Bäume pflanzen fürs Klima: Ohne Transparenz ist Nutzen oft nicht nachweisbar

Autor: Sandra Trauner von dpa | Kategorie: Freizeit und Technik | 28.09.2023

Bäume pflanzen fürs Klima: Nutzen oft nicht nachweisbar
Foto: Shutterstock/Black Salmon

CO2-Kompensation durch Aufforstung klingt theoretisch gut, ist in der Praxis aber nicht so einfach. Ihr Nutzen ist laut Forschenden wegen mangelnder Transparenz nur bedingt messbar und beim Pflanzen kann viel falsch gemacht machen. Sinnvoll kann die Aufforstung trotzdem sein.

Wer dem Klima schadet, kann zum Ausgleich Bäume pflanzen lassen. Auch Unternehmen werben damit, dass sie ihre Emissionen durch Aufforstung ausgleichen. Bäume speichern CO2 und helfen damit dem Klima – soweit die auf den ersten Blick naheliegende und charmante Idee.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Selbst wenn der gepflanzte Wald dem Klima nutze, sei das oft nicht zu quantifizieren, wie Wissenschaftler erklären. Schlechtestenfalls bewirke eine solche Aktion sogar das Gegenteil. Dabei sei der Grundgedanke ja nicht falsch, sagt Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): "Wir brauchen mehr Wälder."

Nutzen fürs Klima wird oft nicht nachgewiesen

Ein Forscherteam hat kürzlich die Nachhaltigkeitsberichte von 100 der weltweit größten Unternehmen ausgewertet. 66 Unternehmen gaben an, Ökomaßnahmen durchzuführen, 44 von ihnen pflanzen Bäume, wie es im Fachjournal "Science" berichtet. Die Studie zeigte aber auch, dass über 90 Prozent kein ökologisches Ergebnis angaben. Zudem seien in keinem der Berichte die sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen auf lokale Interessengruppen quantifiziert worden.

"Es gibt im Moment nur sehr wenig Transparenz, so dass es für niemanden einfach zu beurteilen ist, ob Projekte Vorteile für Ökosysteme oder Menschen bringen", bilanziert Hauptautor Tim Lamont von der Lancaster University. "Wenn ein Unternehmen sagt, dass es Tausende von Bäumen gepflanzt hat, um Lebensraum wiederherzustellen und Kohlenstoff zu absorbieren – woher wissen wir dann, ob dies umgesetzt wurde, ob die Bäume überleben werden und ob dadurch ein funktionierendes Ökosystem entstanden ist, das der Artenvielfalt und den Menschen zugute kommt?", sagt Lamont. "In vielen Fällen haben wir festgestellt, dass die Beweise, die große Unternehmen zur Untermauerung ihrer Behauptungen vorgelegt haben, nicht ausreichen."

Große internationale Konzerne könnten eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung von Ökosystemen spielen, schreiben die Forscher in "Science". Es sei jedoch mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht erforderlich, um sicherzustellen, dass ihre Projekte auch gute Ergebnisse liefern.

Bäume binden CO2 aus der Luft und speichern Kohlenstoff. Wie viel hängt von der Baumart, den Standortbedingungen und der Lebensdauer ab. Für die Photosynthese entnimmt der Baum das Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Der Kohlenstoff (C) aus dem CO2 wird unter anderem genutzt, um Wurzeln, Stämme und Blätter auszubilden: Viel davon wird im Baum eingelagert. Der Sauerstoff (O2) aus dem CO2 wird an die Luft abgegeben.

Gute Theorie – in der Praxis verbesserungsbedürftig

Die Speichermenge ist abhängig von der Baumart: Je schwerer und dichter das Holz, desto mehr Kohlenstoff wird gespeichert. Auch das Alter der Bäume spielt eine Rolle: Sehr junge Wälder speichern weniger als alte. Zu beachten sei auch die geografische Lage, schreibt die Stiftung Unternehmen Wald, die sich für Naturschutz und Waldforschung einsetzt: Tropische Wälder wachsen demnach schneller als Wälder in Deutschland und speichern dabei daher im gleichen Zeitraum mehr CO2.

Als Faustformel nennt die Stiftung: Ein Hektar Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg circa sechs Tonnen CO2.

Vom Grundgedanken her sei die Idee "nicht verkehrt", sagt PIK-Forscher Reyer, der zu den Folgen des Klimawandels für Wälder und möglichen Gegenmaßnahmen forscht. "Aber in der Praxis wird es halt oft nicht so gut gemacht." Wenn Unternehmen Bäume pflanzen, "dann heißt das noch nicht, dass diese Bäume auch überleben." Nur eine Baumart zu pflanzen, ist meist nicht sinnvoll: Monokulturen haben wenig Resistenzen gegen Stürme oder Trockenheit und fallen schneller Schädlingen zum Opfer.

Manchmal würden durch Aufforstungsprojekte auch bestehende Ökosysteme vernichtet, zum Beispiel Moore oder Steppen. Andernorts würden illegale Siedlungen geräumt, mit der Folge, dass sich die Menschen woanders neue Behausungen bauen und dabei in andere, noch intakte Ökosysteme eindringen. Ein neu gepflanzter Wald könne auch den Boden austrocknen oder andere Nebeneffekte haben. "Letztlich muss man die Gesamtklimabilanz im Auge behalten", so Reyer.

Verbraucher können gute Projekte kaum erkennen

All das sei im Prinzip bekannt. Und es gebe auch wirklich tolle Projekte, die das beherzigen, betont der Wissenschaftler. Nur der Verbraucher, der mit diesem "Ablasshandel" sein Gewissen beruhigen will, könne sie nicht unterscheiden. Die verschiedenen Zertifizierungssysteme auf dem Markt sieht Reyer kritisch. Es gebe für Baumpflanzaktionen keinen rechtlichen Rahmen, aber "viel Wildwuchs".

Ein Tipp des Fachmanns: Eine Wiederaufforstung sei tendenziell besser als eine Neuanpflanzung, da hier zumindest sichergestellt ist, dass sich der Ort für Wald eignet.

Auch wenn Baumprojekte allein das Klima nicht retten, können Wälder viel zum Klimaschutz beitragen, heißt es in einem Report des European Forest Institute von 2022 ("Waldbasierter Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Europa"). Allerdings heißt es dort auch: "Aufforstung alleine bringt uns aber nicht weiter. Wollen wir wirklich Schadensbegrenzung betreiben, müssen wir verschiedene Aktivitäten kombinieren: das Vermeiden von Abholzung, Aufforstung, eine andere Holznutzung und Wiederverwertung."

Würde man diesen "holistische" Ansatz konsequent verfolgt, so die Autoren des Reports, "können europäische Wälder und Holzprodukte einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 leisten".

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