Mehrere Viren unterwegs: Mehr als jeder Zehnte ist vor den Feiertagen krank

Autor: dpa/Redaktion (lw) | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 22.12.2023

Mehrere Atemwegsviren parallel: Mehr als jeder Zehnte betroffen
Foto: Shutterstock/Irina Bg

Schniefend und hustend in die Feiertage: Wer will das schon? Leider haben viele Menschen hierzulande im Moment keine andere Wahl. Corona, Grippe und andere Atemwegserkrankungen machen die Runde. Wie das RKI und andere Experten die Lage beurteilen.

Die Tage vor Weihnachten werden hierzulande durch weiter zunehmende Infektionszahlen bei akuten Atemwegserkrankungen getrübt. Mehr als jeder Zehnte ist noch oder war gerade betroffen: Es werde von etwa 8,9 Millionen entsprechender Erkrankungen ausgegangen – unabhängig von einem Arztbesuch –, so das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Bericht von Mittwochabend.

Das sei ein ähnlich hohes Niveau wie im Vorjahr um diese Zeit. In seinem Bericht aus der Vorwoche war das RKI erst von 7,9 Millionen Fällen ausgegangen, also einer Million weniger.

Im Wochenvergleich seien die Werte insbesondere bei Kindern im Schulalter und jungen Erwachsenen gestiegen, schreibt das RKI. Neben Corona gebe es für diese Zeit ungewöhnlich viele Rhinovirusinfektionen (d.h. Erkältungen) sowie zunehmend Fälle von Grippe und RSV: Letzteres steht für das "Respiratorisches Synzytial-Virus" – womit derzeit insbesondere Kinder unter zwei ins Krankenhaus kommen.

Grippewelle hat noch nicht mal angefangen

Die eigentliche Grippewelle hat nach RKI-Definition aber noch nicht begonnen.

Allerdings sprechen die Fachleute mit Blick auf stichprobenartige virologische Untersuchungen von einem auffällig steilen Anstieg der Rate positiver Proben von sogenannten Influenza-A(H1N1)pdm09-Viren: Zu diesem Subtyp schreibt das RKI auf seiner Webseite, er sei während der Grippe-Pandemie 2009 erstmals aufgetreten: als sogenannte Schweinegrippe. Er zirkuliere seitdem auch saisonal in Deutschland, zuletzt deutlich in der Saison 2018/19.

Bei Grippewellen, in denen dieser Erreger dominierte, sei bislang zu beobachten gewesen, dass es auch bei jüngeren Erwachsenen und Kindern zu sehr schweren Erkrankungen und Todesfällen gekommen sei, insbesondere wenn Vorerkrankungen vorlagen. "Insgesamt sind solche schweren Verläufe bei jungen Menschen aber selten", so das RKI.

Wichtig zu wissen: Bei Atemwegserkrankungen kann sich die Entwicklung von Saison zu Saison erheblich unterscheiden. Bei den derzeit hohen Werten könnte Fachleuten zufolge immer noch ein kleiner Nachholeffekt eine Rolle spielen: Das bedeutet, dass sich gerade womöglich noch etwas mehr Menschen mit Erregern anstecken, mit denen sie in den Pandemie-Jahren nicht oder seltener als üblich in Kontakt kamen.

"Aber man muss natürlich auch beachten, dass wir jetzt einen Erreger für Atemwegserkrankungen mehr haben", sagte der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl der Deutschen Presse-Agentur, nämlich das Covid-Virus. Wenn man den derzeit relativ hohen Anteil von Sars-CoV-2 an allen Atemwegsinfektionen betrachte, sei es kein Wunder, dass die gesamte Inzidenz über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie liege.

Menschen sind womöglich stärker sensibilisiert

"Zudem ist von einer höheren Aufmerksamkeit in der Bevölkerung auszugehen", sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Und damit tendenziell von mehr Arztbesuchen wegen Atemwegserkrankungen, die sich auch in der Statistik beziehungsweise den Arbeitsunfähigkeitszahlen niederschlagen könnten.

Watzl widerspricht vehement Behauptungen, wonach die Hygienemaßnahmen in der Pandemie dem Immunsystem geschadet haben könnten. Dies stimme einfach nicht. "Ich muss mein Immunsystem nicht durch Infektionen trainieren, damit es überhaupt erst aktiv ist." Dass vermiedene Infektionen von damals nun nachgeholt werden, bedeute keine Schwächung des Immunsystems.

Schwere Corona-Verläufe sind nicht Geschichte

Trotz der Grundimmunität durch Impfungen und Infektionen in der Bevölkerung sind schwere Verläufe nicht völlig passé. Eine Corona-Infektion könne "noch ganz schön" krank machen, sagte der Charité-Experte Leif Sander kürzlich im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB): "Auch solche Ausprägungen, wie wir sie vor ein paar Jahren gesehen haben."

Gründe könnten etwa eine länger zurückliegende Impfung oder keine gute Immunisierung sein. Einen gewissen Grad an Vorsicht halte er daher für geboten: Freiwillig eine Maske zu tragen, sei etwa in einer sehr vollen U-Bahn vernünftig – auch zum Schutz vor anderen Viren.

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