Schimmel gegessen? Ein Experte gibt Entwarnung – bis auf wenige Fälle

Autor: Lino Wirag | Kategorie: Essen und Trinken | 27.01.2024

Schimmel gegessen: Warum Sie sich nur in wenigen Fällen echte Sorgen machen müssen
Foto: Shutterstock/MVolodymyr

Sie haben versehentlich ein verschimmeltes Lebensmittel gegessen? Wir haben einen Experten gefragt, was dann zu tun ist. Und können Entwarnung geben: Bei geringen Mengen besteht in aller Regel kein Anlass zur Sorge. Es gibt nur wenige Fälle, in denen erhöhte Wachsamkeit geboten ist.

Vielen ist es bestimmt schon einmal passiert: Man hat gerade ein Käsebrot verputzt – und stellt erst anschließend fest, dass die hinterste Brotscheibe in der Packung schon starr vor Schimmel ist. Oder dass sich bereits ein grüner Belag auf dem Appenzeller angesiedelt hatte. Habe ich da gerade Schimmel gegessen? Kein angenehmer Gedanke – aber auch kein Grund zur Panik.

Wir haben mit Dr. Markus Schmidt-Heydt vom Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe gesprochen. Der Mikrobiologe ist Experte für Schimmel und Schimmelpilzgifte. Und kann gleich einmal Entwarnung geben.

"Die Schimmelpilze, die auf hiesigen Lebensmitteln vorkommen, bilden in aller Regel keine Gifte, die in kleinsten Mengen zu direkten gesundheitlichen Auswirkungen führen", so Schmidt-Heydt. "Wer einmal in überschaubarem Umfang etwas Verschimmeltes zu sich nimmt, das aus Mitteleuropa stammt, wird deshalb sehr wahrscheinlich keine akuten Vergiftungserscheinungen bekommen."

Übelkeit als natürlicher Schutzmechanismus

Wer trotzdem Übelkeit verspürt, nachdem er beispielsweise in ein verschimmeltes Brot gebissen hat, hat es eher mit einer psychosomatischen Reaktion zu tun als mit einer Vergiftung. Ekel vor schimmligen und verdorbenen Lebensmitteln zu empfinden, so Schmidt-Heydt, sei schließlich eine Art natürlicher Schutzmechanismus des Körpers gegen unangenehm schmeckende und damit potentiell ungesunde Stoffe.

Dieser Käse weist – leider – die falsche Art Schimmel auf.
Dieser Käse weist – leider – die falsche Art Schimmel auf. (Foto: Shutterstock/Maliflower73)

Der Experte schränkt jedoch ein: "Das heißt natürlich nicht, dass man gleich regelmäßig und ohne Bedenken zu Verschimmeltem greifen darf. Denn die Mykotoxine, also Schimmelpilzgifte, können sich mit der Zeit im Körper einlagern oder auch in Kombination mit anderen aufgenommenen Schadstoffen giftiger wirken als alleine. Da wären dann durchaus langfristige Gesundheitsrisiken vorstellbar."

Der "gute" Schimmel kann Lebensmittel schützen

Ganz und gar unbedenklich ist Schimmel auf Lebensmitteln nur dann, wenn er erwünscht ist. Man spricht dann nicht von Schadschimmel, sondern von Edel- oder Kulturschimmel. Bekannte Beispiele sind hier Käsesorten wie Brie, Camembert, Gorgonzola oder Roquefort sowie einige Salamisorten, die von einer Hülle aus Edelschimmel umgeben sind.

Die hier verwendeten Pilze bilden keine Gifte und sind damit für den menschlichen Organismus unbedenklich. Tatsächlich, so Schmidt-Heydt, schützen sie das Lebensmittel sogar vor anderen Schaderregern, indem sie quasi den zur Verfügung stehenden Platz besetzen und die Oberfläche so verändern, dass andere, unerwünschte Mikroorganismen sich gar nicht erst breitmachen können.

Bei Kulturschimmel handelt es sich um "echte" Schimmelpilze, die durchaus auf den Lebensmitteln (weiter)leben. Beispiel: Man schneidet ein Stück Brie ab – und stellt später fest, dass sich auf der Schnittstelle eine neue, weiße Schimmelhaut gebildet hat. Dieser Edelschimmel kann, wenn er die Gelegenheit dazu bekommt, sogar auf andere Käsestücke übergehen. Auch Blauschimmelkäse wächst bzw. reift weiter, hier vor allem im Käseinneren.

Zwei Schimmelpilze sind meist einer zu viel

"Dieser Schimmel ist natürlich unbedenklich, auch wenn er beim Brie schon 'um die Ecke' gewachsen ist", so Schmidt-Heydt. "Unappetitlich wird es erst dann, wenn nicht mehr der samtige, weiße Kulturschimmel zu sehen, sondern grüne oder schwarze Pilzsporen auf dem Käse auftauchen. Auch ein fluffiger weißer Belag, der sich klar von einem erwünschten Schimmelrand unterscheidet, hat auf dem Käse nichts zu suchen." Hier gilt dann: Im Zweifel in die Tonne damit.

Während Schimmelpilze, wie sie hierzulande gedeihen, mit ihren Giften nur sehr selten ernstzunehmende Beschwerden verursachen dürften, so Schmidt-Heydt, sieht das bei Pilzarten anders aus, die in feucht-warmen Gebieten der Erde – wie etwa in Nordafrika oder dem Nahen Osten – vorkommen. "In anderen Weltregionen sind Mykotoxine leider ein echtes Gesundheitsproblem", so der Experte. "Das Schimmelpilzgift Aflatoxin beispielsweise fordert in Afrika regelmäßig Todesopfer, wenn es seinen Weg in Grundnahrungsmittel wie Mais findet."

Deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sind vor solchen kontaminierten Produkten weitgehend sicher. Über importierte Waren, die den Kontrollen entgehen, können Mykotoxin-belastete Nahrungsmittel aber auch hierzulande in den Verkauf gelangen. Vereinzelte, aber dennoch regelmäßige Produktrückrufe belegen, dass auch in Deutschland immer wieder zu hohe Mengen bedenklicher Pilzgifte wie Ochratoxin A oder Aflatoxin in Produkten gefunden werden.

Betroffen sind häufig Trockenprodukte wie Pistazien, Erdnüsse, Mandeln oder Paranüsse, aber auch Trockenfrüchte, Gewürze oder Nahrungsmittel wie Reis, die aus warmen, feuchten Weltregionen stammen. Dort gedeihen die Schimmelpilzarten, die potentiell bedrohliche Mengen an Giften produzieren, besonders gut.

Wer auf seine Sinne vertraut, liegt meist richtig

Aber auch hier sollte niemand in Panik verfallen. Dass sich hiesige Verbraucherinnen und Verbraucher etwa beim Pistazienverzehr vergiften, so MRI-Experte Schmidt-Heydt, sei höchst unwahrscheinlich, wenn man sich an die folgenden Empfehlungen halte.

Erstens solle man auf seine Sinne vertrauen: Riecht oder schmeckt ein Lebensmittel nicht wie gewohnt? Sieht es ungewöhnlich aus? Dann lieber auf den Verzehr verzichten. Zudem kann man überprüfen, ob ein aktueller Produktrückruf vorliegt, etwa über das Portal lebensmittelwarnung.de, das vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) betrieben wird.

Faszination Schimmel: Hier breiten sich ein Rhizopus-Schimmelpilz auf einem Stück Brot aus.
Faszination Schimmel: Hier breiten sich ein Rhizopus-Schimmelpilz auf einem Stück Brot aus. (Foto: Shutterstock/Rattiya Thongdumhyu)

Sollte der seltene Fall eintreten, dass Sie oder ein Angehöriger tatsächlich einmal ernstzunehmende Mengen eines Produkts verzehrt haben, das wegen Schimmelbelastung zurückgerufen wurde, stehen bundesweit zahlreiche Giftnotrufzentralen zur Verfügung. Eine Blut- oder Urinprobe könne später Gewissheit darüber verschaffen, so Schmidt-Heydt, ob tatsächlich zu viele Toxine aufgenommen wurden und ob weitere medizinische Maßnahmen notwendig seien.

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