Dass Zähneputzen dazugehört, ist klar. Auch, dass richtig und gründlich geputzt werden muss. Nur: Wie lange? Die Antwort überrascht.
Viele von uns sind noch mit dem Gebot aufgewachsen, das Zähneputzen müsse (mindestens!) drei Minuten dauern, sonst hätten Karies und Baktus leichtes Spiel. Noch heute gibt es in fast jedem Drogeriemarkt kleine Sanduhren zu kaufen, die eine Putzzeit von drei Minuten anzeigen.
Zähneputzen: Wie viele Minuten dürfen's denn sein?
Elektrische Zahnbürsten hingegen, auf die immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Zahnpflege setzen, scheinen weniger Zeit mitzubringen. Denn: So gut wie alle neueren Elektro-Bürsten haben einen eingebauten Timer. Der signalisiert nach einer bestimmten Zeit, dass jetzt ausreichend geputzt ist – beispielsweise, indem die Rotationsbewegung kurz aussetzt.
Der Zeitraum, der von den elektrischen Zahnbürsten abgesteckt wird, beträgt aber fast immer nur zwei Minuten. Und damit eine ganze Minute weniger als die zuerst zitierte Empfehlung, die immer noch in vielen Köpfen steckt.
Wie kann das sein? Putzen die Elektrischen schlicht gründlicher und bekommen den Job deshalb in zwei Drittel der Zeit hin? Das wäre schön – ist aber leider nicht die Erklärung. Wir haben bei der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) und deren Sprecher, Prof. Stefan Zimmer, nachgefragt.
Der Experte erklärt zunächst, dass die kürzere Putzzeit der Elektrischen aus den USA stammt. Denn: Der größte Markt für elektrische Zahnbürsten liegt noch in den USA und auch der dominierende Anbieter für E-Bürsten (Oral-B/Procter & Gamble) kommt von dort.
Deshalb richten sich die Putzzeiten, die von elektrischen Zahnbürsten signalisiert werden, ebenfalls nach US-Standards. Und jenseits des Atlantik wird eben nur zwei Minuten geputzt. Was aber auch schon vor 25 Jahren nicht anders gewesen sei, als noch weit und breit keine Elektro-Zahnbürsten in Sicht waren, so Zimmer.
Jeder hat eine andere optimale Putzzeit
Der Clou: Richtig sind, so der Fachmann, aber weder zwei noch drei Minuten. Eine eindeutige wissenschaftliche Grundlage gibt es nämlich für keine der beiden Empfehlungen. Das deckt sich mit den Erkenntnissen einer britischen Überblicksstudie aus dem Jahr 2014, die aufgezeigt hat, dass die Empfehlungen für eine angemessene Putzdauer in der Fachliteratur immer wieder ziemlich durcheinandergehen.
Vielmehr hat jeder Mensch, so Zimmer, eine individuell unterschiedliche optimale Zahnputzzeit. Das leuchtet ein, sobald man sich klarmacht, dass Gebiss nicht gleich Gebiss ist: So unterscheidet sich der Zustand der Zähne genauso wie die Anzahl oder die Breite der Zahnzwischenräume. Auch die individuelle Putztechnik spielt eine Rolle, genauso wie die Frage, ob eine elektrische oder eine Handbürste verwendet wird.
Schnell-schnell geht es aber bei niemandem: Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass eine Minute (oder gar weniger) zu kurz ist, um alle Zähne vernünftig zu reinigen.
Ein bisschen Plaque bleibt immer
Prof. Zimmer schätzt, dass für eine gründliche Reinigung im Schnitt eher vier Minuten veranschlagt werden sollten, die Pflege der Zahnzwischenräume noch nicht einmal eingerechnet. Schließlich müssen nicht nur alle Zähne gründlich und von allen Seiten geputzt werden, auch Zahnseide oder Interdentalbürste sollten regelmäßig zum Einsatz kommen. Nur dann kann so viel Plaque entfernt werden, wie sich ohne professionelle Hilfe beseitigen lässt.
Ein Rest Zahnbelag bleibt nämlich auch beim gründlichsten Putzen. An die schwierigsten Stellen kommt nur die professionelle Zahnreinigung heran – die der Experte deshalb ausdrücklich empfiehlt.
Die gute Nachricht: Jeder Einzelne kann seine optimale Putzzeit verhältnismäßig einfach in Erfahrung bringen. Indem er seine Zähne nämlich vor dem Putzen mit einer speziellen Plaquetablette einfärbt, die es in der Apotheke zu kaufen gibt. Dann muss nur noch die Zeit gestoppt werden, die man benötigt, bis Zähne und Zahnzwischenräume vollständig gereinigt sind.
Wer ganz sichergehen will, so Zimmer, sollte nach dem ersten Durchgang noch einmal anfärben: Es könne nämlich sein, dass die Farbe während des ersten Putzgangs durch den Speichel teilweise abgewaschen wurde, obwohl noch gar nicht alle Beläge entfernt wurden.
Tipps: Zähneputzen für Fortgeschrittene
Und noch vier Hinweise gibt der Fachmann mit auf den Weg:
1. Viele Menschen meinen, sie könnten (zu) kurzes Putzen durch mehr Druck ausgleichen. Das ist aber ein Fehlschluss, der mehr schadet als nützt. Zimmers Tipp: Drücken Sie Ihre Zahnbürste probeweise mit geschlossenen Augen auf Ihre Küchenwaage, mit dem gleichen Druck, den Sie normalerweise bei Ihren Zähnen anwenden. Öffnen Sie dann die Augen: Zeigt die Waage mehr als 100 Gramm, putzen Sie vermutlich zu kräftig.
2. Viele Menschen putzen außerdem unregelmäßig statt systematisch und vernachlässigen dabei die immer gleichen Bereiche, weil sie sich den Ablauf falsch antrainiert haben. Achten Sie darauf, keine Zähne zu vergessen und jedem Zahn ungefähr die gleiche Zeit zu widmen.
3. Eine besondere Schwachstelle: die Eckzähne. Weil man beim Putzen die Ausrichtung der Bürste wechseln muss (Bürstenkopf zeigt nach rechts ↔ Bürstenkopf zeigt nach links), kurz bevor man die Eckzähne erreicht, werden sie gerne übersprungen. Achten Sie mal darauf!
4. Studien zeigen: Wer Zahnpasta ohne Fluorid benutzt, ist nicht vor Karies geschützt – egal wie viel geputzt wird. Fluorid ist deshalb laut dem Experten ein Muss.
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