es sich laut Schneider daher, andere Einschlafrituale als Stillen, Pezziball oder Trage zu etablieren. Und den elterlichen Einsatz langsam zurückzufahren.

Das heißt aber keinesfalls, dass das Kind nie beim Stillen wegdämmern darf: "Das Baby kann ruhig auch mal am Busen einschlafen, wenn es nicht zum festen Einschlafritual wird", sagt Schneider. "Das ist ja nicht nur für den Nachwuchs schön, sondern auch für viele Mamas." 

Ab etwa einem Alter von sechs Monaten sollten andere Einschlafrituale als das Stillen etabliert werden.
Ab etwa einem Alter von sechs Monaten sollten andere Einschlafrituale als das Stillen etabliert werden. (Foto: Alexander_Safonov/Shutterstock)

Mythos 5: Das Elternbett ist gefährlich

Kinderärzte warnen davor im Familienbett zu schlafen – vor allem wegen des plötzlichen Kindstods. "Die Forschung hat lange gedacht, dass sie irgendwann den einen Grund für den plötzlichen Kindstod findet. Den gibt es aber nicht", sagt Schneider. Wohl aber verschiedene Risikofaktoren.

Einige davon lassen sich in einem eigenen Bett vermeiden. "Die Gefahr, das Kind zu überdecken oder zu überwärmen, ist im Elternbett viel größer, als wenn es in einem eigenen Bett schläft", sagt Schneider.

Nach aktuellem Stand der Forschung sei das Familienbett daher nicht die sicherste Art zu schlafen – auch wenn das Kuscheln natürlich toll und auch im Sinne des Babys sei. "Solange es sich nicht selbst umdrehen kann, sollte man auf jeden Fall aufpassen." 

Mythos 6: Ab eins sollten Kinder im eigenen Zimmer schlafen

"Mit einem Jahr zieht das Kind in sein eigenes Zimmer – das scheint kulturell bei uns so verankert zu sein", sagt Schneider. "In anderen Ländern stößt diese Vorstellung auf Unverständnis." Wahr ist jedoch: Gegen Ende des ersten Lebensjahres werden Kinder nachts empfindlicher. Papa schnarcht, Mama muss früh raus – und schwupps, ist das Kind wach.

Schläft es um den ersten Geburtstag herum plötzlich schlechter, ist der Umzug ins eigene Zimmer einen Versuch wert. "Manche Kinder schlafen dann ruhiger, andere brauchen länger die Nähe der Eltern", sagt Schneider. "Und manchmal sind es auch die Eltern, die noch nicht bereit sind, das Kind ziehen zu lassen."

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