Beißringe-Test: Neun Zahnungshilfen mit Schadstoffen belastet

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2021 | Autor: Frank Schuster/Jörg Döbereiner | Kategorie: Kinder und Familie | 15.10.2020

Beißringe-Test: Wir haben 20 Zahnungshilfen überprüft, darunter Beißringe aus Naturkautschuk, Holz, Kunststoff, Textil und Silikon. Im Fokus: die Inhaltsstoffe.
Foto: ÖKO-TEST, Oksana Kuzmina/Shutterstock

Wenn die ersten Zähne hervorbrechen, werden Babys von Schmerzen geplagt. Beißringe sollen bei der Schmerzlinderung helfen. Beim Kauf können Sie allerdings schnell einen Fehlgriff landen, denn neun der zwanzig getesteten Beißringe kritisieren wir wegen bedenklicher Inhaltsstoffe.

  • Mehr als die Hälfte der getesteten Beißringe für Babys bewerten wir mit Bestnote. Dazu gehören günstige und teure Produkte.
  • Mit den Gesamturteilen "mangelhaft" oder "ungenügend" enttäuschen drei Beißringe im Test.
  • In drei Beißringen kritisieren wir krebsverdächtige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Aktualisiert am 15.10.2020 | Bekommt ein Baby Milchzähne, kaut und nagt es oft verzweifelt an allem herum, was es in den Händen hält. Auf diese Weise möchte es den Schmerz lindern. Zahnungsbeschwerden können heftig ausfallen. Möglich sind ein Spannungsgefühl, gerötetes oder geschwollenes Zahnfleisch, unruhiger Schlaf, Schmerzen und erhöhte Reizbarkeit.

Beißringe können da Abhilfe schaffen – etwas zumindest, weil sie das Kau- und Kühlbedürfnis der Kleinen stillen. Wir haben 20 Zahnungshilfen ins Labor geschickt und umfangreich testen lassen. Die Beißringe bestehen aus Naturkautschuk, Kunststoff, Textil, Holz oder Silikon. Das teuerste Produkt im Test kostet 17,95 Euro, das günstigste 1,35 Euro.

Das Ergebnis: Wir können sowohl günstige als auch teure Beißringe für Babys im Test empfehlen. Insgesamt elf Zahnungshilfen schneiden mit "sehr gut" ab. Mit "mangelhaft" oder "ungenügend" enttäuschen aber auch drei getestete Produkte.

Beißringe-Test deckt Schadstoffe auf

Beißringe sollten keine Schadstoffe enthalten. Daher ist es besonders enttäuschend, dass das von uns beauftragte Labor aus unserer Sicht auffällige Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) in den Kunststoffen von drei Beißringen im Test gefunden hat.

Zahnende Kinder haben oft Schmerzen. Beißringe können dabei helfen, die Beschwerden zu lindern. Wir können elf Zahnungshilfen mit "sehr gut" empfehlen.
Zahnende Kinder haben oft Schmerzen. Beißringe können dabei helfen, die Beschwerden zu lindern. Wir können elf Zahnungshilfen mit "sehr gut" empfehlen. (Foto: Stenko Vlad/Shutterstock )

In allen drei Fällen handelt es sich um die PAK-Verbindung Naphthalin – Sie steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Zwei der drei betroffenen Zahnungshilfen erhalten aus unserer Sicht sogar "stark erhöhte" Gehalte an Naphthalin. Den gesetzlichen Grenzwert halten die Produkte aber ein.

PAK kommen häufig in Kunststoffen vor. Sie können beispielsweise über Weichmacheröle oder Ruß hineingelangen. 

Im Beißring-Test vergeben wir nur einmal die Note "ungenügend". Der Hauptgrund: Das von uns beauftragte Labor hat in dem Beißring Anilin analysiert. Die Chemiker wiesen die Substanz in einem textilen Stoff nach. Anilin, ein Farbstoffbaustein aus der Gruppe der aromatischen Amine, erwies sich im Tierversuch als krebserzeugend. Es hat also in einer Zahnungshilfe, die Babys in den Mund nehmen, überhaupt nichts zu suchen.

Da in dem Produkt zudem noch umstrittene halogenorganische Verbindungen stecken, kann das Gesamturteil nur "ungenügend" lauten. Viele Substanzen aus dieser Gruppe gelten als allergieauslösend, manche erzeugen Krebs, fast alle reichern sich in der Umwelt an.

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Überflüssig: Silber in Beißringen für Babys

Eine weitere Zahnungshilfe im Test kritisieren wir, weil sie überflüssiges Silber beinhaltet. Der Anbieter lobt seinen Beißring auf der Packung mit "protected" ("geschützt") aus. Im Kleingedruckten auf der Rückseite erfahren Verbraucher, worin der Schutz besteht: Eine "silberbasierte antimikrobielle Technologie" verhindere die Vermehrung von Bakterien auf der Oberfläche des Beißrings. Wenig überraschend wies das von uns beauftragte Labor dann auch Silber nach.

Allerdings hält ÖKO-TEST eine solche biozide Ausrüstung nicht nur für vollkommen überflüssig, sondern auch für problematisch. Denn durch die antibakterielle Ausrüstung von Gebrauchsgegenständen mit Silber erhöht sich die Gefahr, dass sich mit der Zeit silberresistente Bakterienstämme bilden.

Das gefährdet den Nutzen von Silber in der Medizin, in der es im Kampf gegen Keime zum Einsatz kommt. Der zunehmende Trend zur Ausrüstung von Alltagsgütern – Sportkleidung und vieles mehr – mit Silber macht nicht einmal mehr vor Beißringen halt.

Wenn Babys zahnen: Schießen dem Baby die ersten Milchzähne ins Zahnfleisch ein, kaut und nagt es oft verzweifelt an allem herum, was es in die Hände bekommt.
Wenn Babys zahnen: Schießen dem Baby die ersten Milchzähne ins Zahnfleisch ein, kaut und nagt es oft verzweifelt an allem herum, was es in die Hände bekommt. (Foto: OlhaTsiplyar/Shutterstock)

Beißringe aus Naturkautschuk & Co. im Praxistest 

Erfreulich dagegen: Alle 20 Zahnungshilfen haben die Praxistests bestanden. Im Prüflabor mussten die Ringe in die Belastungsproben. Die Laborexperten testeten sie nach dem ersten Teil der Spielzeugnorm EN 71.

So lief der Praxistest: Die Experten prüften, ob die Produkte Kanten oder Spitzen aufweisen, die ein Verletzungsrisiko darstellen. Mit Spezialgeräten, die Zug- und Drehkräfte ausüben, ermittelten sie, ob die Produkte stabil genug sind oder ob sich verschluckbare Kleinteile lösen.

Außerdem kontrollierten sie mit einer Maschine, ob Teile mit Kühlflüssigkeit aufplatzen und schauten danach, ob die Farben abfärben. Mittels Lösungen, die Speichel und Schweiß simulieren, überprüften sie textile Anteile wie Stofftierchen und Applikationen sowie farbige Hölzer.

Beißringe für Babys: So werden sie richtig benutzt

Das sollten Sie beachten:

  1. Ein kühler Beißring kann dem Baby gut tun. Legen Sie den Beißring aber nicht ins Gefrierfach, sondern in den Kühlschrank. Sonst ist er zu kalt und kann die Mundschleimhaut Ihres Babys verletzen.
  2. Beachten Sie zum Reinigen des Beißringes die Gebrauchsanweisung. Grundsätzlich genügt es, Beißringe mit warmem Wasser abzuspülen. Das Auskochen, das Waschen in der Spülmaschine oder das Erwärmen in der Mikrowelle können Materialien zerstören.
  3. Prüfen Sie den Beißring regelmäßig auf Abnutzung und Festigkeit. Bei Anzeichen von Schäden sollten Sie den Beißring austauschen. 

Das könnte Sie auch interessieren: Nicht nur Beißringe sind eine Möglichkeit, die Beschwerden von zahnenden Kindern zu lindern. Es gibt auch Hausmittel. Welche wir empfehlen und wovon wir lieber abraten:

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST "Ratgeber Kinder und Familie 2020" veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2021, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 20 Zahnungshilfen eingekauft: die meisten davon Beißringe, manche in anderer geometrischer Form. Sie bestehen aus Kunststoff, Textil, Holz, Silikon oder Naturkautschuk. Für das teuerste Produkt haben wir 17,95 Euro bezahlt, für die beiden günstigsten 1,35 Euro.

Beißringe müssen für Kinder ungefährlich zu benutzen sein. Deshalb ließen wir alle darauf prüfen, ob sie den Anforderungen von Teil 1 der Spielzeugnorm EN 71 genügen. Beispielsweise dürfen sich keine verschluckbaren Teile ablösen oder Nähte an Stoffen öffnen. Je nach Material stand zudem eine Reihe von Schadstoffen auf dem Prüfplan: unter anderem giftige Organozinnverbindungen, krebsverdächtige Farbbausteine, ebenfalls krebsverdächtige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Weichmacher, die im Verdacht stehen, Organe zu schädigen. Sieben Beißringe enthalten eine Kühlflüssigkeit. Diese kann mit Parabenen konserviert sein, von denen manche im Verdacht stehen, hormonell zu wirken. Wenn Beißringe eine Kühlflüssigkeit enthalten, sollte auf der Verpackung eine Warnung stehen, dass man sie nicht ins Gefrierfach legen soll.

Unser Gesamturteil beruht auf dem Schadstoff-Ergebnis. Es kann sich durch das Ergebnis Weitere Mängel verschlechtern. Dazu zählen umweltbelastende Stoffgruppen wie Siloxane, optische Aufheller und chlorierte Verbindungen, aber auch ein fehlender Warnhinweis.  

Bewertungslegende 

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) Anilin; b) mehr als 200 μg/kg einer krebsverdächtigen PAK-Verbindung (hier: Naphthalin; in der Tabelle: "PAK stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) mehr als 100 bis 200 μg/kg einer krebsverdächtigen PAK-Verbindung (hier: Naphthalin; in der Tabelle: "PAK erhöht"); b) mehr als 100 bis 1.000 μg/kg Dibutylzinn (DBT); c) Produkt ist mit Silber ausgerüstet. Zur Abwertung um eine Note führt: halogenorganische Verbindungen.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) Produkt enthält Kühlflüssigkeit und es fehlt ein Hinweis, dass man es nicht ins Gefrierfach legen soll; b) mehr als 100 mg/kg Decamethylcyclopentasiloxan (D5) und/oder Dodecamethylcyclohexasiloxan (D6). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) optische Aufheller.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein "befriedigendes" oder "ausreichendes" Testergebnis Weitere Mängel verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Analyse je nach Zusammensetzung des Produkts.

Kunststoffanalyse: FTIR/Raman, charakteristische Absorptionsbanden.

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt und in der Verpackung, Elemente: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Silber: Totalaufschluss in der Mikrowelle, ICP-MS.

Halogenorganische Verbindungen: Probe wird mit Reinstwasser in einer Heißextraktion eluiert. 50 ml des Eluates werden mit 50 mg Aktivkohle und Kaliumnitratlösung versetzt und eine Stunde lang geschüttelt, Abfiltrieren der Aktivkohle, Verbrennung des mit Aktivkohle belegten Filters bei 1.000 Grad Celsius im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts, berechnet als Chlor.

Phthalate, Ersatzweichmacher, phosphororganische Verbindungen, sonstige Verbindungen: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung.

Parabene in der Kühlflüssigkeit, Siloxane: GC/MS nach Extraktion.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): AfPS GS 2014-01, GC-MS.

Zinnorganische Verbindungen: DIN EN ISO 17353 2005-11, GC-MS.

Optische Aufheller: qualitativer Nachweis (UV-Licht).

MAK-Amine: Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung; Analytik entsprechend DIN EN 14362-1:2017-05. Bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend DIN EN 14362-3:2017-05; Bestimmungsgrenze: 1 mg/kg. GC/MS und ggf. HPLC/DAD oder TLC; zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine.

Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend DIN 54231 (November 2005); Dünnschichtchromatografie (TLC) und HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor).

Nitrosamine/nitrosierbare Vorstufen: DIN EN 12868 2017-04 (ohne vorheriges Auskochen, Speichelsimulanz, 40 Grad Celsius, 24 Stunden), Einfachbestimmung ohne Variabilitätstest nach 9.2.2.

Latexproteine: Extraktion in 10 ml 0,1 M TES pH 7,4 (nach EN 455-3), zwei Stunden bei Zimmertemperatur; Lowry-modifiziert (nach EN 455-3).

Praxisprüfung: DIN EN 71, Teil 1: Mechanische und physikalische Eigenschaften.

Speichel-/Schweißsimulanz: Nach DIN 53160-1, 2: 2010-10. Die Bewertung der Echtheitsprüfungen erfolgt unter den in der Norm festgelegten Bedingungen mittels Graumaßstab (Lichtechtheit mittels Blaumaßstab), wobei Note 5 die beste Note darstellt und Note 1 die schlechteste.

Einkauf der Testprodukte: Oktober bis Dezember 2019 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST "Ratgeber Kinder und Familie 2020" veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2021, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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